Wahlrecht ganz unspektakulär beschlossen

Am Ende wurde es noch einmal zäh: Nachdem sich der Verein „Mehr Demokratie“ und die Vertreter aller Bürgerschaftsfraktionen bereits auf einen Kompromiss für ein neues Wahlrecht geeinigt hatten, musste zu guter Letzt doch noch ausführlich an einigen Detailfragen gefeilt werden. Als Stolperstein erwies sich dabei vor allem die Nachrückerregelung beim so genannten „ruhenden Mandat“ — also wenn ein Bürgerschaftsmitglied in ein Senatorenamt berufen wird und womöglich irgendwann sein Abgeordnetenmandat wieder zurück haben will.

Schließlich gelang es der Verhandlungsrunde, sich auf eine befriedigende Formulierung zu einigen. „Damit ging ein jahrzehntelanger Kampf um ein demokratischeres und bürgernäheres Wahlrecht auf einmal ganz unspektakulär zu Ende“, so Manfred Brandt, einer der drei Vertrauensleute der Volksinitiative „Mehr Demokratie — Ein faires Wahlrecht für Hamburg“ kurz vor der zweiten und letzten Lesung der Verfassungsänderung am Mittwoch, 24.6..

Zur Erinnerung: Nach dem erfolgreichen Volksentscheid von 2004 war zwar eine Wahlrechtsreform in Kraft getreten, kam aber nie zur Anwendung. Die CDU mit ihrer damals absoluten Regierungsmehrheit änderte 2006 wesentliche Teile so, dass nicht mehr die Bürgerinnen und Bürger, sondern wieder hauptsächlich die Parteispitzen bestimmen konnten, wer für sie ins Parlament kam. Dagegen war eine neue Volksinitiative unter Führung von „Mehr Demokratie“ angetreten und hatte mit einem Volksbe-gehren im Februar 2009 erneut Erfolg. Um zu vermeiden, dass am Tag der Bundestagwahl ein weiterer Wahlrechts-Volksentscheid stattfindet, gingen alle Bürgerschaftsfraktionen auf die Initiative zu.

Der jetzt gefundene Kompromiss sieht unter anderem vor, dass in Zukunft keine Partei mehr im Alleingang das Wahlrecht ändern kann. In den Wahlkreisen kann mit fünf Stimmen kumuliert und panaschiert werden. Es gibt keine undurchschaubaren Berechnungen mehr — „gewählt ist, wer die meisten Stimmen hat“, so Manfred Brandt. Auch auf der Landesliste können je fünf Stimmen nach Belieben verteilt werden. Sie können hier jedoch nicht nur an die Kandidatinnen und Kandidaten der Parteien, sondern auch an die Parteien als Ganzes vergeben werden. Brandt: „Dieser Teil des Kompromisses macht das Wahlrecht kompliziert und hat zu den Schwierigkeiten bei den Regelungen für das ruhende Mandat geführt.“

Erhebliche Veränderungen wird es für die Bezirksversammlungen geben, auf die das Bürgerschaftswahlrecht eins zu eins übertragen wird. Die 5%-Hürde wird auf 3% gesenkt, außerdem werden die Bezirksversammlungen ab 2014 alle fünf Jahre am Tag der Europawahl gewählt. Manfred Brandt: „Die Trennung von der Bürgerschaftswahl macht die Bezirksversammlungen politisch wahrnehmbarer. Langfristig wird das neue Wahlrecht dazu führen, dass sie echte Kommunalparlamente mit deutlichen eigenen Kompetenzen werden.“

Vorsorglich hatte die Initiative nach dem Volksbegehren vom Februar die letzte Stufe des Verfahrens, den Volksentscheid, für den 27. September, den Tag der Bundestagswahl, angemeldet. Der Antrag wird zurückgezogen, sobald das neue Wahlgesetz und die damit verbundene Änderung der Verfassung in Kraft sind.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.