Veit: „Familienpolitischer Blindflug“

In der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft über die vom Senat beabsichtigten Erhöhungen für die Kita-Betreuung hat SPD-Familienexpertin Carola Veit dem Senat eine rückständige und familienfeindliche Politik vorgeworfen. Der Sprecher der LINKE, Mehmet Yildiz, kritisierte die geplante Gebührenerhöhung als sozial unausgewogen.

Der Senat wolle von den Eltern 30 Millionen Euro kassieren, ohne dass die Qualität der Kinderbetreuung verbessert werden soll. „Die gleiche Kita kostet künftig erheblich mehr. Ihre Politik ist familienfeindlich, und die Stadt schüttelt den Kopf“, sagte Veit. Der Senat erhöhe das Essensgeld um bis zu 200 Prozent und scheue nicht einmal davor zurück, die Eltern behinderter Kinder für die Betreuung in der Kita massiv zur Kasse zu bitten.

Die Behauptung, von den Erhöhungen wären nur Besserverdienende betroffen, sei unanständig. In den Augen von CDU und GAL sei man offenbar „besserverdienend“ bereits bei einem Nettoeinkommen von 2500 Euro. „Das mag für einen Alleinstehenden eine Menge Geld sein. Für eine vierköpfige Familie, die nebenbei vom Sportverein bis zur Brille eine Menge Kosten hat, ist das nicht so viel“, sagte Veit.

Besonders kritisierte Veit das Bestreben des Senats, Eltern von behinderten Kindern, die bisher immer aus guten Gründen einen abgesenkten Beitragssatz hatten, künftig volle Beiträge zahlen zu lassen. „Bis zu 1400 Prozent Aufschlag für 1800 Familien – das gehört sich einfach nicht!“

In seiner Phase als Kapitalismus-Kritiker habe Bürgermeister von Beust gesagt: „Meine Sensibilität für Ungerechtigkeit wächst.“ – „Diese Phase haben Sie offenbar überwunden“, sagte Veit.

Stattdessen fragten sich immer mehr Menschen in Hamburg, wofür der Senat Geld hat und wofür nicht – zu einem Zeitpunkt, zu dem der Senat die nächsten 36 Millionen für die Elbphilharmonie ausgeben wolle. Den – von manchen gescholtenen – Vergleich mit der Elbphilharmonie verdanke Hamburg Sozialsenator Wersich, der gesagt hatte, für ein Jahr Kita könne er das ganze Konzerthaus bauen. „Das ist ein gleichermaßen schlichter wie entlarvender Vergleich. Denn er zeigt, wo Ihre Prioritäten liegen“, sagte Veit. „Andersherum wird ein Schuh daraus: die Zinsen, die Ihre Elbphilharmonie künftig jährlich kosten wird, das sind genau die 30 Millionen Euro, die sie jetzt bei Hamburgs Eltern abkassieren werden.“

Veit zitierte die Regierungserklärung des Ersten Bürgermeisters. Dort heißt es: „… daher haben wir zum Beispiel den Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung auf das zweite Lebensjahr herabgesetzt.“

„Traurige Tatsache ist: Der Anspruch auf einen Kita-Platz ab zwei wird nicht eingeführt, sondern hier sparen sie weitere Millionen. Sie haben diesen Anspruch auf 2013 verschoben. 2013 liegt aber gar nicht mehr in der Verantwortung dieses Senats.“

Der Senat wolle zudem den Rechtsanspruch auf Betreuung bis zum 14. Lebensjahr kürzen: künftig sollen Kinder nur noch bis 12, also bis zur 6. Klasse, in den Hort. „Ohne jede fachliche Begründung“ sei das „nicht nur ein bildungs-, sondern auch ein sozialpolitischer Blindflug“, sagte Veit.

„Die Maßnahmen sind sozial unausgewogen“, erklärte Mehmet Yildiz, Kinder- und Jugendpolitischer Sprecher der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft. Die Verschiebung des Rechtsanspruchs ab dem zweiten Lebensjahr auf das Jahr 2013 zum Beispiel setzt den Ausschluss von Eltern aus Familien fort, die dringend der frühkindlichen Bildung bedürfen. Der Senat verschweigt dabei, dass zum Beispiel Sprachförderung gar kein Kriterium für einen „dringenden sozial bedingten Bedarf“ ist. Die intensive Frühförderung, die laut diverser Studien von PISA bis IGLU gebraucht wird, um spätere soziale Ausgrenzung und Defizite für diese Familien zu vermeiden, wird wieder verschoben. „Das ist nicht nur sozial ungerecht, sondern wird in den nachgelagerten Systemen zu erhöhten Kosten führen und so nicht mal das selbstgesetzte Ziel erreichen“, erklärt Mehmet Yildiz.

„Auch die Erhöhungen der Gebühren für Kita-Eltern geht in die falsche Richtung“, erklärt Mehmet Yildiz. „Anstatt sich um die Einnahmeseite zu kümmern und mit der Einführung eine einer Vermögenssteuer diejenigen zur Kasse zu bitten, die diese Krise verursacht haben, werden Familien mit Kindern mit Kleckerbeträgen zur Kasse gebeten. Dies allerdings in einer Art und Weise, die teilweise sozial ungerecht ist.“

Dies wird besonders deutlich bei der Essenspauschale. Die Fraktion DIE LINKEN lehnt solche Pauschalen grundsätzlich ab, weil sie Ungleiches gleich behandeln. Für Familien mit geringem Einkommen stellen solche Pauschalen Belastungen dar, die den Ausschluss aus dem Fördersystem bedeuten können. Für Eltern mit hohem Einkommen eine angenehme Subventionierung. Demnächst gibt es dann Pauschalen für Ferienbetreuung oder für Betreuung in den frühen Morgenstunden, wie es bei den „Horten an Primarschulen“ angedacht ist. Da sind dann Schichtarbeiterinnen besonders benachteiligt.

Wie der Senat selber richtig bemerkt, haben die Hartz 4 Familien von der Kindergelderhöhung nichts gehabt. An dieser Stelle werden sie aber erneut zur Kasse gebeten. Sie zahlen den Mindestelternbeitrag und eine Essenspauschale von 17 €. Alles aus dem Regelsatz für ihre Kinder. Die Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft fordert aus diesen Gründen die grundsätzliche Freistellung von der Essenspauschale für Kinder aus Hartz 4-Familien.

Auch die Erhöhung der Elternbeiträge für die 1800 Familien mit behinderten Kindern stellt eine besondere Härte für diese dar. Hier kommen zum Teil Erhöhungen von mehreren hundert Euro pro Monat auf die betroffenen Familien zu. Der Effekt für den Haushalt bleibt gering und steht in keinem Verhältnis zu den möglichen sozialpolitischen Folgen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.