Stellungnahme der GEW zum Schulgesetz

Die Schulbehörde plant verschiedene, teils weitreichenden Änderungsvorhaben am Hamburger Schulgesetz. Die GEW nimmt wie folgt Stellung.

Integration von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund (§ 28 b und § 45 Abs. 4

Die Behörde schafft hier – erstens – die Rechtsgrundlage für die bereits bestehenden Internationalen Vorbereitungsklassen (IVK). Die GEW begrüßt dies, sieht jedoch die Gefahr, dass ein dritter Schulstrang „MigrantInnenschule“ entstehen könnte. Daher fordert die GEW, dass für jedeN SchülerIn, die/der in eine IVK kommt, ein Platz in einer Regelklasse freigehalten wird. Dies bedeutet eine Absenkung der Basisfrequenzen in den Jahrgängen 9 und 10 an den Schulen, an denen es IVKen gibt. Darüber hinaus sollte das System der Basis-/IV-Klassen weiterentwickelt werden. Perspektivisch könnten die IVKen abgelöst werden durch eine Art offenes DAZ – Sprachförderzentrum an der Schule, von dem aus die SchülerInnen sukzessive immer mehr aus ihren Deutschlerngruppen in ihre Regelstammklasse hinüberwechseln.

Zweitens beschränkt die Behörde die freie Schulwahl für Flüchtlinge in öffentlicher Unterbringung mit dem Ziel, die schulpflichtigen Flüchtlinge gleichmäßig auf die Schulen der Stadt verteilen zu können. Einerseits begrüßt die GEW diese Regelung, da sie eine gleichmäßige Verteilung auf alle Stadtteile sowie eine gleichmäßige Verteilung auf alle Schulen, auch die Gymnasien, fordert. Andererseits bedarf diese Einschränkung des Elternwillens klarer Regelungen und transparenter Verfahren.

Drittens sollen in Zukunft die Kompetenzen von zugewanderten Jugendlichen stärker berücksichtigt werden. Dies begrüßt die GEW ausdrücklich und fordert, höhere Bildungsabschlüsse auch für schulische Quereinsteiger aus anderen Kulturen zu ermöglichen. Hierfür ist es nötig, die Voraussetzungen zu verändern, diese Möglichkeit offensiv bekannt zu machen sowie, PrüferInnen für Sprachfeststellungsprüfungen in Farsi oder Arabisch für diese Tätigkeit ausreichend freizustellen.

Erweiterte Zulassungsbeschränkungen (§ 43)

Eine Zulassungsbeschränkung ist der falsche Weg – vielmehr sollten die Kapazitäten der betroffenen Schulformen, insbesondere des zweiten Bil­dungsweges, zügig ausgebaut werden. Integration betrifft auch die Chance, nach Ende der regulären Schulzeit weitere Bildungsabschlüsse zu erreichen.

Einschränkung der Möglichkeit zur Wiederholung (§ 45 Abs. 2)

Mit der Schulstrukturreform wurde das Wiederholen abgeschafft. Dass trotzdem nach Kenntnis der GEW kein einziger Antrag auf Wiederholung abgelehnt wurde, war daher ein unhaltbarer Zustand. Die GEW begrüßt, dass die Behörde ihr eigenes Schulstrukturmodell nun ernster nimmt. Sie weist aber erneut mit Nachdruck darauf hin, dass dies nur die Symptome behandelt und die Ursachen ungelöst lässt, die in den inneren Widersprüchen des Zwei-Säulen-Modells bestehen.

Sammlung und Auswertung von Daten – Vertrauensstelle (§ 98 a)

In einem neuen und langen Paragraphen will die Behörde die Daten, die im Rahmen des Schulbetriebes von ihr erhoben werden, für anonymisierte statistische Auswertungen verfügbar machen. Dazu soll eine Vertrauensstelle gegründet werden, die die Anonymisierung sicherstellt. Die GEW meint: Zwar ist es gut, für zuverlässige Anonymisierung zu sorgen. Doch die Hoffnung, mit der Verknüpfung der vielen gesammelten Daten die Schulentwicklung zu neuen Höhenflügen zu führen, ist trügerisch. Denn solche Kennzahlen können die Wirklichkeit an Schulen nur ansatzweise erfassen – dazu sind die Abläufe in unserem immer noch sozialen Berufsfeld zu komplex. Wir befürchten daher, dass die neue Vertrauensstelle nur die schöne Vorderseite eines zukünftigen großen kennzahlenbasierten Controllings sein wird. Dass Schulqualität ganz wesentlich mit guten Arbeitsbedingungen des Personals zu tun hat – oder dass man die Beschäftigten als gleichberechtigte und kompetente Mitgestaltende sehen kann, gerät damit völlig aus dem Blick. Genau hier besteht aber massiver Handlungsbedarf.

