SPD-Offensive für Alleinerziehende

Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hat den Senat aufgefordert, die Lebenssituation Alleinerziehender in Hamburg zu verbessern und nicht länger zu ignorieren. Insbesondere bei der Frage, wie man Alleinerziehende in Arbeit bringt und wie diese Menschen Beruf und Familie miteinander vereinbaren können, gebe es erhebliche Defizite, sagte die SPD-Arbeitsmarktexpertin Elke Badde.

Sie verwies dabei auf die Antwort des Senats auf eine Große Anfrage der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Als Konsequenz aus der Senatsantwort legte die SPD-Abgeordnete einen Forderungs- und Maßnahmenkatalog vor, der helfen soll, die Lage Alleinerziehender auf dem Arbeitsmarkt und im Berufsleben zu verbessern. Auch die Unternehmen seien gefordert. Im Umgang mit Alleinerziehenden müsse es einen Mentalitätswechsel auch in den Unternehmen geben, forderte Badde.

„Die Antwort des Senats gibt Aufschluss über die Situation allein erziehender Menschen“, sagte Badde. Armut und schlechte Zukunftsperspektiven beträfen nicht nur die Alleinerziehenden selbst sondern auch ihre Kinder. Die SPD-Arbeitsmarktexpertin bezeichnete es als „zentralen Beitrag gegen Kinderarmut“, Alleinerziehenden verstärkt eine Berufstätigkeit zu ermöglichen, von der sie leben können. Insbesondere alleinerziehende Mütter und Väter müssten die Chance bekommen, Familie und Beruf miteinander verbinden zu können. Die Antwort des Senats zeige bedauerlicherweise aber auch, „dass sich der Senat nicht sonderlich für die Lage dieser Menschen interessiert“, sagte Badde.

Sie bedauerte, der Senat sei in vielen Bereichen nicht willens oder nicht in der Lage, die vorgelegten Fragen zu beantworten. So habe der Senat weit über 20 Fragen mit dem Hinweis nicht beantwortet, die entsprechenden Daten würden statistisch nicht erfasst. Andere Fragen beantwortet er nur sehr unvollständig. Beispielsweise gibt er keine Auskunft über die Zahl der Alleinerziehenden, die einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen. Er kann auch nicht sagen, wie hoch ihre Vollzeitquote ist. „Das ist erstaunlich. Denn die entsprechenden Daten liegen vor“, sagte Badde mit Hinweis auf Angaben des Statistikamts Nord vom 17. August 2010. Danach sind 56 Prozent der Alleinerziehenden in Hamburg berufstätig, 47 Prozent in Vollzeit. Diese Quote ist erheblich höher als die der bei Frauen in Paarhaushalten mit 29 Prozent.

Die Zahl der Alleinerziehenden in Hamburg ist in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gewachsen. In Hamburg betrug der Anteil der Ein-Eltern-Familien im Jahr 2008 26,5 Prozent. „Wir können mit Blick auf diese Familien längst nicht mehr von einer Randgruppe sprechen“, sagte Badde.

Beunruhigend sei, dass die Armutsgefährdungsquote von Alleinerziehenden in Hamburg erheblich über dem Bundesdurchschnitt liegt. Sie ist in Hamburg 2008 auf 32,1 Prozent gestiegen. Im Jahr 2007 lag die Quote noch bei 29,6 Prozent.

Die Hälfte der Minderjährigen, die Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) beziehen, leben in Haushalten mit Alleinerziehenden. Weit mehr als ein Viertel der Alleinerziehenden, die Leistungen nach dem SGB II beziehen, sind erwerbstätig, können aber ihren und den Lebensunterhalt ihrer Kinder nicht allein durch ihre Arbeit bestreiten (so genannte Aufstocker). Während die Zahl der bedürftigen erwerbsfähigen Alleinerziehenden seit 2007 leicht rückläufig ist und im April 2010 bei 19.025 lag, steigt die Zahl der alleinerziehenden Aufstocker kontinuierlich an: Im April 2007 betrug sie 4850, im April 2010 bereits 5619.

Aus Sicht der SPD-Arbeitsmarktexpertin Badde hat die Antwort des Senats auf die Große Anfrage eine ganze Reihe an Schwachstellen erkennbar werden lassen. So ist der Betreuungsschlüssel für Alleinerziehende bei der team.arbeit.hamburg der gleiche wie bei allen anderen Kunden. Spezielle Schulungen und auf die Bedürfnisse von Alleinerziehenden hin besonders ausgebildete Fallbetreuerinnen und -betreuer gebe es nicht. Alleinerziehende, die Kinder unter drei Jahren haben, würden ferner kaum an vorbereitenden Maßnahmen teilnehmen: „Diese Menschen werden von der team.arbeit in erster Linie in Ruhe gelassen, damit sie sich um ihre Kinder kümmern. Das ist gut gemeint, aber nicht unbedingt klug“, sagte Badde.

