Kinderschutzbund: Konzept gegen Armut fehlt

Bereits seit Jahren weist der Deutsche Kinderschutzbund auf die Situation der armen Kinder in Deutschland hin. Heinz Hilgers, Präsident des DKSB, stellt fest: “Trotz einiger Schritte in die richtige Richtung fehlt es nach wie vor an einem schlüssigen, vollständigen und umfassenden Konzept zur Bekämpfung der Kinderarmut.“ 61.000 Kinder seien allein in Hamburg davon betroffen.

Kürzlich bestätigten der 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung und ein Bericht des BMFSFJ zu den “Armutsrisiken von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ die hohe Anzahl armer Kinder. Nach SGB II-Statistik leben etwa 1,8 Millionen Kinder bis 15 Jahre auf Sozialhilfeniveau. Be-trachtet man zusätzlich die Jahrgänge der 15 bis 18Jährigen und den hohen zu erwartenden Anteil derjenigen Familien mit Kindern, die ihren Anspruch auf Sozialleistungen aus Scham oder Unkenntnis nicht geltend machen, so ist zu erwarten, dass heute circa 2,5 Millionen Kinder auf Sozialhilfeniveau leben.

Mit einer Aktion des Hamburger Kinderschutzbundes stellen heute die Schülerinnen und Schüler der Sophie-Barat-Schule auf der Kleinen Moorweide die dramatische Anzahl der Armut betroffenen Ham-burger Kinder dar.

Über 61.000 Kinder in Hamburg leben in Armut

Prof. Dr. Wulf Rauer, Vorsitzender des Hamburger Kinderschutzbundes: „In Hamburg leben gut 61.000 Kinder und Jugendliche in Armut, das entspricht einem Anteil von 22,5 % aller Hamburger Kinder und Jugendlichen. Fast jedes vierte Kind ist damit in einer der reichsten Metropolregionen
Europas von den Folgen der Armut betroffen. Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs hat sich dieser Anteil gegenüber dem Vorjahr nur um vier Prozent verringert.“

“Die negativen Folgen eines Aufwachsens in Armut sind seit langem bekannt. Arme Kinder haben geringere Chancen auf einen guten Bildungsabschluss und oftmals einen schlechteren Gesundheits-zustand als ihre Altersgenossen aus wohlhabenden Verhältnissen. Finanziell benachteiligten Kindern droht der Ausschluss aus weiten Teilen des kulturellen und sozialen Lebens“ so Heinz Hilgers. Die Lebenssituation armer Kinder ist hierbei auch deshalb sehr belastend, da sie ständig von “Wohlstand“ umgeben sind, was den eigenen Mangel allgegenwärtig macht.

Prof. Dr. Wulf Rauer: „Besonders krass zeigen sich die Benachteiligungen armer Kinder auch im Hamburger Bildungsbereich: Kinder von Eltern mit einem Haushaltseinkommen von über 60.000 Euro im Jahr haben eine zwölffach höhere Chance in Hamburg ein Gymnasium zu besuchen als Kinder aus Haushalten mit weniger als 20.000 Euro. Arme Kinder haben nach den neuesten KESS 7 Daten ein wesentlich höheres Risiko, das Gymnasium schon nach Klasse 6 wieder verlassen zu müssen.

Es gibt zudem den auch für Hamburg nachgewiesenen Effekt der doppelten Benachteiligung sozioöko-nomisch benachteiligter Kinder: Diese Kinder befinden sich regelhaft vermehrt mit anderen benachteiligten Kindern in einer Schule, deren soziale Zusammensetzung dann zu Lern- und Entwicklungsniveaus führt, die die gesamte Schülerschaft zusätzlich benachteiligen. Arme Kinder stellen den größ-ten Anteil der über 10 % Kinder, die jedes Jahr in Hamburg die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen.“ Vor diesem Hintergrund ist bisher eindeutig zu wenig geschehen.

