Nach der gestrigen Expertenanhörung im Verfassungsausschuss der Bürgerschaft zum Thema Änderung des Wahlrechts zieht Farid Müller, verfassungspolitischer Sprecher der GAL-Bürgerschaftsfraktion, das Fazit: „Der CDU-Entwurf ist ein Bluff. Er würde den Einfluss der Wählenden auf die personelle Zusammensetzung des Parlaments zunichte machen.“
Müller weiter: „Damit würde das Volkswahlrecht endgültig gekippt. In einem ersten Schritt hatte die CDU bekanntlich das Kumulieren und Panaschieren bei den Landeslisten abgeschafft. Übrig bleibt eine komplizierte Konstruktion, die nach Mitwirkung aussieht, aber alle Macht bei den Parteien lässt. Pfui CDU!“
Nachdem das Verfassungsgericht Teile des CDU-Wahlrechts für verfassungswidrig erklärt hat, muss das Wahlrecht für die Wahlkreise neu geregelt werden. Dazu standen gestern den Mitgliedern des Verfassungsausschusses sechs Experten drei Stunden lang Rede und Antwort. Im Mittelpunkt stand der Gesetzentwurf der CDU. Er sieht vor, zwischen Stimmen für die Parteien und Stimmen für Personen auf den Parteilisten zu unterscheiden. Der entscheidende Trick: Obwohl es möglich ist, einzelnen Bewerberinnen und Bewerbern Personenstimmen zu geben, kommen diese faktisch nicht zur Geltung, weil die pauschal den Parteien gegebenen Stimmen als Zustimmung zum konkreten Listenvorschlag der Parteien interpretiert werden. Wer das zu kompliziert findet, steht nicht allein. Auch die Experten blickten nicht immer durch.
Die umfangreichen Präsentationen machten deutlich, dass der CDU-Entwurf hoch komplex und schwer verständlich ist. Eine Studie von wahlrecht.de zeigte, dass der von der CDU favorisierte Wahlmodus den Einfluss der Wählerinnen und Wähler auf die Zusammensetzung der Liste nahezu auf Null reduziert. Nach dieser Simulation konnten die Wählenden nur zwei von 71 Wahlkreismandaten abweichend von den Listenvorschlägen der Parteien verändern.
Damit würden die Parteien weiterhin fast allein bestimmen, wer in die Bürgerschaft einzieht. Der Wahlrechtsexperte Prof. Hans Meyer bemerkte dann auch folgerichtig, dass der Aufwand des Kumulierens und Panaschierens im krassen Gegensatz zum tatsächlichen Einfluss der Wählerinnen und Wähler stehe.
Die CDU argumentierte bislang, dass ihr Vorschlag sich am Niedersächsischen Kommunalwahlrecht orientiere. Der niedersächsische Landeswahlleiter Strehlen machte dagegen deutlich, dass die niedersächsischen Verhältnisse sich nicht auf Hamburg übertragen ließen. In Niedersachsen gebe es pro Wahlkreis deutlich mehr Abgeordnete. Das führt dazu, dass dort Abweichungen von der Parteiliste viel häufiger möglich sind.
Die GAL-Fraktion schlägt in ihrem Gesetzentwurf vor, auf das Konstrukt einer Parteistimme ganz zu verzichten. Alle Stimmen sollen direkt auf die Bewerberinnen und Bewerber verteilt werden. Dieses Modell gliche der Erststimme bei den Bundestagswahlen, die auch direkt für eine Person und nicht für eine Partei vergeben werden muss. Der GAL-Gesetzentwurf wurde ebenfalls in einer Simulation getestet und hat gegenüber dem CDU-Gesetzentwurf deutlich mehr Einfluss für die Wählenden aufgezeigt.