Sanierung ist ohne Sozial-Kahlschlag möglich

Die Sanierung des Haushalts ist auch ohne Sozial-Kahlschlag möglich, meint die SPD und fordert weitere Streichung von Luxusinvestitionen und strenge Ausgabendisziplin in den Senatsbehörden. Die LINKE sieht Schwarzgrün auf „Katastrophenkurs“.

Wie die Bundesregierung will auch die Hamburger CDU offensichtlich ihre seit Längerem geplanten Kürzungen im Sozialbereich jetzt unter dem Vorwand der Haushaltskonsolidierung durchzusetzen. Das befürchtet der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Peter Tschentscher. „Schon bevor der Senat zu seiner Haushaltsklausur zusammengetreten ist, scheint bei CDU und GAL festzustehen, wohin die Reise gehen soll“, sagte Tschentscher. Die Erhöhungen der KITA-Gebühren seien vermutlich erst der Anfang einer Reihe von finanziellen Einschnitten bei Familien und Menschen mit geringen Einkommen.

Die finanzpolitisch erforderliche Begrenzung der Betriebsausgaben sei ohne einen Kahlschlag im Sozialbereich möglich, betonte Tschentscher. Das hätten die rot-grünen Regierungsjahre von 1997 bis 2001 bewiesen, als der Anstieg der laufenden Ausgaben im Durchschnitt auf unter ein Prozent gehalten wurde, ohne dass es Gebührenerhöhungen oder Einschnitte im Sozialbereich gegeben habe. „Diese Konsolidierung erfordert jedoch ein effizientes Kostencontrolling in den Behörden, das Schwarz-Grün bisher vermissen lässt“, sagte Tschentscher.

Das strukturelle Defizit in der schwarz-grünen Finanzplanung sei in großen Teilen auf eine unsolide Finanzpolitik seit 2001 und eine mangelnde Ausgabendisziplin in den Senatsbehörden zurückzuführen. CDU und GAL hätten noch im November 2009 beschlossen, die laufenden Ausgaben im Haushaltsjahr 2010 um weitere 530 Millionen Euro zu erhöhen. Schon die bisherigen Ausgabensteigerungen im Betriebshaushalt seien aber keineswegs den sozialen Brennpunkten der Stadt zu Gute gekommen. Das Geld sei vielmehr für zahlreiche Projekte ausgegeben worden, die mit eine sozialen Stadtentwicklung und dringenden Zukunftsinvestitionen nichts zu tun hätten. Als Beispiel nannte Tschentscher

* eine Ausweitung der Büroflächenanmietungen der Stadt von über 100.000 qm in vier Jahren

* zahllose Studien, Gutachten und Beraterverträge der Fachbehörden

* die Ausweitung der Personalkosten in den Senatorenetagen für zusätzliche Pressesprecher und persönliche Referenten

* Doppelstrukturen in den Behörden wie „Spiegelreferate“ zwischen Fachbehörden und der Senatskanzlei oder Dienststellen zur Überwachung, Genehmigung und Steuerung der selbstständigen Aufgabenwahrnehmung durch die Bezirke

* Stellenausweitungen bei Um- und Neuorganisationen der Behörden wie bei der Umorganisation der Kulturbehörde oder einer neuen Behörde für den Schulbau

* eine massive Subventionierung von Büroflächenleerstand in der HafenCity, um das wirtschaftliche Scheitern des Senatskonzeptes zur Entwicklung des Überseequartiers zu verdecken

* dauerhafte Zusatzbelastungen durch Projekte wie eine Reiterstaffel der Polizei oder die Arbeitsstelle Vielfalt in der Justizbehörde

* Erhaltungsaufwendungen, Betriebskosten und Zinsbelastungen für unwirtschaftliche Investitionen wie unterirdische Schießstände der Polizei für 30 Millionen Euro oder der Neubau der BSU in Wilhelmsburg für über 200 Millionen Euro

Die LINKE stellt angesichts der Sparklausur fest: Schwarz-Grün ist auf Katastrophenkurs!

