Zwei prominente Wandsbeker GALier haben ihre Partei verlassen: Vasco Schultz und Frank Hiemer wollen künftig in der Bezirksversammlung mit der LINKEN zusammenarbeiten. Heute nahmen beide gemeinsam mit Norbert Hackbusch und Herbert Schulz (beide LINKE) an einer Pressekonferenz teil, bei der die Stellungnahme der LINKS-Fraktion zum Koalitionsvertrag vorgestellt wurde.
Hier die komplette Stellungnahme:
In einer erweiterten Fraktionssitzung nimmt DIE LINKE wie folgt Stellung zum Koalitionsvertrag von CDU und GAL in Hamburg:
1. Die allgemeine Einschätzung, dass die Grünen sich gegenüber der CDU in vielen Punkten durchsetzen konnten, teilen wir nicht.
Die CDU hat sich mit ihren Essentials Elbvertiefung, Hafenquerspange, autogerechte Erschließung des Süderelbegebietes, Einführung des Zwei-Säulen-Modells und einer Haushaltspolitik, die strikt auf Konsolidierung ausgerichtet ist, durchgesetzt. Das Konzept der Wachsenden Stadt wird fortgesetzt.
2. Der Koalitionsvertrag reduziert sich in wesentlichen Teilen auf unverbindliche Absichtserklärungen.
Im Koalitionsvertrag finden sich 88 Prüfauftrage, und über 400 Mal taucht das Wort soll auf. Konkret wird es nur bei den Essentials der CDU.
3. Öffentliche Finanzen
Über die Finanzierung der aktuellen Haushaltslücken, der Primarschule und der ökologischen Modernisierung steht im Koalitionsvertrag kein Wort. Der gesamte Vertrag steht unter einem Finanzierungsvorbehalt. Die sich abzeichnende wirtschaftliche Entwicklung und der Rückgang der Steuereinnahmen lassen befürchten, dass angekündigte Projekte wieder im Papierkorb landen.
4. Die drängenden Probleme der Stadt werden ignoriert.
Die wenigen Verbesserungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass für die großen sozialen Probleme Lösungsansätze nicht vorgesehen sind.
Das Wort Hartz IV kommt nicht vor. Es ist noch nicht einmal das kostenlose Mittagessen für Kinder durchgesetzt. 1-Euro-Jobs werden ausgeweitet.
Tausenden von Jugendlichen wird keine Perspektive auf einen Ausbildungsplatz eröffnet.
5. Es gibt keine große Schulreform.
Die geplante Einführung der 6-jährigen Grundschule wird als Einstieg in die Schule für alle angepriesen. Das bezweifelt DIE LINKE. Es droht eine soziale Auslese bereits mit der Einschulung, möglicherweise schon mit der Vorschule. Auch weil die materiellen Mittel nicht bereitgestellt werden, droht der Kompromiss zu einem Chaos zu führen.
Die ganze Diskussion überdeckt, dass es auch für die GAL auf einmal unstrittig ist, ab Klasse 7 das Zwei-Säulen-Modell einzuführen.
Die Maßnahmen für die Schule und die Hochschule können folgendermaßen zusammenfasst werden: Es ist vielleicht besser als das, was bisher praktiziert wird, aber es ist ein Schritt in die falsche Richtung. Eine gebührenfreie Bildung rückt in weite Ferne und das gegliederte Schulsystem wird manifestiert.
6. Ein Kohlekraftwerk ist in Moorburg nach wie vor möglich.
Veränderung ist eine Frage des politischen Willens. Darauf verzichten die beiden Parteien im Vertrag an diesem Punkt ausdrücklich. Mit dem Verlagern der Entscheidung auf die Fachbehörde, die nach rechtlichen Gesichtspunkten erfolgt, bleibt der Betrieb eines Kohlekraftwerks ausdrücklich möglich.
Das ist die eigentliche Niederlage der GAL.
7. Umweltpolitik
Die Ankündigung, das Klimaschutzprogramm der CDU verbindlicher zu machen, die kleine Stadtbahn, der Ausbau der Fahrradwege, Umweltzonen und die ökologischen Fonds werden den angestrebten Rückgang von 40% der CO2-Emission glatt verfehlen, wenn in Moorburg das Kraftwerk mit Steinkohle betrieben wird.
