Rindermarkthalle: Bürgerbeteiligung „light“?

Die erste öffentliche Diskussion um die Zukunft des Geländes der Alten Rindermarkthalle am Neuen Kamp geriet zum Getümmel und musste abgebrochen werden. Die Tagespresse sieht „Chaoten“ als Urheber. Die LINKE hingegen meint: Wenn man eine Pseudo-Beteiligung veranstaltet, muss man sich nicht wundern, wenn die Besucher sauer sind. Von den veranstaltenden Bezirksparlamentariern gibt es keine offizielle Einschätzung.

So sieht’s die LINKE:

In der heutigen Tagespresse wird umfangreich über eine Veranstaltung vom vergangenen Dienstag berichtet, auf der es um die Zukunft des Geländes der Alten Rindermarkthalle am Neuen Kamp/Budapester Straße gehen sollte. Diese so genannte „öffentliche Auftaktveranstaltung“ war vom Bezirk Hamburg-Mitte anberaumt worden, um angeblich ein „offenes“ Bürgerbeteiligungsverfahren in Gang zu setzen.

Rund 200 bis 250 St. PaulianerInnen störten den Regieplan der Versammlung, führten zwei eindeutig zu ihren Gunsten ausgefallene Abstimmungen durch und konzentrierten sich dann auf eine „spontane Ideen- und Planungswerkstatt“. Bezirksamtsleiter Markus Schreiber brach die Auftaktveranstaltung daher nach einer guten Viertelstunde ab und verließ empört, zusammen mit den geladenen Gästen und etwa 50 bis 80 TeilnehmerInnen die Aula des Wirtschaftsgymnasiums an der Budapester Straße.

Um was es überhaupt geht, konnten die St. PaulianerInnen erstmals am 7./8.3.2010 der Zeitung entnehmen: die Schaffung einer „St. Pauli Music Hall“ für 4.000 BesucherInnen, 10.000 bis 16.000 qm „Büroflächen für die Musik- und Kreativwirtschaft“, 3.000 qm für Gastronomie, ca. 6.500 qm Verkaufsflächen sowie ein Viertel bis ein Fünftel der gesamten Bruttogeschossfläche für gemeinnützige und kulturelle, Sport- und Freizeitnutzungen und ein kleiner Teil für „spezielle Wohnformen“, „Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe“.

Wie „offen“ das Bürgerbeteiligungsverfahren aussehen sollte, zeigt sich u.a. daran, dass auf der Auftaktveranstaltung am 13.4. eine 32seitige Vierfarbbroschüre mit den o.a. Rahmendaten verteilt wurde. Gerade einmal elf Wochen waren vorgesehen, bis ein Preisgericht endgültig am 5. Juli über die konkreten, bei sechs Architektenbüros in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudien entscheiden sollte.

Eine Jury, in der sich unter 35 stimmberechtigten und stellvertretenden PreisrichterInnen bzw. Sachverständigen gerade einmal zwei stimmberechtigte und ein stellvertretendes Mitglied aus den Sanierungsbeiräten Karoviertel und Wohlwillstraße befinden sollten. Eine Jury, aus dem DIE LINKE – im Gegensatz zu den anderen Bezirksparteien – ausgeschlossen sein sollte.

Insbesondere die von der SPD seit vielen Jahren verfolgte Idee einer Musikhalle war keineswegs „offen“. Ganz im Gegenteil: Bereits am 30.10.2009 hatte das Amtsgericht Hamburg die Eintragung einer „Sankt Pauli Music Hall GmbH“ bekannt gegeben, die wie zufällig die „Projektentwicklung und den Betrieb eines Musik Clubs mit einem Hauptsaal für bis ca. 4000 Besucher in Hamburg-St. Pauli“ als Gesellschaftszweck angibt. Bezirksamtsleiter Schreiber hatte im Getümmel der Veranstaltung wiederholt behauptet, dass es keinerlei Vorplanungen in dieser Angelegenheit gäbe.

Der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Bürgerschaftsfraktion DIE LINKE, Dr. Joachim Bischoff, erklärt zu den Vorgängen: „Man mag zur Übernahme einer Veranstaltung kritisch stehen, klar ist für mich jedenfalls, dass der Bezirk Hamburg-Mitte in den vergangenen Wochen nicht mit offenen Karten gespielt hat. Vielmehr hat er ein vermeintlich offenes Beteiligungsverfahren vorgegaukelt, obwohl die Eckpfeiler für das Großprojekt längst eingerammt sind. Insofern kann ich den Protest durchaus verstehen, mit ‚Krawalltouristen‘ hat das nichts zu tun.“

Im Kern geht es bei der Auseinandersetzung um die Zukunft St. Paulis, um nichts weniger als „das letzte wirkliche Sahnegrundstück der City“, wie in einer Tageszeitung am 7. März zu lesen war. Insbesondere eine neue Musikhalle, die allabendlich von Tausenden BesucherInnen frequentiert wird, treibt die Belastung für die Menschen in den benachbarten Quartieren nochmals weiter nach oben. St. Pauli, das Karo- und das Schanzenviertel sind durch ein überbordendes Party- und Touripublikum bereits massiv unter Druck geraten. Die BewohnerInnen und Kleingewerbetreibenden ächzen unter den explodierenden Mieten, die bei Neuvermietungen in St. Pauli in den vergangenen fünf Jahren um 5 bis 6 % jährlich angewachsen sind. Die geplante Music Hall sowie der riesige Büro- und Gastronomiekomplex würden die Aufwertung beträchtlich vorantreiben.

„Es gilt jetzt ein neues, wirklich authentisches Beteiligungsverfahren in Gang zu setzen. Es kann nicht sein, dass ein so gravierender Eingriff innerhalb eines Vierteljahres durchgepeitscht wird. Das lässt keinerlei Spielraum für Ideen und durchdachte Alternativen. Vor diesem Hintergrund kritisiere ich scharf die Ankündigung des Bezirks Mitte, jetzt ‚die Regeln für die Bürgerbeteiligung zu verschärfen‘ und nur noch handverlesenes Publikum mit Namen und Adressen zulassen zu wollen. Das hat mit bevölkerungs- oder stadtteilnaher Planung nichts mehr zu tun“, so Bischoff weiter.

Im Übrigen konterkariert der Bezirk damit das seit einem halben Jahr großmundig verkündete Ziel, endlich etwas gegen Gentrifizierung und Verdrängung in St. Pauli tun zu wollen. St. Pauli braucht nicht noch mehr Eventhallen und Leuchttürme, TouristInnen und Flanierpublikum. St. Pauli ist zuvorderst ein Wohn- und Lebensort für Zehntausende Menschen. Und deren Interessen gilt es Ernst zu nehmen und nicht mit immer mehr und noch unsäglicheren Belastungen zu konfrontieren.

3 Gedanken zu „Rindermarkthalle: Bürgerbeteiligung „light“?“

  1. das über die köpfe der hamburger bürger vollkommen willkürlich entschieden wird, hatten wir schon x-mal….diese regierung liefert eine bankrotterklärung nach der anderen – sie will es nicht lernen

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