Zeugnisse: System aus Noten und Punkten vertagt

Einen Gang zurück schaltet die Bildungsbehörde bei Noten und Punkten: Die Einführung des neuen Bewertungssystems, das endlich eine Vergleichbarkeit der Leistungen über Schulformgrenzen hinweg möglich machen sollte, wird zunächst weiter beraten.

Der Entwurf für eine Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Primarschule und die Jahrgangsstufen 7 bis 10 der Stadtteilschule und des Gymnasiums (APO PSG) liegt den Kammern erst seit Anfang der Woche vor, soll aber bereits am 11. Mai in der Deputation beschlossen werden – ein durchaus sportliches Unterfangen. Sie enthält Regelungen zur Ausbildung, zu den Übergängen und zum Erwerb von Abschlüssen in den Jahrgangsstufen 1 bis 10 der neuen Schulformen.

Senatorin Christa Goetsch hat nun entschieden, die Neuregelung der Leistungsrückmeldung in Form einer Kombination von Punkten und Noten aus diesem Entwurf herauszunehmen, um vor einer Beschlussfassung weitere Beratungen möglich zu machen.

„Die Wünsche vieler Elternvertreter und auch aus einigen Schulen haben deutlich gemacht, dass wir noch mehr Zeit für Beratung und Diskussion brauchen, wie ein differenzierteres und genaueres Bewertungssystem als Ergänzung zu den klassischen Noten aussehen soll“, sagt Christa Goetsch. Um das gesamte Leistungsspektrum eines Jahrgangs abbilden zu können, reiche das relativ grobe klassische Notensystem von 1 – 6 nicht aus.

Neben den Stellungnahmen von Eltern und Schulen sollen die Erfahrungen des Modellversuchs Kompetenzbeschreibung und -bemessung sowie die Arbeitsergebnisse der Projektgruppe sonderpädagogische Förderung in die weitere Diskussion einbezogen werden. Eine Fachtagung im Herbst soll dann die Beratungen abrunden.

Im kommenden Schuljahr wird die momentane Regelung der Leistungsbewertung mit den klassischen Noten 1 – 6 weiter angewendet werden, zusätzlich dazu sollen die Eltern zwei Mal pro Jahr in einem Gespräch über Leistungsstand und Leistungsentwicklung ihrer Kinder informiert werden.

Warum die so viel gescholtene neue Punkteregelung eigentlich überaus sinnvoll ist, macht ein ursprünglich an das Abendblatt gerichteter Leserbrief eines langjährigen Schulleiters deutlich, den wir hier wiedergeben:

Von: Edgar Mebus
Datum: 2. April 2010
An: Hamburger Abendblatt
Betreff: „Das neue System punktet noch nicht“ HA vom 1./2. April, S. 17

Sehr geehrte Redaktion,

danke für die umsichtige und korrekte Darstellung des Streits um die geplante neue Ausbildungs-und Prüfungsordnung. Die Aufregung darüber ist erstaunlich, denn alle, die von der Sache eine Ahnung haben, müssen anerkennen, dass der Entwurf der Behörde einen gewaltigen Fortschritt darstellt. 30 Seiten Text statt bisher 88 Seiten ist schon eine Meisterleistung an Papier-Ersparnis und Bürokratie-Abbau.

Ein Beispiel zur Sache: jedermann wusste schon immer, dass z.B. in Klasse 10 eine Drei im Realschulzeugnis etwas Anderes ist als eine Drei im Gymnasium. Niemand wusste aber bisher zu sagen, um wieviel anders. Wenn bisher ein Schüler die 10. Klasse des Gymnasiums mit dem Realschulabschluss verließ, dann hatte er lauter Vieren und Fünfen auf dem Gymnasialzeugnis, und kein Leser des Zeugnisses konnte sehen, wie die Leistungen dieses Schülers in der Realschule bewertet worden wären. Mit dieser schwerwiegenden Benachteiligung soll nun Schluss sein.

Dass ein Punktesystem für das Zeugnis in Ziffernnoten umgerechnet wird, haben wir seit Jahrzehnten in der gymnasialen Oberstufe, und alle haben sich prächtig daran gewöhnt. Dass dies, weil neu, am Anfang Widerstand erzeugt, ist das Schicksal jeder Veränderung.

Die Schwierigkeit, die scheinbar aussagekräftige Sechserskala auf unterschiedliche Anforderungsniveaus und unterschiedliche Schulformen anzuwenden und trotzdem vergleichbare und transparente Informationen zu produzieren, besteht seit langer Zeit. Wenn man die bisher gültigen Regelungen kennt, weiß man, mit welchen Verrenkungen die Umrechnungen vorgenommen wurden. Die künftige 90er Skala ist ein lobenswerter Versuch, das gesamte Anforderungs- und Leistungsspektrum transparent abzubilden.

Dem Schulleiter Frank Schmidt sollte klar sein, dass Entwurfspapiere, die vorzeitig durch Indiskretion bekannt werden, üblicherweise nicht von der Behördenleitung verbreitet werden, sondern eben von der Presse. Der Alarmismus, den Ex-Staatsrat Reinhard Behrens verbreitet, ist komisch, denn von ihm wäre zu erwarten, dass er die Probleme durchschaut.

Es ist zu hoffen, dass die Behörde ihr Ziel nicht aus dem Auge verliert und dass in den Parteien diejenigen zu Wort kommen, die um die Notwendigkeit dieser Veränderungen wissen.

Edgar Mebus

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