Offenkundig ist das neue Hamburger Wahlgesetz ein ziemlich unverständliches Monster – soweit es um die Vergabe der Plätze in den Wahlkreisen geht: Insbesondere die Frage, wann nun die Persönlichkeitsstimme greift und wann die Listenreihenfolge, und ob die Quoren dafür immer gleich sind – das durchschaut kaum jemand. Weil er das wohl am besten ohne seelischen Schaden verträgt, nehmen wir als Anschauungsfall Thomas Böwer.
Kandidiert hat er auf Listenplatz 1 der SPD im Wahlkreis 07, einem sogenannten Vierer-Wahlkreis.
Ausgezählt sind laut Internet-Angabe des Landeswahlleiters im Kreis 07 bisher 212.715 gültige Stimmen; die aktuelle „Wahlzahl“ beträgt also derzeit 212.715 / 4 = 53.179 Stimmen.
Aus dem Stimmverhältnis der Parteien ergibt sich, dass die CDU zwei der Direktmandate gewonnen hat, SPD und GAL je eines.
Thomas Böwer kandidiert zwar als Nummer 1 auf der SPD-Liste, bekam aber nur 3.858 Stimmen. Mehr als er bekamen Astrid Bruchmann (Listenplatz 2, 6.139 Stimmen), Spitzenreiterin wurde Sabine Steppat (Platz 4, 8.063 Stimmen).
Wer jetzt denkt, gewählt sei die/der mit den meisten Stimmen, macht es sich zu einfach. Schließlich haben ja auch viele die Liste statt der Personen angekreuzt, so die Macher des gültigen Wahlgesetzes, weil sie die Reihenfolge der Listenkandidaten genau richtig fanden und es nicht für nötig hielten, die Nummer 1 auf der Liste extra anzukreuzen.
Deshalb gibt es Mindestquoren: Nur wenn ein bestimmter Anteil der Wählerinnen und Wähler Namen statt der Liste angekreuzt hat, spielen die Namens-Kreuze überhaupt eine Rolle. Wie dies aber funktioniert, wie groß der Namens-Anteil sein muss, wie dies im Dreier-, Vierer- oder Fünfer-Wahlkreis aussieht, das haben wir bisher nicht geschnallt.
Vielleicht braucht man noch Zusatzinformationen und weitere Zahlen – die gibt es hier.
Das Wahlgesetz finden Sie hier als PDF.
Aber jetzt bitte, liebe Leserinnen und Leser: Klären Sie uns auf!
Die Fragen sind:
Kommt Thomas Böwer unter den o.a. Verhältnissen in die Bürgerschaft?
Falls nein – wer stattdessen?
Und falls es zwei SPD-Abgeordnete gäbe – wer wären die beiden?
Ist doch gaaanz einfach:
Schritt 1 ist ja schon gemacht:
Die SPD hat nach Ermittlung der Wahlzahl also ein Mandat gewonnen.
Wer bekommt es, der Listenkandidat eins oder die Persönlichkeitsstimmen-Spitzenreiterin?
Für die SPD-Wahlkreis-Liste wurden 40.276 Stimmen abgegeben.
Für alle SPD-Kandidaten zusammen wurden 24.646 Stimmen abgegeben.
Mehr Stimmen für die Liste bedeutet: Die Liste zieht zuerst. Böver ist drin.
Alle Zahlen gelten bei 87 von 90 ausgezählten Wahllokalen.
Komplizierter wird es bei mehreren gewählten Kandidaten für eine Partei. Da werden die Listen- und Kandidatenstimmen in ein Verhältnis gesetzt.
Hat eine Partei 3 Mandate in einem Wahlkreis gewonnen, und haben 2/3 Persönlichkeitsstimmen abgegeben, so zieht zuerst der Persönlichkeitsstimmen-Spitzenreiter, dann der Listenkandidat eins, (oder zwei, wenn eins die meisten Stimmen erhalten hat) dann der Persönlichkeitsstimmen-Zweite.
In diesem Fall:
äh, da läuft wirklich etwas schief. Jetzt sind die Ergebnisse von der Webseite des Statistik-Amtes verschwunden. Da ist wohl jemand richtig am Arbeiten. Das macht alles keinen vertrauenserweckenden Eindruck!
Nun, ich glaube Kandidatin 4 hatte die meisten Stimmen. Die wäre nach meiner Rechnung als zweite drin.
Das wird bei den Bezirksversammlungen kompliziert, weil dort pro Wahlkreis 15 Mandate vergeben werden.
Hoffentlich rechnet das noch jemand manuell nach, nicht das bei den Computern im Wahlamt noch der Wurm drin ist.