Wohnungsnot: Schönfärben statt helfen

1.029 Wohnungslose lebten im März auf Hamburgs Straßen, zu der Dunkelziffer können die zuständigen Behörde nichts sagen, insgesamt 3.014 Personen sind in den verschiedenen Übernachtungseinrichtungen untergebracht. Der Senat plant im Haushaltsentwurf weniger Plätze für die öffentliche Unterbringung in den kommenden Jah¬ren ein, obwohl die Zahl der Wohnungslosen und Zuwanderer seit vielen Monaten deutlich zunimmt.

Die meisten aktuellen Zahlen gehen aus der Antwort des Senats auf eine Schriftliche Kleine Anfrage des stadtentwicklungspolitischen Sprechers der Bürgerschaftsfraktion, Dr. Joachim Bischoff, zum Thema Wohnungslosigkeit in Hamburg hervor (Drs. 19/7915). Zudem weist der Bezirk Mitte im Durchschnitt monatlich 53 Personen ab, die dringend untergebracht werden müssten.

Von den 3.014 Personen sind 2.564 Personen in Wohnunterkünften (per 30.9.), 201 in Übernachtungsstätten (30.9.), weitere 32 in teilstationären (31.7.) und 181 in stationären Einrichtungen (31.7.) sowie 36 in sonstigen Einrichtungen (31.7.2010) untergebracht (Antwort 1).

Die Zahl der Wohnungslosen und der Zuwanderer ist in diesem Jahr rapide angestiegen. Waren es im vergangenen Jahr noch um 997 Zuwanderer, wird 2010 eine Zahl von 1.600 angenommen. Die Sozialbehörde blendet die realen Zahlen aus: Mehrere Unterkünfte – vor allem für wohnungslose Frauen – waren schon im Sommer überfüllt, ohne dass die notwendigen Konsequenzen für den Winter gezogen worden wären. Die Fachstelle für Wohnungsnotfälle des Bezirks Mitte gibt an, dass zwischen Januar und Oktober 2010 im monatlichen Durchschnitt – trotz Unterbringungspflicht Hamburgs – 43 Haushalte bzw. 53 Personen „nicht zeitnah untergebracht werden konnten“, sondern obdachlos wieder weggeschickt werden mussten. Diese Zahlen werden von einigen MitarbeiterInnen handschriftlich notiert werden, aber offiziell gibt es „keine Erfassung der nicht untergebrachten Personen erfolge“.

Dr. Joachim Bischoff erklärt dazu: „Während die Senatskoalition einschließlich des Wohnungsbaukoordinators noch eine Wohnungsnot bestreiten und vom punktuellen Wohnungsmangel spricht, stellt sich die Situation für die Menschen am untersten Rand der Gesellschaft dramatischer denn je dar: Eine wachsende Zahl von ihnen findet keinen Platz in den Wohnunterkünften oder Übernachtungsstätten. Angesichts drastischer Mietsteigerungen und rückläufiger Sozialwohnungen schon gar keine reguläre Wohnung. Dass Menschen, die eine Unterbringung nachsuchen, monatlich zu Dutzenden – in ganz Hamburg möglicherweise zu Hunderten – regelmäßig abgewiesen werden, ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit und eine Verletzung der Unterbringungspflicht der Stadt.“

Statt umgehend zu handeln, betreibt der Senat Schindluder mit den Zahlen. Sozialsenator Wersich behauptete in einer Presseerklärung am 19. November, dass kein Abbau von Übernachtungsplätzen für Wohnungslose erfolgen würde. Laut „Finanzbericht 2011/2012. Allgemeiner Vorbericht zum Haushaltsplan-Entwurf 2011/2012/Finanzplan 2010 – 2014 (Stand: Beschluss des Senats vom 22. September 2010)“ ist einkalkuliert, die Platzzahl für die öffentliche Unterbringung von 8.285 (Ende 2009) auf 6.977 (Ende 2010) herunterzufahren und auf diesem Stand für 2011 und 2012 festzuschreiben (Tabelle, S. 80). Auch wenn diese Zahlen laut Sozialsenator eine ‚Prognose‘ darstellen und ’sich nicht auf die Platzzahl direkt beziehen‘, bleibt rätselhaft, dass mit einer Abnahme der Unterbringungsplätze gerechnet wird, obwohl die Zahl der Wohnungslosen und Zuwanderer seit vielen Monaten deutlich zunimmt.

„Ich stelle daher fest: Der Senat kaschiert die wahre Zahl der Menschen, die dringend wenigstens einen Unterbringungsplatz benötigen. Doch dies ist symptomatisch für eine grün-schwarze Politik, die die akute Wohnungsnot in Hamburg kleinredet statt endlich zu handeln“, schließt Bischoff.

2 Gedanken zu „Wohnungsnot: Schönfärben statt helfen“

  1. offenbar gibt es seit 1/2 Jahr
    nur noch Wohnraum für gutverdienende Paare,
    seitdem mir( alleinstehend, mit Unterstützung des Amtes) wegen Eigenbedarfs gekündigt wurde- suchte ich in Hamburg eine kleine bezahlbare 2 Zimmer Wohnung!
    jetzt ist es soweit das ich die Stadt verlassen muss da ich hier keine Wohnung bekomme!
    und das finde ich schon unglaublich, da auch Hilfe und/oder Unterstützung nicht in Aussicht steht!

  2. Ja, die Lage auf dem Hamburger Wohnungsmarkt ist nach wie vor angespannt. Aber deshalb sorgt der Senat ja auch dafür, dass wieder Wohnungen gebaut werden, mindestens 6000 jedes Jahr. Dadurch wird sich die Lage entspannen. Allerdings wird es ein paar Jahre dauern, bis der Effekt eintritt, da 10 Jahre vorher nichts getan wurde und der Fehlbedarf groß ist.

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