Erhöhung der Hartz IV – Regelsätze für Kinder

Heinz Hilgers fordert: “Die dem tatsächlichen Bedarf nicht gerecht werdenden Hartz IV-Regelsätze
für Kinder müssen erhöht werden. So sind z.B. die hohen Kosten für Bildung in keiner Weise ausreichend durch die Hartz IV-Sätze abgedeckt, beachtet man die Ausgaben für Schulhefte und
-materialien, das Mittagessen sowie die Betreuung in Ganztagsschulen oder die Fahrtkosten zur Schule“.

Diskutiert wird derzeit auch eine gestaffelte Kindergelderhöhung. Dies käme vor allem kinderreichen Familien zugute, die tendenziell ein hohes Armutsrisiko haben. Die meisten Familien in Deutschland, hierunter auch die häufig von Armut betroffenen Alleinerziehendenhaushalte, haben aber nur ein bis zwei Kinder. Für sie würde eine Kindergelderhöhung um 10 € pro Kind bei weitem nicht ausreichen.

Deshalb fordert der Kinderschutzbund:

• endlich einen eigenen, bedarfsgerechten Hartz IV-Regelsatz für Kinder

• einen bedarfsgerechten Kinderzuschlag für einkommensschwache Familien

• mittelfristig die Einführung einer Kindergrundsicherung

• Gesundheit, Schutz, Förderung, Bildung und Beteiligung sind nach der UN-Konvention Grundrechte aller Kinder. Ein Aufwachsen von Kindern in Armut verletzt diese Rechte. Deshalb gehören die Kinderrechte ins Grundgesetz.

• Diese auf Bundesebene durchzusetzenden Forderungen müssen vom Hamburger Senat im Bundesrat offensiv vertreten werden.

• In Hamburg selbst ist das gebührenfreie gemeinsame Lernen aller Kinder zu verwirklichen. Der Hamburger Kinderschutzbund unterstützt ausdrücklich das Volksbegehren „eine Schule für alle“.

Wir bleiben am Ball!

Ein Gedanke zu „Kinderschutzbund: Konzept gegen Armut fehlt“

  1. Aus meiner Erfahrung an einer Schule heraus ist festzustellen, dass es viele Eltern gibt, welchen ein sorgfältiger Umgang mit Geld fehlt. Zusätzliches Geld bzw. eine Erhöhung stellt nicht sicher, dass das Kind mit Lernmaterialien bzw. einem ausgewogenen Frühstück zur Schule kommt.
    Wenn man sich als Lehrer darum kümmert, dass das Kind während des Schulbesuches Material zu Verfügung gestellt bekommt, zahlt die Schule bzw. ist man damit beschäftigt, dem Kind Brote zu schmieren, damit es überhaupt ein Frühstück hat. Man nimmt den Eltern dadurch die Verantwortung und bringt es aber trotzdem nicht über`s Herz, es hungrig zusehen zu lassen, wie die anderen Kinder frühstücken. Viele Eltern ruhen sich darauf aus, dass sich in der Schule schon um das Kind gekümmert wird.
    Allein eine Erhöhung der finanziellen Mittel ist meiner Meinung nach nicht die einzige Lösung. Ich möchte auch nicht über alle Hartz IV- Empfänger urteilen. Mir ist bewusst, dass der Satz zu niedrig ist. Meiner Erfahrung nach wird das Geld jedoch häufig für Genussmittel ausgegeben. Oft sind die Eltern gar nicht fähig, den Ansprüchen einer Schule zu genügen. Häufig werden Sonderangebote gekauft. Ein Kind kam mit 5oo Bleistiften. Die gab es preiswert und die Mutter war sehr stolz, etwas für ihr Kind gekauft zu haben.
    Mich interessiert sehr, welche Lösungen angedacht werden könnten, um sicher zu stellen, dass das Kind auch von einer Erhöhung profitiert.
    Viele Grüße, Bianca Zwick

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