IG Metall widerlegt Renten-Mythen

Die gesetzliche Rentenversicherung wird systematisch schlechtgeredet. Lobbyisten schüren Ängste und streuen zweifelhafte Behauptungen. Die IG Metall nennt Fakten – und entlarvt die größten Mythen

Mythos 1: Die Lebenserwartung steigt – also muss auch das Rentenalter steigen
 
Fakt ist:
Die allgemeine Lebenserwartung steigt. Aber um arbeiten zu können, muss man nicht nur am Leben sein, sondern auch fit. Wichtiger als die reine Lebenserwartung ist deshalb die sogenannte „beschwerdefreie Lebenserwartung“. Damit bezeichnen Bevölkerungsforscher die Zeitspanne ohne körperliche oder geistige Einschränkungen. Die beschwerdefreie Lebenserwartung ist weit niedriger als die allgemeine Lebenserwartung. Sie liegt in Deutschland im Schnitt bei rund 56 Jahren. Danach kommen oft die ersten Gesundheitsbeschwerden – oder gar ernsthafte Einschränkungen.

Viele Menschen können also gar nicht länger arbeiten, nur weil sie statistisch gesehen älter werden. Bereits heute schaffen es viele nicht bis zum regulären Rentenalter.

Steigt das gesetzliche Renteneintrittsalter weiter, bedeutet das für Millionen Deutsche nichts anderes als eine Rentenkürzung: Sie gehen vorzeitig mit Abschlägen in den Ruhestand.

Weiteres Problem: Für ältere Menschen ist es oft schwer, in Arbeit zu bleiben oder eine neue Stelle zu finden. Die Arbeitslosenquote ist bei über 50-Jährigen überdurchschnittlich hoch.

Übrigens: Vorschläge für eine längere Lebensarbeitszeit kommen meist von hochbezahlten Menschen mit geringer körperlicher Belastung – und von Arbeitgebern, die sich durch eine höhere Regelaltersgrenze möglichst niedrige Rentenbeiträge erhoffen.
 

Mythos 2: Der Staat zahlt Milliarden in die Rentenkasse – also ist die Rente zu teuer
 
Fakt ist:
Dass in die Rentenkasse auch Steuermittel fließen, ist wenig überraschend. Die Rentenkasse übernimmt schließlich auch gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Bedeutet: Sie bezahlt Leistungen, denen keine Beitragseinnahmen gegenüberstehen.

Diese Leistungen werden immer mehr ausgeweitet. Aktuelle Beispiele sind die Mütterrente oder die Ost-West-Rentenangleichung. Logisch wäre, solche Leistungen mit Steuermitteln zu bezahlen. Stattdessen belasten sie die Rentenversicherung und damit in erster Linie die Beitragszahler.
 
Mythos 3: Die Alten kassieren – die Jungen zahlen die Zeche
 
Fakt ist:
Diese Aussage ist banal. Die gesetzliche Rentenversicherung ist ein Umlagesystem. Die Rentenbeiträge der Beschäftigten werden nicht angespart sondern direkt an die aktuellen Rentner ausgezahlt.

Die Frage ist also höchstes, ob die Beitragszahler „zu viel“ bezahlen. Dazu eine Zahl: Der Rentenbeitrag ist heute niedriger als Mitte der Achtzigerjahre.

Und: Gerade die Jungen haben ein Interesse daran, dass die Rente auch in Zukunft ein gutes Auskommen ermöglicht. Denn ihre Erwerbsbiografien haben häufiger Lücken, sie kommen auf weniger Beitragsjahre zur gesetzlichen Rente.

Die Alternative zu künstlich niedrigen Rentenbeiträgen – und damit auch niedrigen Renten – ist: Private Altersvorsorge – mit allen Risiken und Nebenwirkungen (siehe Mythos 4).

 
Mythos 4: Wir müssen alle privat vorsorgen
 
Fakt ist:
Wenn die gesetzliche Rentenversicherung weiter geschwächt wird, sind die Menschen gezwungen, die Lücken mit privater Altersvorsorge zu schließen.

Doch kapitalgedeckte Altersvorsorge ist riskant: Dort winken zwar mögliche Gewinne. Doch Verluste sind ebenso möglich. Eine wacklige Basis für den Ruhestand. Die Deutsche Rentenversicherung hat dagegen immer ausgezahlt – selbst durch Weltkriege und Hyperinflation – und ist wegen der Umlagefinanzierung als einzige gut durch die Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008 gekommen.

Viele private Vorsorgeprodukte sind außerdem teuer. Ein Gutteil des eingezahlten Geldes landet in Form von Gebühren und Provisionen in den Taschen der Versicherungskonzerne.

Und schließlich gilt: Bei privater Vorsorge sind die Arbeitgeber außen vor. Bei den Beiträgen zur gesetzlichen Rente zahlen sie die Hälfte. Hier dürfte der Hauptgrund dafür liegen, dass Arbeitgeber-Verbände die gesetzliche Rente so hartnäckig schlechtreden.

 
Mythos 5: Höhere Lohnnebenkosten gefährden Arbeitsplätze
 
Fakt ist:
Der entscheidende Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit sind nicht die Lohnnebenkosten, sondern die Lohnstückkosten. Die Lohnstückkosten geben an, wie viel Lohn gezahlt wird, um eine bestimmte Anzahl von Waren herzustellen. In ihnen sind sämtliche Lohnnebenkosten enthalten – also auch die Rentenbeiträge.

Zentral ist zudem die Produktivität: Steigt sie – werden also in einer Arbeitsstunde mehr Güter produziert – dürfen auch die Lohnkosten in dem Maße steigen, ohne dass die Lohnstückkosten dadurch zulegen würden.

In punkto Produktivität ist die deutsche Wirtschaft überaus wettbewerbsfähig. Die Lohnstückkosten sind seit dem Jahr 2000 in Deutschland deutlich schwächer gestiegen als in anderen Mitgliedsstaaten des Euroraums und der EU.

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