Was wird aus Markus Schreiber?

Die Staatsanwaltschaft hat nach dem Methadon-Tod der elfjährigen Chantal das Jugendamt Wilhelmsburg und die Räume eines freien Trägers durchsucht – Akten sowie Computerdaten wurden sichergestellt. Die Leiterin des Jugendamtes im Bezirk Mitte wurde Medienberichten zufolge von ihren Aufgaben entbunden. Die CDU forderte unterdessen den Rücktritt des Bezirksamtleiters, die Linksfraktion sieht eine Überlastung der Beschäftigten im Allgemeinen Sozialen Dienst.

„Es reicht, Markus Schreiber“, so der Titel einer heutigen Pressemitteilung der Union: „Nach Auffassung der CDU ist spätestens mit den gestrigen Aussagen von Mitte-Bezirksamtsleiter Markus Schreiber endgültig klar, dass er in der politischen Verantwortung für sein Bezirksamt versagt hat. So hatte Schreiber im Jugendhilfe-Ausschuss angekündigt „regelwidrige Sachbearbeitung wird geahndet“, selbst aber nur für den Fall mit Rücktrittsgedanken gespielt, falls ihn persönliche Schuld treffe.“

Dazu Christoph de Vries, familienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion: „Das Verhalten von Markus Schreiber – angefangen mit der Feststellung, Chantal sei es bis zu letzt gut gegangen bis zu gestrigen Äußerungen, Konsequenzen nur dann tragen zu wollen, wenn ihm persönliche Schuld nachgewiesen werde, sind seines Amtes unwürdig. Ihm – wie auch Herrn Kahrs und der Mitte-SPD – geht es offensichtlich nur darum, Schuld und Verantwortung auf andere abzuwälzen. Dieses Verhaltensmuster kennen wir aus der Vergangenheit. Markus Schreiber scheint nicht einmal zu wissen, was seine Verantwortung als Leiter des Bezirksamts ist. Wenn ihm eine „persönlicher Schuld“ am Tode des Mädchens nachgewiesen würde, wäre er kein Fall mehr für die Politik, sondern für die Justiz. Immer wieder kommen Mädchen im Bezirk Mitte auf tragische Weise ums Leben – nicht nur bei Chantal, auch bei Lara-Mia und Morsal sah das Jugendamt Mitte keine Bedenken und schritt nicht ein. Auch die ureigenste Aufgabe eines Bezirksamtsleiters, nach den vorangegangen tragischen Fällen personelle Konsequenzen an der Spitze seines Jugendamtes zu ziehen, hat er nicht wahrgenommen. Es ist daher auch kein Zufall, dass mehrere minderjährige Kinder im Bezirk Mitte trotz ständiger Aufsicht des Jugendamtes Hamburg-Mitte ums Leben gekommen sind. Sein Rücktritt ist unvermeidlich.“

Tragen undurchsichtige Behörden-Strukturen und die Überlastung von MitarbeiterInnen eine Mitschuld am Tod des Pflegekinds Chantal? Diese Frage stellt Mehmet Yildiz, familienpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE in der Bürgerschaft.

„Dass Chantals Pflegefamilie nicht sorgfältig genug überprüft worden ist, ist nach allem, was jetzt bekannt geworden ist, offensichtlich“, sagt Yildiz. „“Aber statt nur über verschärfte Bestimmungen nachzudenken, sollten zudem die Verhältnisse in den zuständigen Ämtern und Institutionen genau analysiert werden. Denn was können neue Bestimmungen verändern, wenn die bestehenden Strukturen nicht in der Lage sind sie umzusetzen?“

Auffällig sei die Massierung von Problemfällen in Hamburg-Mitte und dann wieder die Häufung beim Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) Wilhelmsburg. „Dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hamburger ASD generell in allen Bezirken überlastet sind, ist bekannt“, stellt Yildiz fest. Sie hätten ein zu hohes Fallaufkommen. „Wenn da eine ungeeignete Pflegefamilie durch die Kontrollen ,durchrutscht‘, könnte das auch dieser Situation geschuldet sein.“ Wäre der ASD besser ausgestattet, wäre eine sorgfältigere Prüfung des Falls möglich gewesen. Es müsse Fallobergrenzen für die MitarbeiterInnen des ASD in den Bezirken geben, fordert Yildiz.

Auch müßten die Behördenstrukturen überprüft werden. Nach Meinung von Yildiz gebe es momentan bei der Vermittlung von Kindern in Pflegefamilien „viel zu viele Schnittstellen und Institutionen“: Chantals Pflegefamilie war von zwei Abteilungen des ASD, des Trägers VSE und der Amtsvormundschaft betreut worden. „Im Idealfall käme die Hilfe aus einer Hand“, sagt Yildiz.

Schreiber hatte vor dem Jugendhilfe-Ausschuss des Bezirks Mitte erklärt, er habe „keine Pattex-Mentalität“. Wenn ihn eine persönliche Schuld treffe, werde er Konsequenzen ziehen. Seine aktuelle Aufgabe sei es, die die Fehler sauber aufarbeiten. Auf der Homepage des Bezirksamtes heißt es: „Es ist, nicht zuletzt aus Sicht des Bezirksamtes, erforderlich, dass der gesamte Ablauf der Tragödie, die zum Tod von Chantal geführt haben, lückenlos aufgeklärt wird. Der Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte, Herr Markus Schreiber, hat alle mit der Thematik befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur bedingungslosen Mithilfe bei der Aufklärung des Sachverhaltes verpflichtet.“

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