Große Ketten brauchen Leitplanken für faires Verhalten
Einzelhandelsketten und Online-Anbieter steigen immer öfter aus Tarifverträgen aus, um durch sinkende Personalkosten aufgrund von Dumpinglöhnen ihre Wettbewerbsposition zu verbessern. Scharfe Kritik daran kommt vom DGB Nord.
„Tarifflucht und Löhne drücken – das ist für viele Arbeitgeber leider immer noch die Trendsportart. Wenn gerade bekannte Marken für Lohndumping und Ausbeutung stehen, wird ein fatales Signal an die Gesellschaft gesendet. Hier muss dringend eine neue Ordnung der Arbeitswelt her. „Mit diesen Worten hat Uwe Polkaehn, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes Nord (DGB Nord), das Verhalten von Karstadt, Edeka, Amazon und weiteren Unternehmen gerügt.
Der Anteil der Firmen, die ihre Beschäftigten nach Tarif entlohnen, hat sich nach Informationen des DGB Nord seit den 90er Jahren deutlich verringert. Er beträgt in den alten Bundesländern derzeit rund 34 Prozent, in den neuen Bundesländern nur 21 Prozent. In Westdeutschland arbeiten damit 61 Prozent aller Beschäftigten in einem Unternehmen mit Tarifbindung, in Ostdeutschland nur 49 Prozent. Beschäftigte mit Tarifvertrag verdienen laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung im Durchschnitt etwa 660 Euro mehr als Arbeitnehmer, deren Gehalt nicht von einer Gewerkschaft ausgehandelt wurde.
Jüngst war bekannt geworden, dass die Karstadt-Kette mit Billigung des Arbeitgeberverbandes eine zweijährige „Tarifpause“ gegen die Beschäftigten durchsetzen will: „Das ist Diebstahl aus der Lohntüte“, so Polkaehn. Die Mitarbeiter hätten ihrem Unternehmen seit 2004 über Lohnverzicht schon mehr als 650 Millionen Euro geschenkt. Bei den selbständigen Einzelhändlern der Marke „Edeka“ wird vielfach nicht mehr als 6,60 Euro pro Stunde gezahlt – Beschäftigte müssen zum Sozialamt gehen, um aufstockende Sozialleistungen zu beantragen.
In allen deutschen Amazon-Standorten gibt es überhaupt noch keine Tarifbindung, auch Betriebsräte werden dort erst nach und nach gewählt, und viele Beschäftigte müssen wegen einer befristeten Anstellung immer wieder die Arbeitslosigkeit fürchten. Die neuen Gesellschafter der Fastfoodkette „Burger King“ setzten die Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte außer Kraft und teilten mit, dass alle Betriebsvereinbarungen gekündigt werden.
Polkaehn forderte die Kunden auf, von den Firmenleitungen gute Arbeitsbedingungen, faire Löhne und anständiges Steuerzahlen einzufordern: „Eigentum verpflichtet. Die deutsche Wirtschaft ist zum Erfolgsmodell geworden, weil hier über Jahrzehnte mit Schutzrechten und einem Tarifvertragssystem auch für die Arbeitnehmer gesorgt wurde. Wer das Soziale in der Marktwirtschaft eliminiert und nur noch an der Rendite schraubt, gefährdet den Zusammenhalt und den Wohlstand der gesamten Gesellschaft.“
Mittel aus der staatlichen Wirtschaftsförderung müssten konsequent an überprüfbare Zusagen der Unternehmen gekoppelt werden, ihren Beschäftigten faire, tariflich abgesicherte Bedingungen zu bieten, so der DGB Nord.