Vorbereitungskurs

(Von Carina Kutta)
Er ist genau 15 Minuten zu spät. Alle anderen Teilnehmer sitzen schon brav auf ihren Stühlen und warten, starren auf den leeren Platz, dessen Schuld es ist, die Stille nun füllen zu müssen. Auf dem Tisch der Psychologin steht ein kleiner Wecker, dessen Sekunden sich im gesamten Raum verteilen. Kein Laut.

Verstohlende, unsichere Seitenblicke zum Nachbarn, Nase kratzend, die Arme verschränkt vor dem Körper, die Hände auf den Knien, kreisende Bewegungen des Fußes, verlegenes Räuspern. Die Psychologin starrt ins Leere. Plötzlich hört man eine schrillende Klingel; das wird er sein, und die Psychologin holt den Zu-Spät-Kommer herein.

Hallo alle zusammen. Ärgerliche Blicke von den Frauen, mitfühlende von den Männern. Nun sind Sie ja da, dann fangen wir mal an.

Die Psychologin versucht, aufmunternd zu sein, erklärt den Teilnehmern, weswegen sie hier sind: Man darf keine Drogen nehmen und dann Auto fahren. Sie erklärt, wie gefährlich es ist, im Straßenverkehr Alkohol zu trinken. Sie erläutert es, wie bei einem Kind, dem erklärt wird, dass es den Hund bloß nicht streicheln darf, wenn er gerade frisst. Man könnte meinen, dass weiß doch jeder, aber sdann wäre ja niemand hier.

Es gibt in Hamburg drei psychologische Institute, die sündigen Fahrern nach dem Führerscheinentzug auf die medizinisch-psychologische Untersuchung vorbereiten soll. Und die MPU hat den Schnäppchenpreis von 800 Euro, der Vorbereitungskurs kostet 400 Euro. Fällt man durch und versucht man es noch mal, kostet es wieder 800 Euro. Ob man die MPU übersteht und den Führerschein zurückerhält, hängt meist Letztenendes von der Laune der prüfenden Psychologen ab.

Peter fängt nun an zu erzählen. Er hat 2 Promille intus gehabt und einen Unfall verursacht, das war nicht das erste Mal sagt er und lacht. Mit dem Alkohol meint er. Ist ja nichts passiert, er habe sich ja unter Kontrolle. Die Psychologin fragt, ob er das nicht jedes Mal gesagt habe, und er ist immer wieder erwischt worden. Paul antwortet, jetzt nach dem Unfall sähe er es anders und damit Basta. Sven hat mehrmals gekifft und wurde erwischt. Er will es nie wieder tun, er habe daraus gelernt. Ebenso Anna, die öfter betrunken Auto gefahren ist. Sie hatte wohl viele miese Tage und musste sich abreagieren. Sie werde es auch nie wieder tun.

Erik dagegen, hat keine Lust lästige Fragen zu beantworten. Er meint, er sei niemandem Rechenschaft schuldig und möchte nur seinen „Lappen“ wiederhaben. Die Psychologin fragt welchen „Lappen“ er meint, den Führerschein, wenn er Einsicht zeigt, oder den Totenschein, sollte er weiterhin am Steuer trinken. Anna lacht ganz laut. Ganz schön hart, aber Erik verkraftet das.

Die Psychologin verzieht keine Miene. Iris dagegen hat Tränen in den Augen, beschwört auf den Tod ihrer Mutter, nie wieder zu trinken und Auto zu fahren. Erik verdreht die Augen. Ich werde nicht mehr trinken, was soll ich denn dazu noch sagen. Er klingt irgendwie genervt und verzweifelt gleichzeitig. Die Psychologin scheint die Tränen von Iris zu ignorieren. Sie sagt, wenn in diesem Kurs jemand keine Einsicht zeigt, wird er unter Garantie durch die medizinisch-psychologische Prüfung fallen.

Erik versucht einen zweiten Anlauf, beschwert sich darüber, dass es nicht sein kann, für so einen „Schrott“ 800 Euro zu zahlen, wobei noch nicht einmal sicher ist, dass man dann die Prüfung schafft, um dann abermals bei der Prüfung 800 Euro zu zahlen. Er würde es schon nicht wieder tun und damit gut. Die Psychologin meint, es wäre besser, als den Führerschein ganz neu zu machen. Erik bringt sich so richtig in Rage. Er bräuchte den Führerschein auch beruflich und könne sich „nicht so locker 1600 Euro aus dem Ärmel schütteln“.

Die Psychologin antwortet darauf kühl, dass er sich das hätte vorher überlegen sollen. Erik steht auf. Alle Teilnehmer schauen erwartungsvoll zu ihm rüber. Sie kennen mich doch gar nicht, sagt er. Das will ich auch gar nicht, sagt sie. Das ist echt ein Saftladen hier, sagt Erik.

Er packt seine Sachen und geht. Er geht 15 Minuten, bevor die Stunde vorbei ist, und kam 15 Minuten, nachdem sie anfing.