Seit heute berät der schwarz-grüne Senat über die größte Haushaltskürzung in der Hamburger Geschichte. Um 556 Mio. Euro pro Jahr sollen die Ausgaben reduziert werden. Weder bei Finanzsenator Frigge noch bei den anderen schwarz-grünen Regierungspolitikern ist ein Ziel bei der Rotstiftpolitik erkennbar.

Senator Frigge wörtlich: „Was wir dringend brauchen, ist eine ernsthafte Aufgabenkritik. Die Verwaltung muss sich hinterfragen. Leisten wir uns den Luxus, viele Dinge auf eine Art zu tun, wie es schon immer getan wurde? Geht es nicht effizienter? Wir dürfen der Verwaltung nicht immer mehr Aufgaben auferlegen, sondern müssen den gegenteiligen Weg gehen und uns fragen: Welche Aufgaben kann der Staat noch wahrnehmen? Welche muss er nicht unbedingt wahrnehmen?“

Dr. Joachim Bischoff, finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion, kritisiert diese Kürzungslogik scharf: „Immer wieder wird die Vorstellung strapaziert, wir lebten über unsere Verhältnisse – im Luxus. Dabei ist in den letzten Jahren viel zu wenig in Schulen, Universitäten, Sportplätze, aber auch die sonstigen Bereiche der sozialen und kulturellen Infrastruktur investiert wurde. Die großen Schattenhaushalte sollen gerade den langjährigen Investitionsrückstau beseitigen. Eine Diskussion, welche Aufgaben ein Gemeinwesen bewältigen soll und wie die dafür notwendigen Finanzen sozial gerecht beschafft werden können, findet nicht mehr statt.“

Dabei muss Finanzsenator Frigge einräumen: Die enormen Steuerausfälle haben System. Die Summen der nächsten Jahre sind nur zum Teil konjunkturbedingt. Rund 600 Mio. Euro pro Jahr sind auf eine veränderte Gesetzgebung des Bundes zurückzuführen, die fehlen Hamburg strukturell. Der Steuersenkungswettlauf der letzten Jahre ist für die Fehlentwicklung ebenso verantwortlich wie die schwere Wirtschafts- und Finanzkrise. In den letzten Jahren wurden gerade in Deutschland die finanziellen Ressourcen des Staates massiv reduziert und damit auch seine Gestaltungsmöglichkeiten. Von 1999 bis 2011 beträgt der Ressourcenentzug 6,5 Prozentpunkte des Bruttoinlandsprodukts, das entspricht 170 Mrd. Euro (auf Basis des Bruttoinlandsprodukts von 2008). Schon jetzt ist zu erkennen, dass sich die Entstaatlichung zulasten der Zukunftsinvestitionen in den Bereichen Bildung und Infrastruktur auswirkt. Sie führt zudem zu einer wachsenden sozialen Ungleichheit und einer Erosion des Wohlfahrtsstaates.

Die Alternative ist eine sozial gerechte Steuer- und Einnahmepolitik um unverzichtbare öffentliche Aufgaben ohne beständige Schuldenaufnahme zu finanzieren. Die wichtigsten Punkte: effektiverer Steuervollzug, verfassungskonforme Wiedererhebung der Vermögenssteuer, Einführung einer Finanztransaktionsteuer, Ausbau der kommunalen Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftssteuer, gerechtere Erbschaftssteuern und eine progressive Besteuerung von Kapitalerträgen und höheren Einkommen.

„Niemand wird sich gegen eine genaue Prüfung und Umschichtung in den laufenden Ausgaben sperren. Aber in den nächsten Jahren Beträge von 500 Mio. bis 1 Mrd. Euro kürzen zu wollen, ist sozial- und wirtschaftspolitisch ein Katastrophenkurs“, schließt Bischoff.

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