Primarschule ist in Hamburg ein „alter Hut“

Alle Welt denkt, die Primarschule wäre – mindestens für Hamburg – neu. Weit gefehlt: Bereits seit 2000 lief an Hamburger Schulen ein Schulversuch „6-jährige Grundschule“, der damals noch von Rot-grün eingeführt wurde. Im Plenum der Elternkammer haben die beiden Schulleiterinnen darüber berichtet.

Hier der Bericht aus dem Informationsblatt der Elternkammer Hamburg:

Aus aktuellem Anlaß berichteten die beiden ehemaligen Schulleiterinnen der Schule Beim Pachthof, Heilke von der Ahe, und Schule Bei der Katharinenkirche, Inge Hack-Mertins, von ihren Erfahrun-gen mit dem Schulversuch „6-jährige Grundschule“ an beiden Standorten.

Entscheidend für das Gelingen dieses seit 2000 laufenden Schulversuches im Sinne eines längeren gemeinsamen Lernens war, dass ein Einstieg nur in Klasse 1 möglich sein sollte und es somit auch keine Seiteneinsteiger geben konnte, die nicht die gemeinsam erarbeiteten Lernformen trainiert hatten. Die Eltern haben sich vertraglich dazu verpflichtet ihr Kind nicht vor Ende der 6. Klasse von der Schule zu nehmen.

Die Ziele des Schulversuchs waren:

• Einführen individueller Lernformen

• Entwicklung individueller Bewertungsformen

• Fächerübergreifendes Arbeiten

• Jahrgangsübergreifendes Lernen

• Vermeidung des Lernzeitverlustes beim Übergang in Klasse 5

• Wegfall von Versagensängsten bis Klasse 6

• Kooperation von Lehrkräften unterschiedlicher Schulformen

Die Lehrkräfte sollten einen anderen, erweiterten Rahmen im Lernen mit den Kindern zur Verfügung haben, neue Lehrpläne, Differenzierungs- und Beurteilungsformen erarbeiten. Dieses war mit erheblichem Mehraufwand verbunden und nur leistbar, weil die Lehrkräfte die Entwicklung und Umsetzung des Schulversuches aktiv unterstützt haben.

Beide Schulen haben von Anfang an die Kooperation mit weiterführenden Schulen und insbesondere auch Gymnasien gesucht. Diese ist aus Sicht der beiden ehem. Schulleitungen für beide Seiten und zum Nutzen der Schülerinnen und Schüler fruchtbar gewesen.

Die 2. Fremdsprache wurde in Klasse 6 eingeführt, um die Anschlußfähigkeit an die weiterführenden Schulen in Klasse 7 sicherzustellen. Den Schüler/-innen der 6-jährigen Grundschule ist der Anschluß auch in Gymnasien i.d.R. gut gelungen, z.B. im bilingualen Zweig des Gymnasiums Eppendorf.

Kooperation mit Weiterführenden Schulen

Der naturwissenschaftliche Unterricht in Klasse 5 und 6 wurde von Gymnasiallehrern erteilt. Die Zusammenarbeit von Grundschul- und Lehrern der Sekundarstufe hat sich als entscheidendes Element für den Erfolg herausgestellt, da zuvor die in der Grundschule erlernten Techniken und Methoden des Lernens auch in Klasse 5 und 6 angewandt wurden. Außerdem wollten die Gymnasiallehrkräfte einen Transfer in ihr Stammkollegium leisten.

Mindestens bis Klasse 3 erfolgte der Unterricht binnendifferenziert, danach hat die Katharinen-schule zwei Anforderungsniveaus eingeführt. Es sei deutlich, dass leistungsstarke Schüler/-innen keineswegs unterfordert gewesen wären, sondern dass alle Leistungsgruppen voneinander profitiert hätten. Vielmehr wäre die Heterogenität der Lerngruppen ein Vorteil gewesen. Auch Kinder, die sonst in Klasse 5 auf eine Haupt- und Realschule verwiesen worden wären, hätten durch die verlängerte Grundschulzeit eine neue Chance zur Entwicklung bekommen.

Die elterliche Akzeptanz des Schulversuches sei aufgrund der konzeptionellen Anlage und des Lernvertrages zunächst sehr hoch gewesen. Eine Verunsicherung trat erst ein als der Schulversuch durch den politischen Wechsel im Senat nicht mehr erwünscht und die Verkürzung des Abiturs (G8) eingeführt wurde. Die dadurch bedingte Entscheidung für die Teilnahme am Unterricht in einer 2. Fremdsprache in Klasse 6 habe praktisch die Empfehlung für den Besuch eines grundständigen Gymnasiums an das Ende von Klasse 5 vorverlegt.

Eine „offizielle“ Evaluation des Schulversuchs liegt noch nicht vor.

2 Gedanken zu „Primarschule ist in Hamburg ein „alter Hut““

  1. … wenn hier der Versuch im Jahre 2000 schon mit „alter Hut“ bezeichnet wird …
    Ich selbst habe eigentlich einige erfolgreiche „Schulversuche“ dieser Art hinter mir. Nicht nur, dass ich damals – noch im März – 1958 in die „Volksschule“ Mendelssohnstraße eingeschult, als erster Jahrgang (wenn ich mich recht erinnere) die 5-Tage-Woche genießen durfte, sondern ich hatte auch die Wahl (von Eltern und Schule)wahrgenommen, erst nach der 6. Klasse mit „fortgeschrittener Reife“ auf eines der wenigen eigens dafür eingerichteten Gymnasien (Albrecht-Thaer, Vor dem Holstentor) zu wechseln. Die 2. Fremdsprache gabs damit am Kl. 7, sogar für das kleine Latinum war noch Platz. Dem Durchmarsch zum Abitur stand letztlich letztlich nicht einmal das Kurzschuljahr 1970 (Einschulungs-Verlegung auf Herbst) im Wege.
    Ich fühle mich heute deswegen nicht minder „schlau“ – warum sollte dann eine „Primar“-Schule keine prima Schule sein? Aber die Gesellschaft sträubt sich heute bekanntlich gegen alles Neue, insbesondere wenn es sich auf reine Ideologie und Besserwisserei stützt – nicht immer ganz zu Unrecht – siehe Rechtschreibreform!

  2. Wozu braucht Hamburg eine Reform der Schulstrukturen? Viel Wirbel, viel Energie geht verloren, um die Strukturen flächendeckend umzusetzen. Vielfalt wäre konstruktiver. Dann können Schulen voneinander lernen – sich austauschen. Es gibt schließlich schon hervorragende Schulen in der Stadt. Das A und O sind schließlich die Klassenstärken. Hieran sollten wir arbeiten und diese sukzessive halbiert werden. Kraft und Geld sollte besser in differenzierte Lernformen investiert werden und nicht in Veränderung von Schulformen. Hamburg braucht keine Primarschulen. Machen wir lieber mehr aus dem, was wir haben. Lehrer und Eltern sollten mehrheitlich dahinter stehen und das ist sicher nicht der Fall.

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