Insgesamt gebe es nur wenig gezielte Angebote für Alleinerziehende – in erster Linie so genannte Ein-Euro-Jobs und Angebote für gering Qualifizierte. „Die gut qualifizierten Alleinerziehenden, die bei der Jobsuche auch erhebliche Schwierigkeiten haben, haben weder Senat noch team.arbeit im Blick“, sagte Badde.

Die Ausbildung im von der Schulbehörde finanzierten Ausbildungsprogramm sei zwar auch in Teilzeit möglich. Sie erfolge aber ausschließlich in Berufen, bei denen das Gehaltsniveau später vergleichsweise gering ist. „Wenn Frauen nach Abschluss der Ausbildung nicht Vollzeit arbeiten können, ist programmiert, dass sie den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder trotz Arbeit nicht mit ihrer Berufstätigkeit sichern können.“

Projekte mit denen sich der Senat in der Vergangenheit geschmückt hat – etwa das Programm MomNet – seien gar nicht erst an den Start gegangen.

Badde legte mit Blick auf die Senatsantwort einen Forderungskatalog vor, der die Lebenssituation Alleinerziehender insbesondere mit Blick auf deren Berufstätigkeit verbessern soll. Er umfasst folgende Forderungen:

* spezialisierte Betreuung durch entsprechend geschulte Fallmanagerinnen und -manager in den Arbeitsagenturen und Argen, Angebot entsprechender Schulungen.

* Sensibilisierung und Schulung des Arbeitgeberservices der team.arbeit für die besondere zeitliche Problematik der Alleinerziehenden.

* bessere Verzahnung mit Betreuungseinrichtungen, den Trägern der Kinder- und Jugendhilfe und anderen Hilfesystemen.

* Verbesserung der Betreuungsrelation.

* Zu jedem Arbeits- und Qualifizierungsangebot gehört ein passendes, bedarfsgerechtes Angebot an Kinderbetreuung. Hier reicht es nicht aus nur einen Kita-Gutschein auszustellen. Es müssen durch die Koordination durch die geschulten Fallmanagerinnen und Fallmanager gegebenenfalls mehrere Betreuungsangebote zu einem Netz zusammengefügt werden, dass auch unregelmäßige Arbeitszeiten berücksichtigt und in Notsituationen stand hält.

* Gemeinsam mit Kammern, Verbänden, Gewerkschaften und gezielt ausgewählten Unternehmen müssen die Bemühungen verstärkt werden, Alleinerziehenden Existenz sichernde Arbeitsplätze anzubieten. Die Zielrichtung „Qualität der Arbeit, statt Präsenzpflicht im Betrieb“ muss stärker in den Blick. Andere Arbeitszeitmodelle – vor allem bei höher qualifizierten Tätigkeiten – müssen erprobt werden. Denkbar wäre als Auftakt eine entsprechende Fachkonferenz.

* Die Behörde für Wirtschaft und Arbeit soll gezielt bei kleinen und mittleren Unternehmen dafür werben, mehr Teilzeitangebote auch bei höher qualifizierten Tätigkeiten anzubieten

* Es ist zu prüfen, in wie weit Alleinerziehenden durch einen Beschäftigungszuschuss eine Existenz sichernde Beschäftigung ermöglicht werden kann (Hamburger Modell anderer Art)

* Es ist verstärkt dafür zu sorgen, dass Alleinerziehende mit Kindern unter drei Jahren frühzeitig auf den Arbeitsmarkt vorbereit sind. Dafür solle es ein regelhaftes Angebot von Schulungen, Fortbildungen und Coachings mit geringem wöchentlichem Zeitumfang geben. Auch Mütter mit Kindern unter drei Jahren sollen verstärkt Ausbildungen in Teilzeit wahrnehmen können.

* Insbesondere Alleinerziehende sollten verstärkt Ausbildungen in Teilzeit absolvieren können – insbesondere in Berufen, bei denen nach Beendigung der Ausbildung eine Existenz sichernde Berufstätigkeit möglich ist

* Der Anteil der Umschulungen, die in Teilzeit durchgeführt werden, sollte weiter gesteigert werden. Auch hier ist insbesondere bei Alleinerziehenden verstärkt darauf zu achten, in Berufe umzuschulen, die nicht im Niedriglohnsektor angesiedelt sind.

* Wer die Verfügbarkeit von Alleinerziehenden auf dem Arbeitsmarkt erhöhen will, muss an anderer Stelle zeitliche Entlastung schaffen. Dazu zählt nicht nur Kinderbetreuung, sondern auch Unterstützung im Haushalt, Öffnungs- und Beratungs- und Gesprächszeiten bei Behörden und Beratungsstellen und anderen Institutionen, z. B. Schulen, die auch vollzeitbeschäftigten Alleinerziehenden, die nichts davon an einen Partner delegieren können, den Zugang ermöglichen.

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