Dass eine Stelle eingerichtet wird, die für eine zuverlässige Anonymisierung hamburg­weit erhobener Schülerleistungsdaten sorgt, wird von der GEW begrüßt. Es stellt sich frei­lich die Frage, ob dies in einer behördeninternen Vertrauensstelle möglich ist. Grund für die Ein­richtung der Vertrauensstelle ist die erheblich gestiegene Erhebung schülerbezogener Leistungsda­ten unter dem Deckmantel der Schulentwicklung. Die GEW wiederholt daher an dieser Stelle ihre grundsätzliche Kritik am Orientierungsrahmen Schulqualität: Kennzahlen schaffen nur eine scheinbare Objektivität und sind im schulischen Kontext manipulier­bar. Sie schaffen ferner ein Klima der Konkurrenz und der Angst vor Bloßstellung. Sie werden zu­letzt der Komplexität pädagogischer Vorgänge kaum gerecht. Die GEW fordert daher dazu auf, weniger Kennzahlen zu erheben und stattdessen die Lehrkräfte über Mitbeteiligungsrechte stärker in einen gemeinsamen Prozess der Schulentwicklung einzubeziehen. Dies braucht auch Zeit und Arbeitsressource.

Computernutzung an Schulen (§ 98 b)

In einem weiteren langen und neuen Paragraphen schafft die Behörde die Möglichkeit, SchülerInnen zur Nutzung digitaler Medien verpflichten zu können. Im Hintergrund steht die Entwicklung eines eigenen Schulportals („Eduport“), mit dem pädagogisch angeleitete Mediennutzung und -erziehung stattfinden soll. Das ist eigentlich positiv. Doch steckt der Teufel im Detail. Schon jetzt fehlt an vielen Schulen das Personal, um die Geräte und Programme zu warten. Dies wird sich mit steigender Wichtigkeit der IT-Nutzung durch SchülerInnen massiv verschärfen, und es sind zusätzliche Ressourcen nötig. Erwähnt seien Kosten für Software (open source?), die Sicherheitsprüfung der Hardware sowie Schulserver.

Technische Entwicklungen im Klassenzimmer werfen für Beschäftigte und politisch Verantwortliche im Bildungswesen darüber hinaus eine Reihe von Fragen auf: Welchen Einfluss werden Anbieter von Inhalten, Hard- und Software auf die Lehre an den Schulen haben? Wer entscheidet, mit welcher Technologie, welchen Anbietern bzw. mit welchen Softwareprodukten Unterricht gestaltet wird? Wer setzt Standards für Qualität, weltanschauliche Neutralität und Datenschutz? Neben Kompatibilitätsfragen und Fragen zur Veränderbarkeit von Inhalten durch die Lehrkräfte stehen die Befürchtungen, dass zunehmend mehr tendenziöse Inhalte von Interessengruppen und Unternehmen zur Verfügung gestellt werden könnten. Weil so vieles noch im Unklaren ist, müssen dringend Ausführungsbestimmungen her, wie z. B. eine Richtlinie zur Verwendung von Privatgeräten im schulischen Kontext oder Empfehlungen zu sozialverträglichen Softwareempfehlungen. Außerdem müssen für Beschäftigte und Schülerinnen und Schüler ausreichend Geräte zur Verfügung gestellt werden bzw. die Kosten für die entsprechenden Geräte übernommen werden.

Als GEW halten wir fest: Wenn IT an Schulen verankert wird, kann dies unabhängig von monopolartigen Software-Anbietern wie Microsoft oder Apple geschehen. Als Betriebssystem ist Linux einsetzbar, sowie weitere Open-Source-Software.

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