Vernachlässigung alter Menschen nimmt zu

Das Institut für Rechtsmedizin hat in einer Studie 8500 Verstorbene über 60 Jahre untersucht und vielfach Druckgeschwüre, Untergewicht und das Fehlen von Zähnen festgestellt. Jeder Achte wies ein Dekubitus (Druckgeschwür durch Wundliegen) auf. Bei jedem Fünften davon gingen die Wunden bis auf die Knochen. Im Vergleich zur letzten Studie sind die Zahlen angestiegen. Untergewicht wies jeder fünfte Untersuchte auf, unter den Heimbewohnern war es sogar jeder Dritte. Einen Grund für die mangelhafte Versorgung sehen die Forscher in der unzureichenden fachärztlichen Versorgung.

SPD-Sozialexperte Dirk Kienscherf hat bestürzt auf die Ergebnisse einer UKE-Studie über Pflegemängel in Hamburg reagiert. „Wir müssen erfahren, was die Ursachen der beschriebenen Pflegemängel sind“, sagte Kienscherf. Er forderte schnellstmöglich eine Sondersitzung des Sozialausschusses, in der die Studie des Instituts für Rechtsmedizin durch ihren Leiter Prof. Püschel vorgestellt wird. Nötig sei auch, dass die Pflegeverbände die Gelegenheit erhalten, direkt in der Sondersitzung dazu Stellung zu nehmen. Im Rahmen der Studie des UKE hatte das Institut für Rechtsmedizin 8500 Verstorbene im Alter von über 60 Jahren untersucht und eine Reihe schwerwiegender Pflegemängel festgestellt.

Kienscherf warnte in diesem Zusammenhang vor einer Vorverurteilung der Pflegebranche. „Man sollte nicht davon ausgehen, dass die Pflegemängel immer von den Einrichtungen zu verantworten sind, in denen sich die Patienten bis zu ihrem Tod aufgehalten haben“, sagte der SPD-Sozialexperte. Es müsse angesichts der Studie aber schnell und transparent aufgearbeitet werden, wo die Mängel in der Pflege liegen.

Kienscherf benannte zwei Problembereiche die seit Jahren und aus Sicht aller Experten vordringlich zu lösen sind: „Erstens können die Pflegeeinrichtungen nicht genügend ausgebildete Pflegekräfte einstellen, weil es schlicht nicht genug davon gibt. Und zweitens müssen sich die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte deutlich verbessern.“ Die Fehlentwicklungen im Pflegebereich und die sich zuspitzende Lage durch die demographische Entwicklung seien seit Jahren bekannt, bemängelte Kienscherf. Es dürfe nicht länger der Eindruck entstehen, dass Pflegemängel nicht ernst genommen und gründlich aufgearbeitet würden. „Die Pflegeeinrichtungen haben eine faire Chance verdient, die Dinge auch aus ihrer Sicht darzustellen“, betonte Kienscherf.

Der SPD-Sozialexperte hatte kürzlich bereits ein Sofortprogramm des Senats gegen den Pflegenotstand in Hamburg gefordert. Mit dem jetzt angekündigten „Bündnis für Altenpflege“ habe Sozialsenator Dietrich Wersich zwar erstmals Probleme bei der Pflege in Hamburg eingeräumt. Die angekündigten Maßnahmen könnten aber erst in frühestens drei Jahren zu einer Entspannung in der Pflege führen, sagte der SPD-Abgeordnete. „Der Senat muss dafür sorgen, dass sich kurzfristig etwas zum Besseren wendet. Ansonsten werden die Pflegebedürftigen, ihre Angehörigen und die Beschäftigten in der Pflege die Folgen von Wersichs Fehleinschätzungen noch lange zu spüren bekommen.“

„Der Anteil älterer Menschen in der Gesellschaft steigt, die Ansprüche an die Pflegequalität nehmen zu. Vor diesem Hintergrund ist es ein Skandal, dass Hamburg ist bundesweit Schlusslicht in der Ausbildung von Altenpflegefachkräften ist“, sagte Kienscherf. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hatte in Bürgerschaft und Sozialausschuss mehrfach Vorschläge gemacht, um mehr Altenpflegefachkräfte auszubilden, umzuschulen und nachzuqualifizieren (Drs. 19/1114 und 19/3089). „Wir brauchen jetzt schnell wirksame Maßnahmen. Die vage Hoffnung auf eine bessere Lage in mehreren Jahren reicht nicht“, sagte Kienscherf.

Auch Wolfgang Joithe, sozialpolitischer Sprecher der Bürgerschaftsfraktion der LINKEN, zeigt sich von den Medienberichten entsetzt und erklärt dazu: „Das sind unhaltbare Zustände. So kann man mit Menschen nicht umgehen. Besonders alarmierend ist, dass die Vernachlässigung wieder zunimmt. Der Mangel an Pflegefachkräften, die hohe Arbeitsverdichtung und chronische Überlastung sind ein wesentliche Ursache dieser skandalösen Zustände in den Heimen.“

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