Was sagt Hamburgs CDU zum „Mindestlohn light“?

Frau Merkel macht`s möglich: Die CDU diskutiert über „Mindestlohn light“. Hamburgs Arbeitnehmer wollen mehr.

Im Vorfeld ihres Bundesparteitags debattiert die CDU kontrovers über eine Lohnuntergrenze. Sie sei „in den Bereichen einzuführen, in denen ein tarif-vertraglich festgelegter Lohn nicht existiert“, heißt es in einer Beschlussempfehlung der Bundespartei. Der Mindestlohn müsse durch eine Kommission der Tarifpartner festgesetzt werden und solle sich am geltenden Tarifniveau der Zeitarbeit orientieren. Derzeit gelten hier 6,89 Euro pro Stunde im Osten und 7,79 Euro im Westen.

Am Mittwoch treffen sich der DGB Hamburg und der Landes- und Fraktionsvorstand der CDU Hamburg zu einem Gespräch. Im Mittelpunkt wird auch dort das Thema „Mindestlohn“ stehen. Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung arbeiten 22 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten in Deutschland im Niedriglohnbereich.

„Rund 80 Prozent der Bürgerinnen und Bürger befürworten die Einführung eines Mindestlohns. Dass jetzt auch die CDU eine Kehrtwende macht, begrüßen wir ausdrücklich“, so Hamburgs DGB-Vorsitzender Uwe Grund. „Die CDU Hamburg hat dabei durch ihre Entscheidung des Landesparteitages am ersten September, sich für die Einführung von Mindestlöhnen einzusetzen, wichtige Schrittmacherdienste geleistet. Jetzt kommt es darauf an, sich um die Details dieser politischen Richtungsänderung zu kümmern. Wir sagen weiterhin: Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. Jeder Versuch sich darum herum zu mogeln hat mehr einen deklamatorischen Wert und ändert an den realen Verhältnissen nur wenig. Insoweit hoffen wir, dass die CDU Hamburg nicht als dicker Hecht aus der Alster startet und mit einer schwachen Einigung als Plattfisch vom Bundesparteitag zurückkehrt.“

Uwe Grund weiter: „Vor dem Hintergrund, dass in Kürze auch über ein neues Vergabegesetz in der Bürgerschaft diskutiert wird, stehen Hamburgs Christdemokraten vor der Nagelprobe. Ein wichtiger Bestandteil dieses Reformvorhabens ist, dass bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen die Tariftreue gilt und gleichzeitig ein Mindestlohn von nicht unter 8,50 Euro gesichert wird. Hier erwarten wir uns auch die Unterstützung von der CDU Hamburg. Wir wünschen den Antragstellerinnen und Antragstellern jedenfalls viel Erfolg auf dem Bundesparteitag und ein starkes Rückrat angesichts der Widerstände aus Kreisen des CDU Wirtschaftsrates gegen jede Einführung von Lohnuntergrenzen.“

ver.di-Landeschef Wolfgang Rose kommentierte: „Die CDU bewegt sich, besser spät als nie. Mich interessiert aber nicht, ob Frau Merkel sich auf eine Große Koalition vorbereiten will. Mich interessiert, was die Arbeitnehmer/innen künftig in der Lohntüte haben. Die Zeitarbeitslöhne sind zu niedrig – als Gewerkschaften fordern wir einen Mindestlohn von 8,50 Euro, diese Höhe entspricht auch dem Niveau unserer europäischen Nachbarstaaten.“

Der Gewerkschafter gibt bei der Mindestlohnfindung dem differenzierten „britischen Modell“ den Vorzug: Dort erarbeiten Tarifpartner und Wissenschaft einen Vorschlag, der dann von der Regierung beschlossen wird. Rose: „Diese starke Rolle des Staates verhindert Erpressungsmanöver am Verhandlungstisch – denn in den Niedriglohnbereichen fehlen häufig Tarifverträge und starke Verhandlungspartner. In Großbritannien ist das Modell auch bei Arbeitgebern hoch akzeptiert. CDU und FDP haben viel zu lange gezögert. Längst geht es vielen Menschen im Niedriglohnsektor so dreckig, dass sie verschuldet und ohne Hoffnung sind. Deutschland hat sich als Dumpinglohnland positioniert und damit auch die Finanzkrise in anderen Ländern gefördert. Die Leute hier benötigen endlich deutlich mehr Arbeitseinkommen, damit die Kaufkraft entsteht, die Europa gegen die Krise braucht. Ich erwarte von der Hamburger CDU und ihrem Vorsitzenden Marcus Weinberg, dass auch sie für faire Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt sorgen – mit einem Mindestlohn in Ost und West von 8,50 Euro.“

„Ich hoffe, hier handelt es sich nicht nur um die Vorboten zur nächsten Bundestagswahl, sondern um das ernsthafte Anliegen, die Armutslöhne noch in dieser Legislaturperiode einzudämmen“, erklärte der DGB Nord Vorsitzende, Uwe Polkaehn, in Hamburg.

In den norddeutschen Bundesländern gab es in den letzten Jahren einen Abbau von Vollzeitarbeitsplätzen und eine Zunahme an Teilzeitarbeitsplätzen, insbesondere einen Anstieg der geringfügig entlohnten Beschäftigung und der Leiharbeit. In Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern ist in den letzten zehn Jahren der Anteil der Niedriglohnempfänger gestiegen. Mit 270 Millionen Euro pro Jahr werden in den drei Ländern die Armutslöhne von Vollzeitbeschäftigten mit staatlichen Geldern (Hartz IV) subventioniert.

Uwe Polkaehn: „Die jahrelange Kampagne zur Etablierung eines Niedriglohnsektors, die politische Förderung des Niedriglohns war falsch. Das dies von immer mehr Politikern auch so gesehen wird, ist begrüßenswert. Die Einführung eines allgemeinen, gesetzlichen Mindestlohns ist längst überfällig, damit Beschäftigte trotz harter Arbeit nicht mehr mit Armutslöhnen abgespeist werden“. Nach Auffassung des DGB Nord ist die Forderung nach einem Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde die unterste Grenze, um die ausufernde prekäre Beschäftigung einzudämmen. Der DGB Nord bietet den Parteien Gespräche über die Konkretisierung eines allgemeinen Mindestlohns an.

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