Hortreform: Wersich in Panik

Wenn man vor lauter Panik nicht mehr richtig lesen kann, lässt das tief blicken: Senator Wersich erfindet inzwischen Äußerungen der SPD, um anschließend dagegen aufzutreten. So behauptet er in einer Presseerklärung, die SPD wolle die ganztägige Betreuung an Grundschulen „über das Jahr 2013 hinaus“ verschieben. Wahr ist: SPD-Familienexpertin Carola Veit hatte angesichts der einhelligen Kritik sämtlicher Träger der Jugendhilfe, des Landeselternausschusses und der Elternkammer angekündigt, die Reform nicht übers Knie zu brechen und zunächst einmal Erfahrungen mit der neuen Betreuungsform zu sammeln, bevor sie womöglich flächendeckend eingeführt würde.

Veit hatte mit einer Kleinen Anfrage ermittelt, dass sich bisher hamburgweit ganze fünf Schulen für das GABI genannte neue Modell beworben haben. Auf Seiten der Behörde war bisher stets von „etwa 80“ Schulen gesprochen worden – offensichtlich eine bewusste Fehlinformation. Warum sich bisher nicht mehr Schulen meldeten, liegt auf der Hand: Die vorgesehenen Betreuungsstandards sind schlechter als in den bisherigen Horten, die Anschlusszeiten vor und nach der Kernzeit sind teuer, der Raumbedarf ist ungeklärt, es gibt keine tragfähige Vereinbarung zwischen den Hortträgern und der Behörde. Wer sich heute bewirbt, kauft die Katze im Sack.

Genau darauf hatte Veit hingewiesen – erst müssen alle Bedingungen geklärt und das neue Modell erprobt sein, dann kann an eine flächendeckende Ausweitung gedacht werden. Ob dies bis 2013 geschieht oder etwas länger braucht, ob das jetzt vorgelegte Modell sich als tragfähig erweist oder verändert werden muss – das alles weiß man nach der Evaluierung.

Hier – wegen des Unterhaltungswerts – die Pressemitteilung der Wersich-Behörde:

SPD-Pläne zur Hortreform: schlecht für Eltern und Kitas

Auf scharfe Kritik stößt bei Sozial- und Bildungssenator Dietrich Wersich die Ankündigung der SPD, die Reform der ganztägigen Betreuung an den Grundschulen zusammen mit den Horten über das Jahr 2013 hinaus zu schieben. Bemerkenswert sei, dass sich die SPD damit sowohl gegen die Planungen der CDU als auch der GAL sowie vieler Schulen, Kita-Träger und Eltern wendet.

„Die SPD lässt mit der angekündigten Verschiebung gerade die Eltern hängen, die in dem bisherigen Hortsystem keinen Anspruch auf einen Betreuungsgutschein haben und die mit der Reform erstmals die Möglichkeit bekommen, dass ihre Kinder von 8 bis 16 Uhr an den Schulen beitragsfrei betreut werden“, so Senator Dietrich Wersich. „Dabei ist sich die ganze Republik einig, dass die ganztägige Betreuung und Förderung an Schulen zügig ausgebaut werden muss, um insbesondere sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler besser zu unterstützen. Aber auch die berufstätigen Eltern, die durch das neue System von Elternbeiträgen entlastet würden, müssen nach Vorstellung der SPD nun länger warten.“

Gefährlich sind die SPD-Pläne allerdings insbesondere für die Kita-Träger: Da mit Einführung des allgemeinen Betreuungsanspruchs ab dem 1. Lebensjahr zum 1. Januar 2013 der Krippenausbau im Jahr 2013 im wesentlichen abgeschlossen sein wird, bedeutet die spätere Umsetzung der Reform eine massive wirtschaftliche Existenzbedrohung. Da eigenständige Horte zugunsten der Betreuung an Schulen aufgeben werden und diese dann mangels Nachfrage nicht mehr in Krippen umgewandelt werden können, stehen die Träger mit unwirtschaftlichen Überkapazitäten allein da.

„Möglicherweise nimmt die SPD dies sogar bewusst in Kauf und verfolgt ganz andere Pläne: nämlich den billigeren flächendeckenden Ausbau der herkömmlichen gebundenen Ganztagsgrundschulen oder des noch günstigeren pädagogischen Mittagstischs. Dann sind die Kita-Horte ganz außen vor“, so Wersich. „Mit uns ist das nicht zu machen: Wir wollen die Erfahrungen und Kompetenzen der Kita-Träger unbedingt in die ganztägige Betreuung an Schulen einbringen. Wir wollen aber auch den Eltern die Wahlmöglichkeiten lassen, ihre Kinder nicht verpflichtend in die Ganztagsschule zu schicken, oder das Betreuungsangebot nur an bestimmten Tagen zu nutzen. Das alles ist nur in der neuen Betreuungsform möglich.“

Im Übrigen laufen die Verhandlungen der Behörden mit den Kita-Trägerverbänden zum Abschluss eines Rahmenvertrags auf Hochtouren. „Die Kita-Verbände haben mir gegenüber in einem Gespräch noch vor den Weihnachtsfeiertagen ihre Unterstützung der Idee der ganztägigen Betreuung an Schulen (GBS) in Zusammenarbeit Schule/Hort bekundet“, bekräftigt Senator Wersich. „Wir streben gemeinsam an, diese Gespräche noch in den nächsten Wochen abzuschließen, sodass rechtzeitig vor Beginn des neuen Schuljahres die Rahmenbedingungen für die neuen Standorte klar sind.“

Senator Wersich abschließend: „Alle Schulen und Hortträger, die bereits im August 2011 mit diesem innovativen Angebot für ihre Schülerinnen und Schüler anfangen wollen, können ihr Interesse gerne noch bis zum 15. Januar bei der Bildungsbehörde anmelden.“

Ein Gedanke zu „Hortreform: Wersich in Panik“

  1. So, der Senator „strebt also an“ das die Bedingungen geklärt sind bevor sie im Schuljahr 2011 beginnen. Na. Das ist ja wirklich ambitioniert…

    Leider wird sich an der mangelnden Ausstattung dieser Grundschulen mit aufgepropftem Billig-Hort nichts ändern. „Kostenneutral“ 60% mehr Kinder zu betreuen ist ein Skandal auf dem Rücken der Kinder, egal wie die Vertreter von CDU und GAL das im Wahlkampf schönlügen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.