U-Vorsorge auch weiterhin kaum verbindlich

Beim Thema U-Vorsorgeuntersuchungen für Kinder fallen die Bewertungen der Versuche, sie verbindlicher zu machen, höchst unterschiedlich aus: „Schwarz-Grün macht Hamburg zum Schlusslicht“ sagt die SPD, „Das Kindeswohl wird gestärkt“ meint die GAL.

Das Hamburger Modell sieht vor, dass eine zentrale Stelle für die Früherkennungsuntersuchungen U6 (10. bis 12. Lebensmonat) und U7 (21. bis 24. Lebensmonat) Erinnerungsschreiben mit Postkarte an die Sorgeberechtigten verschickt. Diese Karte soll dann dem Kinderarzt vorgelegt, durch ihn nach der Untersuchung abgezeichnet und an die zentrale Stelle zurück geschickt werden. Erfolgt auch nach dem zweiten Erinnerungsschreiben keine bestätigte Teilnahme an der Untersuchung, folgt eine Meldung an das zuständige Fachamt der Jugend- und Familienhilfe. In Gesprächen mit den Sorgeberechtigten soll dann auf eine Teilnahme an der Untersuchung hingewirkt oder ein möglicher Hilfebedarf geprüft werden.

Die Beschränkung auf einen Modellversuch lediglich für die U6 und die U7 haben die SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Carola Veit und Thomas Böwer kritisiert: „Schwarz-Grün macht Hamburg zum Schlusslicht bei den U-Untersuchungen“, bedauerten Veit und Böwer heute in der Bürgerschaft. Beide betonten, die Mehrzahl der Bundesländer habe bereits Landesgesetze – keines der Länder beschränke sich auf einzelne Untersuchungen. „CDU und GAL wollen verbindliche Untersuchungen nur für die beiden Untersuchungen zwischen dem 10. und dem 24. Lebensmonat – und das auch nur als Modellversuch“, sagten Veit und Böwer. Die SPD-Fraktion hält am Ziel fest, die U-Untersuchungen für Kinder verbindlich zu machen.

Die SPD-Bürgerschaftsfraktion warf den Koalitionsfraktionen vor, in der Diskussion um die Verbindlichkeit von U-Untersuchungen wichtige Fakten zu ignorieren – wie die zurückgehende Teilnahme von Kindern mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit. Mit Blick auf einzelne Hamburger Stadtteile gebe es alarmierende Zahlen, was die Teilnahmequote an den Untersuchungen betrifft: In 19 Stadtteilen Hamburgs nimmt etwa jedes vierte Kind nicht an den Untersuchungen teil; in weiteren 14 Stadteilen ist es sogar rund jedes dritte Kind. In neun dieser Stadtteile ist die Quote zwischen 2005 und 2008 sogar weiter zurückgegangen, darunter z. B. St. Georg, St. Pauli und Billstedt. Diese Zahlen habe der Senat auf Anfrage der SPD-Fraktion einräumen müssen (Drs. 19/2412). Auf Basis der 2008er Zahlen haben, so Veit, an der U4 über 600mal Kinder nicht teilgenommen, an der U5 sogar rund 750 mal. „Diese Probleme werden mit dem schwarz-grünen Modellversuch nicht gelöst“, so Veit.

Enttäuscht zeigte sich die SPD-Fraktion insbesondere darüber, dass sich CDU, GAL und Senat mit ihrem Vorgehen „aus dem Konsens des Sonderausschusses ‚Vernachlässigte Kinder‘ verabschiedet haben, sämtliche U-Untersuchungen verbindlicher zu machen – und nicht allein U6 und U7“. Veit erinnerte daran, dass auch die verstorbene Lara nicht an den vorgesehenen U-Untersuchungen teilgenommen hat. „Auch Lara hätte von Senator Wersichs Modellversuch nichts gehabt. Sein Vorgehen ist nicht konsequent.“

Für die GAL hingegen verteidigten die Abgeordneten Christine Blömeke und Linda Heitmann das „Gesetz zur Neustrukturierung und Optimierung der gesundheitlichen Vorsorge im Vorschulalter“, das die Bürgerschaft mit schwarzgrüner Mehrheit heute verabschiedet hat. Das Gesetz sieht die zweijährige Erprobung eines Einladungswesens mit Nachkontrolle für die Kinderfrüherkennungsuntersuchungen U6 und U7 vor. Mit der Änderung des Kinderbetreuungsgesetzes (KibeG) entfällt zudem das bisherige Angebot für ärztliche Untersuchungen in Kindertagesstätten.

Dazu sagte Linda Heitmann, gesundheitspolitische Sprecherin der GAL-Fraktion:“Die U-Untersuchungen sind ein wichtiger Baustein der frühkindlichen Gesundheitsvorsorge. Mit diesem Gesetz stärken wir das Kindeswohl in Hamburg und setzen eine wichtige Koalitionsvereinbarung um. Nur wenn wir möglichst alle Kinder erreichen, können Entwicklungsdefizite und andere gesundheitliche Probleme früh erkannt und behandelt werden. Wir wollen eine flächendeckende Teilnahme an diesen Untersuchungen sicherstellen.“

Christiane Blömeke, kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Fraktion, ergänzt: „Das neue Einladungswesen mit Nachkontrolle soll uns helfen, jene Familien zu identifizieren, in denen das Wohl der Kinder gefährdet sein könnte. Ob dies gelingt, wird letztlich die Evaluation zeigen.“ Zur Änderung des Kinderbetreuungsgesetzes sagt Blömeke: „Doppeluntersuchungen sind weder für die Kinder sinnvoll, noch sind ihre Kosten zu rechtfertigen. Die Abschaffung des Untersuchungsangebotes in Kitas ist daher eine logische Konsequenz.“

Zwangsmaßnahmen bei einer Nichtteilnahme an Früherkennungsuntersuchungen hält die GAL-Fraktion allerdings für kontraproduktiv. „Bei der Androhung staatlicher Repressionen bestünde die Gefahr, dass Eltern staatliche Hilfsangebote aus der irrationalen Angst heraus, dass ihnen ihre Kinder weggenommen würden, nicht in Anspruch nehmen. Mit dem Schüren solcher Ängste ist niemandem gedient“, sagten Heitmann und Blömeke.

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