Annen-Niederlage: Unklare Fronten

Nach der Eimsbütteler Entscheidung über den SPD-Bundestagskandidaten gibt es derzeit mehr offene Fragen als Antworten. Fest steht, dass Danial Ilkhanapour mit einer Stimme Mehrheit gegen den Amtsinhaber Niels Annen gewonnen hat. Fest steht auch, dass daran alle noch so aufgeregten Kommentare nichts mehr ändern können. Aber sonst – sonst ist fast alles unklar.

Die wohl gängigste und schlichteste Theorie sieht einen Rechts-Links-Konflikt, den die Parteirechten etwas tricky für sich entschieden haben: Der ehemalige Mitarbeiter des rechten Seeheimer-Sprechers Kahrs schießt den engsten Vertrauten der Spitzenlinken Andrea Nahles aus dem Parlament und verschafft seinem politischen Lager einen zumindest kurzfristigen Vorteil.

Klingt erst einmal gut, ist aber wohl zu schlicht: Kahrs hat genügend Erfahrung, um zu wissen, welche Konsequenzen dies auf Bundesebene für ihn hätte, wenn es denn aufflöge. Andererseits macht Rechts-Links auch ohne Kahrs Sinn: Der Kreis Eimsbüttel bewegt sich seit Jahren auf rechte Mehrheiten zu, und hier hätten die Rechten erstmals mit einem Paukenschlag Erfolg gehabt. Dass dabei gleich noch ein paar ausgewiesene Linke die Partei oder jedenfalls den Kreis verlassen, macht ihnen die Sache nur leichter.

Und dann gibt es eine zweite „Gefechtslinie“: Annen gehörte zu den erklärten Gegnern von Ex-Parteichef Petersen, und um dessen damaligen engsten Mitarbeiter Hauke Wagner gruppierte sich das nächtliche Jubel-Gelage von Ilkhanipour und seinen Anhängern. Rache für den abservierten Petersen? Aber Kahrs, jetzt angeblich einer der Drahtzieher, war auch ein erklärter Petersen-Gegner, und Petersen-Spezi Thomas Böwer soll jetzt für Annen gewesen sein.

Soll, hätte, könnte: Genaues ist halt nicht bekannt. Mittwoch tagt erneut der Kreisvorstand, der sich schon am Sonnabend stundenlang zusammengesetzt hatte. Das Ergebnis ist offen – der Rücktritt von Kreischef Jan Pörksen ist nicht unwahrscheinlich. Die WELT berichtet, es gäbe bereits einen Nachfolger.

Offen ist übrigens auch, ob Ilkhanipour dem nächsten Bundestag wirklich angehören wird. Mit einer Absicherung über die Landesliste kann er nicht rechnen, und ob er das Direktmandat gewinnt, ist überhaupt nicht sicher.

Die 46 % seines Vorgängers Annen kamen zusammen, weil in Eimsbüttel alle Sozialdemokraten an einem Strang zogen – und weil er diesseits der CDU keinen ernsthaften Gegenkandidaten hatte. Ob für Ilkhanipour ebenso intensiv Wahlkampf gemacht wird, darf getrost bezweifelt werden. Und vorstellbar ist durchaus, dass sich GAL, LINKE und Teile der SPD informell auf einen GAL-Kandidaten einigen könnten.

Dann zöge womöglich die SPD-Landesliste. Weder Arbeitsminister Olaf Scholz noch Alt-Bürgermeister Hans-Ulrich Klose, die beide für Listenplatz 1 im Gespräch sind, werden die Unterstützung durch die Liste ernsthaft brauchen. „Nutznießen“ würde die Frau, die auf Grund des in der SPD-Satzung verankerten Reißverschluss-Prinzips auf Platz zwei der Landesliste stehen wird. Das wiederum, orakeln manche Eimsbütteler, könnte trotz aller den Damen im Kreis Wandsbek nachgesagten Ambitionen Ex-Bürgerschaftspräsidentin Dorothee Stapelfeldt sein, womit dann Eimsbüttel doch eine Vertretung in Berlin hätte – nur eben nicht den Mann, der jetzt nominiert wurde.

Während in Eimsbüttel derzeit alles drunter und drüber geht und die dortigen Vorgänge bundesweit berichtet und kommentiert werden, mahnt SPD-Landeschef Ingo Egloff wie gewohnt zu Ruhe und Gelassenheit. Angeblich bastelt er mit seinen Stellvertretern am Entwurf eine Satzungsänderung, die bewirken soll, dass sich mögliche Kandidaten früher melden müssen. Ob dies die Welt wirklich voranbringt, ist indes fraglich: Schon jetzt wäre es möglich gewesen, den Schlusstermin für Kandidaturen VOR die Delegiertenwahlen zu legen. Warum dies der Eimsbütteler Kreisvorstand nicht getan hat, wird er sich vermutlich heute auch ganz intensiv fragen…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.