Dieselöl: Skandalöse Verharmlosung

Das Sicherheitsdatenblatt für Dieselöl ist eindeutig: „Aquatische Toxizität: Giftig für Wasserorganismen, kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben. Ausfließendes Produkt kann zur Bildung eines Films auf der Wasseroberfläche führen, der den Sauerstoffaustausch
verringert und das Absterben von Organismen zur Folge haben kann.“ Trotzdem will man und weismachen, 120.000 Liter Dieselöl in der Elbe seien wenig problematisch; das regele sich schon von selbst.

Gestern fing alles noch scheinbar harmlos an. Von sechs Tonnen ausgelaufenem Dieseltreibstoff war zunächst die Rede, und dass die Feuerwehr und die Wasserschutzpolizei alles mit Ölsperren eingefangen hätten. Heute war dann plötzlich von 120.000 Litern (oder sogar von 120 Tonnen, was wegen der geringen Stoffdichte dann schon 150.000 Liter wären) die Rede. Und Stück für Stück kam heraus: Fast alles war auf der Elbe unterwegs, bis zum Mittag hatte sich ein ziemlich geschlossener Ölfilm von Geesthacht bis Wilhelmsburg gebildet.

Das ist so ungefähr das für den Fluss, was ein Super-GAU für ein AKW ist: Nichts geht mehr, Vögel werden sterben, Fische auch, Uferzonen werden verunreinigt, und es besteht erhebliche Gefahr für das Grundwasser. Falls Sie Hausbesitzer sind und eine Ölheizung besitzen, kennen Sie das, weil der Vertreter Ihrer Haftpflichtversicherung es Ihnen einst erklärt hat: Ein Liter Heizöl kann eine Million Liter Grundwasser verderben. Und auch, wenn das wohl übertrieben war: Zwischen Diesel und Heizöl besteht, chemisch gesehen, kein Unterschied.

Während Hamburgs Umweltsenatorin sich das Ausmaß der Schäden aus dem Hubschrauber ansah, wurde unten von Einsatzleitern schier Unglaubliches erklärt. Man wolle nicht mehr versuchen, den Teppich einzugrenzen und Öl abzusaugen, hieß es, weil: Das Dieselöl werde „größtenteils“ verdunsten, der Rest sich mit dem Wasser vermischen und so „verschwinden“.

Dabei ist richtig, dass auch Diesel verdunstet – innerhalb von 18 Stunden auf 20 ° warmem Wasser ein gutes Drittel. Freitagabend könnte alles, was verdunstbar ist, weg sein. Nur: Erstens kommt das für viele Lebewesen zu spät, zweitens gibt es einen erheblichen nicht verdunstenden Rest, der sich mit Wasser zu einer zähen, schweren Schmiere verbindet, auf den Grund sinkt und da weiter Schaden anrichtet.

Tatsache ist: Die Verunreinigung im sehr eng begrenzten Bereich konnte nicht aufgehalten werden. Auch 36 Stunden nach der Kollision waren die Einsatzkräfte bemüht, aber offenbar weitgehend ratlos. Direkt vor den Toren Hamburgs wurden Elbe und Umwelt nachhaltig geschädigt, weil Equipment und/oder Knowhow nicht ausreichten. Ein aberwitziges Ergebnis, wenn man bedenkt, dass hier nur ein kleines Binnenschiff verunglückt ist. Wie sähe es jetzt wohl bei einem „richtigen“ Tankerunglück aus?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.