Guten Appetit! Antibiotika in vielen Masthähnchen

Nach dem Dioxin-Skandal im Tierfutter enthüllt der NDR jetzt neue Gefahren – 83 Prozent der Masthähnchen bekamen in den Geflügelfabriken auch antimikrobiell wirksame Mittel verabreicht: Dabei hätten Mäster zum Teil bis zu acht verschiedene Antibiotika ins Futter gemischt.

Ein Riesengeschäft, auch in Hamburg: Nur etwa 50 Cent ist das Futter wert, das ein Hähnchen während seiner Industriemast erhält. Dann wird es als „Sonderangebot“ mit Gewinn verkauft – und von den Verbrauchern verspeist. Vermutet wird, dass Antibiotika nicht nur gegen Krankheiten zum Einsatz kommen, sondern auch als Wachstumsdoping.

In der Hähnchenmast werden nach einer bundesweit bisher einmaligen Studie des nordrhein-westfälischen Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz deutlich mehr Antibiotika eingesetzt als bislang angenommen. Danach sind in 83 Prozent der untersuchten Mastdurchgänge – die Zeit vom Schlüpfen der Küken bis zur Schlachtung – antimikrobiell wirksame Mittel verabreicht worden. Dabei haben Mäster zum Teil bis zu acht verschiedene Antibiotika ins Futter gemischt. Das geht aus einer vom nordrhein-westfälischen Verbraucherschutzministerium in Auftrag gegebenen Studie hervor, die dem Radioprogramm NDR Info in Auszügen vorliegt.

Die Überwachungsbehörden haben die Daten von 962 Hähnchenmastdurchgängen aus 182 Betrieben im ersten Halbjahr 2011 systematisch ausgewertet. Es ist die erste Studie bundesweit mit belastbaren Daten zum Antibiotika-Einsatz. Die Studie legt den Schluss nahe, dass Mäster Antibiotika trotz Verbots als Wachstumsdoping einsetzen. Das Verbraucherschutzministerium Nordrhein-Westfalen wollte die Studie nicht kommentieren, da die Auswertung andauert.

Ein Masthähnchen lebt bis zur Schlachtung in der konventionellen Haltung ca. 35 Tage. In dieser Zeit verabreichten Mäster zum Teil bis zu acht verschiedene Antibiotika, in 53 Prozent der untersuchten Fälle je nur ein bis zwei Tage lang. Diese sehr kurze Verabreichung von Antibiotika ist in dieser Form nicht zugelassen. Solche Medikamente müssen in aller Regel jeweils fünf bis sechs Tage verabreicht werden, um gefährliche Resistenzen zu vermeiden. Dieses Ergebnis legt laut Studie die Vermutung nahe, dass Antibiotika weiterhin als Wachstumsdoping zum Einsatz kommen. Seit 2006 ist der wachstumsfördernde Einsatz von Antibiotika in der gesamten EU verboten. Ein Tierarzt darf Medikamente nur noch verschreiben, wenn die Tiere krank sind. Nach Informationen von NDR Info wirft die Behörde zudem die Frage auf, ob eine Schlachterlaubnis für Tiere erteilt werden darf, bei denen zum Zeitpunkt der Schlachtung noch ein Antibiotika-Rückstand nachgewiesen wird.

In 17 Prozent der ausgewerteten Mastdurchgänge kamen die Mäster ohne Antibiotika aus. Das zeigt laut Studie, dass die Antibiotika-freie Mast nicht nur im Einzelfall möglich ist. Einen verringerten Antibiotika-Einsatz konnte die Behörde bei kleinen Betrieben mit weniger als 20.000 Tieren feststellen. Dort war die Mastdauer in der Regel mit insgesamt 45 Tagen bis zur Schlachtung länger. Nordrhein-Westfalens Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Die Grünen) hatte die Erhebung in Auftrag gegeben, um belastbare Zahlen zum Antibiotika-Einsatz bei der Geflügelmast zu bekommen. Seit diesem Jahr wird in einer bundesweiten Datei (DIMDI) zwar erfasst, in welche Postleitzahlenregion wie viele Medikamente geliefert werden. Davon ausgenommen ist allerdings die Geflügelbranche. Nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums sind datenschutzrechtliche Bedenken der Grund dafür. Tierärzte, Politiker der Grünen sowie Datenschützer kritisieren diese Ausnahme scharf und fordern eine Änderung der Verordnung. NRW-Landwirtschaftsminister Remmel hatte im Sommer auf NDR Info angekündigt, eine Bundesratsinitiative zu prüfen, um diese Ausnahme rückgängig zu machen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.