ver.di hat sich in der Selbstverwaltung der Unfallkasse NRW und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) dafür eingesetzt, in einem Forschungsprojekt der Unfallversicherung die Gesundheit der 90.000 Erzieherinnen in den mehr als 9.000 Kindertagesstätten in Nordrhein‐Westfalen untersuchen zu lassen.
Die repräsentativen und auch auf andere Bundesländer übertragbaren Ergebnisse des Forschungsprojektes „STEGE – Struk‐turqualität und Erzieherinnen in Kindertageseinrichtungen“ liegen jetzt vor. Danach weisen zum einen Erzieherinnen häufiger dauerhafte gesundheitliche Einschränkungen auf als Frauen aus anderen Berufen und zum anderen führen schlechte Rahmenbedingungen in den Kitas zu einer schlechteren Gesundheit der Beschäftigten und damit zu einer geringeren Arbeitsfähigkeit.
Eine repräsentative Befragung von fast 2.000 pädagogischen Fachkräften und fast 800 Leitungskräften aus mehr als 800 Einrichtungen durch die Alice‐Salomon‐Hochschule Berlin dokumentierte Muskel‐Skelett‐Erkrankungen, Erkrankungen der Atemwege, neurologische Erkrankungen sowie psychische Beeinträchtigungen als häufigste Erkrankungen. In der Untersuchung heißt es: „Bei jeder zehnten der pädagogischen Fach‐ und Leitungskräfte wurde innerhalb der letzten 12 Monate ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom, also ein Burnout, ärztlich diagnostiziert“.
Vergleicht man Erzieherinnen mit Frauen gleichen Alters und gleicher Bildung in der deutschen Bevölkerung, weisen pädagogische Fach‐ und Leitungskräfte in NRW in allen drei Altersgruppen häufiger dauerhafte gesundheitliche Einschränkungen auf:
Frauen in Deutschland Erzieherinnen
18 bis 29 Jahre 11,6 % 17,9 %
30 bis 44 Jahre 18,4 % 27,4 %
45 bis 64 Jahre 34,3 % 40,2 %
Die Studie bewertet einen guten Personalschlüssel als wichtige Ressource für die pädagogische Arbeit. Die vorgegebenen Werte werden jedoch infolge von krankheits‐, urlaubs‐ oder fortbildungsbedingten Personalausfällen nur in Ausnahmefällen erreicht. Die Folge ist chronischer Zeitdruck: Wenig Zeit für unmittelbare pädagogische Arbeit mit den Kindern, unterbleibende Pausen, häufige Überstunden. Das hängt mit den steigenden Arbeitsbelastungen und beruflichen Anforderungen zusammen.
Belastungsfaktoren bestehen u. a. in der geringen Bezahlung, fehlenden Aufstiegschancen, Lärm, zu kleinen Räumen, einer schlechten Bausubstanz sowie einer unzureichenden Ausstattung, vor allem mit Möbeln. Nicht selten „fehlen Tische für das Personal, erwachsenengerechte große Stühle oder auch ausreichend Arbeitsmaterialien“, heißt es in der STEGE‐Studie. In manchen Kindertageseinrichtungen gibt es zudem kaum Rückzugsmöglichkeiten für Pausen. Die strukturellen Rahmenbedingungen der Fach‐ und Leitungskräfte stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrem subjektiven Gesundheitsempfinden. Das Risiko einer Erzieherin, chronisch zu erkranken, ist der Studie zufolge unter schlechten Rahmenbedingungen um das 2,3‐fache gegenüber guten Rahmenbedingungen erhöht.
Die Studie zeigt somit, dass das betriebliche Gesundheitsmanagement in den Kitas intensiviert werden muss. Die gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung ist hierfür die Grundlage. Dabei muss es vor allem um bessere Rahmenbedingungen im Sinne der Verhältnisprävention gehen. Weniger Belastungen tun den Erzieherinnen gut, sie helfen aber auch, die Lebensqualität der Kinder zu erhöhen und den gesellschaftlichen Erwartungen an Bildung, Erziehung und Betreuung besser zu entsprechen.