8. Privatisierung
Die Botschaft, dass die SAGA und das UKE nicht privatisiert werden sollen, kann nicht darüber hinweg täuschen, dass es ansonsten keine Haltelinien für Privatisierungen geben wird. Besorgniserregend ist auch die Vielzahl von Projekten, die in Public Private Partnership (PPP) finanziert werden sollen.
9. Demokratisierung
Die Verbindlichkeit von Volksentscheiden wird zwar angekündigt, aber die Bedingungen nicht genannt.
Die unverbindlichen Aussagen zu Demonstrationsrecht und Mitbestimmungsrechten legen nahe, dass es auch dort keine wesentlichen Änderungen geben wird.
Die gleichberechtigte Teilhabe der Frauen in dieser Stadt wurde verpasst.
10. Migration, Flüchtlinge, Illegalisierte
Die Situation der Flüchtlinge wird sich kaum verbessern. Die Verlängerung des Abschiebestopps für afghanische Familien lässt diese weiterhin im Ungewissen. Die Abschiebepraxis für andere Flüchtlinge dauert an, wie es die Abschiebung der armenischen Familie in den letzten Tagen zeigt. Die Situation der Illegalisierten wird lediglich geprüft. Das Recht ihrer Kinder auf Schulbesuch muss entsprechend der Kinderrechtskonvention der UNO sofort gewährleistet werden.
Schritte in Richtung einer Integration, die auf gleichberechtigte Teilhabe aller gründet, sind nicht zu erkennen.
Politikwechsel sieht anders aus.
Die soziale Spaltung der Stadt Hamburg wird unter Schwarzgrün weiter verschärft.
DIE LINKE. wird in der Opposition mit den außerparlamentarischen Bewegungen für eine soziale und solidarische Stadt streiten.
Wenn man mal versucht, die Oppositionspolemik für bare Münze zu nehmen: Wieso wird die soziale Spaltung denn VERSCHÄRFT, wenn es einige (in Augen der Linken meinetwegen nicht weit genug gehende) Verbesserungen wie das Sozialticket und die Nachverlagerung der Studiengebühren gibt. Wo wird es denn schlechter als bisher?
Und die Behauptung, die Regelungen seien „alle“ soll-Vereinbarungen stimmt auch bei häufiger Wiederholung nicht. Die Veränderung bei den Studiengebühren, die Einführung der Primarschule, die Wissenschaftsstiftung, die Stadtbahn, das Sozialticket, die Ausgleichsmaßnahmen für die Elbe, Kita ab 2 Jahren u.v.m. sind alles GAL-Essentials, die ohne soll und ohne „Prüfung“ drin stehen.
Konsequent!
Für mich ist das „Ergebnis“ der Koalitionsverhandlungen ein Hohn – angesichts der Wahlversprechen und – aussagen von GAL vor der Wahl.
Ökologisch und bildungspolitisch ist es eine Bankrotterklärung und Sozialpolitik findet so gut wie gar nicht statt.
Ich fühle mich als Wähler gelinde gesagt von GAL ver… und werde zukünftig mein Kreuz sicherlich nicht mehr bei Grün setzten.
Die Grünen sind insgesamt auf dem Weg von einer einstmals ernstzunehmenden Friedens- und Ökologiepartei zum neoliberalen Mehrheitsbeschaffer ein gewaltiges Stück vorangekommen. Posten sind wichtiger als Positionen.
Das ihnen auf diesem Weg Mitglieder – die erklärtermaßen gegen Beust und die CDU- Politik und gegen Studiengebühren, Kohlekraftwerk, Elbvertiefung, für Sozialticket etc. aktiv Wahlkampf betrieben haben – und im Koalitionsvertrag (so wie ich auch) so gut wie garnichts von grünen Essentials und Wahlaussagen umgesetzt sehen, abhanden gehen ist seitens Schultz und Hiemer konsequent, nachvollziehbar und vor allem ehrlich!