2 Gedanken zu „Vorbereitungskurs“

  1. Hallo liebe Frau Kutta,

    Fälle wie Erik sind mir ebenfalls bestenst bekannt. Ich spreche aus Erfahrung und kann dazu nur eines sagen. Ich selbst bin über viele Jahre hin unter Einfluss von Alkohol und Marihauna gefahren, wurde dabei mehrmals bei einer polizeilichen Kontrolle erwischt und bin meine Fahrerlaubnis seit knapp 1,5 Jahren los. Ehrlich gesagt gebe ich zu, dass mein Verhalten im Strassenverkehr einfach nur dumm war. Bedenke man was alles hätte passieren können. Gottseidank blieb es beim Entzug der Fahrerlaubnis – und keinen Personenschäden.

    Drogen und Alkohol haben am Steuer beim besten Willen nichts zu suchen. Leider kam meine Einsicht verdammt spät. Worüber ich froh sein kann ist, dass ich beruflich nicht auf den Führerschein angewiesen bin, was zusätzlich einen eventuellen Verlust des Arbeitsplatzes bedeuten könnte. Dafür habe ich aber einen weitaus höheren Preis bezahlen müssen. Durch meine mir nicht klar gewordene Abhängigkeit zu Marihuana löste sich innerhalb küzestes Zeit mein ganzes Leben vor mir auf. Der Konsum von Marihuana sollte keines Falls unterschätz werden. Denn laut einer medizinischen Studie 07 heißt es, „Wer kontinuierlich Marihuana konsumiert und das auf längeren Zeitraum, bleibt in der Entwicklung stehen und nach Jahren ist man nicht mehr der Mensch der man „ohne Konsum“ geworden wäre. Schleichend geht der Prozess im Gehirn voran. Folge ist, verdrängte Probleme werden nicht verarbeitet, erhöhte Reizbarkeit, Probleme bei der Bewältigung kleinster Angelegenheiten im Alltag – welche durch Wut und Aggressionsausbrüche Menschen schaden zufügten, welche in Zukunft nur schwer zu korrigieren sind.

    Auf Dauer gesehen ist für einen Selbst alles nur noch eine unerträgliche Last, der man versucht durch den aufrechtzuerhaltenden Konsum zu entkommen. Freunde und Familie bleiben auf der Strecke. Meine Freunde haben sich distanziert und meine Freundin (der wichtigste Mensch in meinem Leben) hat sich von mir getrennt. Eigentlich genau die richtige Zeit um den seelischen Schmerz mit Drogen zu behandeln. Jetzt kam aber meine Einsicht, dass ich in meinem Leben an einem Punkt angekommen bin, wo sich schnellstenst alles ändern musste.

    Für Alle die sich jenen Kampf mit sich selbst nach einer ähnlichen Blamage ersparen wollen, bedenkt, Ihr vergeudet nur eure Zeit, Geld und vor allem eure Gesundheit mit dem Konsum. Und für Alle die den Kampf schon kämpfen, gibt es auch andere Anlaufstellen wo man Euch nach dem Verlust der Fahrerlaubnis nicht wie den letzten Dreck behandelt.

    Hier kann jedem duch professionelle Hilfe geholfen werden und Bonus: Keine finanzielle Abzocke !!! Leider teilt einem diese Adresse das Verkehrsamt nicht mit , um die eigenen finanziellen Einnahmen nicht zu schmälern. Probiert es einfach selbst aus und macht Eure Erfahrung damit.

    Beratung für Auffällige Kraftfahrer
    Hamburg Nord e.V.
    Egon Golsch
    Repsoldstraße 4
    D-20097 Hamburg
    Tele: 040-1805 18 88
    Mobil: 0171 – 479 41 81

    Ihr werdet es sicherlich nicht bereuen zur Einsicht zu kommen.

  2. Selbst Jugendliche, welche vor Jahren Ihre Mofa frisierten erstaunen, wenn Ihnen die rote Karte gezeigt wird und Sie nicht für die Führerscheinprüfung zugelassen werden und die angeordnete MPU auf Anhieb nicht bestehen.

    Viele MPU Kanditaten müssen sich wider Willen zum Alkoholismus bekennen, da ansonsten das positive Gutachten außer Reichweite ist. Also nimmt man gedemütigt weitere Maßnahmen in Kauf. Auch dies und vieles mehr sind Gründe weshalb immer mehr deutsche, Ihr Heil in den Nachbarländern suchen.

    Der EU Führerschein-Erwerb ist jedoch nicht so einfach wie manche behaupten. Mitunter kann es jedoch noch zu anderen Problemen kommen. Wie zum Beispiel: Es wird in Deutschland zum EU Führerschein ohne MPU solange keine einheitliche Rechtsprechung geben wie der EUGH nicht erneut entschieden hat.
    Solange dies der Fall ist werden die deutschen Gerichte unterschiedlich entscheiden. Es entsteht der Eindruck: Je nach Gesinnung wird Entschieden. Zum Glück, die Gerichte entscheiden inzwischen überwiegend für den EU Führerschein-Inhaber.

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