Winternotprogramm: Zoll deckt Missbrauch auf

Erwerbstätige nutzen offenbar die Winternotbetten der Stadt zur kostenlosen Übernachtung: Bisher habe der Zoll rund 30 vermeintliche Obdachlose, die auf dem Weg zur Arbeit waren, am frühen Morgen direkt auf ihre gewerblichen Tätigkeiten angesprochen, so die Sozialbehörde.

Die Behörde:
In enger Absprache mit der Sozialbehörde haben Beamte des Hauptzollamts Hamburg-Hafen mehrmals und unangemeldet Personen auf dem Gelände der Notunterkunft in der Spaldingstraße kontrolliert, um festzustellen, ob diese erwerbstätig sind. Dabei hat die Kontrolleinheit Prävention Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Hauptzollamts die Personalien von rund 30 vermeintlich obdachlosen Personen aufgenommen, die auf dem Weg zur Arbeit waren und die Spaldingstraße als kostenlose Unterkunft genutzt haben. Diese Personen hat die Stadt aufgefordert, sich gewerbliche Unterkünfte zu suchen.

„Wir weisen im Winternotprogramm – im Gegensatz zu anderen Städten – nach wie vor keine Obdachlosen ab, die in echter Not sind und einen Schlafplatz brauchen, um sich vor der Kälte zu schützen“, sagt Sozialsenator Detlef Scheele. „Aber wenn jemand arbeitet und trotzdem einen Schlafplatz in der Spaldingstraße belegt, der eigentlich für einen mittelosen Obdachlosen gedacht ist, habe ich kein Verständnis dafür.“

Das Hauptzollamt Hamburg-Hafen hat im Rahmen der Zusammenarbeit mit der Sozialbehörde seit Mitte Januar in unregelmäßigen Abständen die Unterkunft in der Spaldingstraße kontrolliert, um die Personalien derjenigen Menschen festzustellen, die einer geregelten Arbeit nachgehen und den tatsächlich Bedürftigen Schlafplätze wegnehmen. Bisher hat der Zoll rund 30 vermeintliche Obdachlose, die auf dem Weg zur Arbeit waren, am frühen Morgen direkt auf ihre gewerblichen Tätigkeiten angesprochen. Darunter waren beispielsweise acht Bulgaren, die eigenen Aussagen zufolge in Hamburg für eine Schweriner Firma tätig sind. Darüber hinaus gaben fünf Rumänen an, dass sie für einen Vermittler arbeiteten.

Die Sozialbehörde hat in Absprache mit dem Träger der Einrichtung in der Spaldingstraße „fördern und wohnen“ vereinbart, dass sich alle vermeintlich mittelosen Übernachtungsgäste, umgehend eine gewerblichen Unterkunft zum Übernachten suchen müssen. Dafür händigen ihnen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Spaldingstraße eine Liste mit entsprechenden Adressen aus. Sie empfehlen den Erwerbstätigen außerdem, die Beratungsstelle für mobile europäische Arbeitnehmerim Besenbinderhof aufzusuchen, die sich für faire Arbeitsbedingungen und gegen Ausbeutung auf dem Hamburger Arbeitsmarkt einsetzt.

An der Regel, dass Menschen, die regelmäßig arbeiten und dementsprechend über ein Einkommen verfügen, keinen Anspruch auf eine Notunterkunft haben, hat sich grundsätzlich nichts geändert. Der Zoll hat lediglich die Kontrollen vor Ort verschärft.

Über die Regeln, die in der Spaldingstraße gelten, werden alle Übernachtungsgäste schriftlich in mehrsprachigen Aushängen und mündlich in der Anlaufstelle für osteuropäische Obdachlose informiert.

Hintergrundinformationen

Mit insgesamt rund 450 Plätzen finanziert der Senat in diesem Jahr das größte Winternotprogramm für Obdachlose, das es bisher in Hamburg gegeben hat. Auch im bundesweiten Vergleich ist diese Größe außergewöhnlich. Zwei Drittel der 230 Schlafplätze in der Spaldingstraße sind derzeit mit osteuropäischen Obdachlosen belegt – nur 18 Prozent der Übernachtungsgäste in der Spaldingstraße sind Hamburger Obdachlose. Wegen des stetig steigenden Anteils an osteuropäischen Obdachlosen hat die Sozialbehörde bereits im Winter 2011/12 eine Anlaufstelle für osteuropäische Obdachlose eingerichtet, die bundesweit einzigartig und das ganze Jahr über geöffnet ist. Außerdem hat Hamburg eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe initiiert, die sich mit der Armutswanderung aus Osteuropa befasst, um über die Europäische Union mehr Hilfen für die Menschen in ihren jeweiligen Heimatländern zu ermöglichen.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.