Die Führungsriege der SPD-Hamburg schweigt sich in der aktuellen Führungskrise gegenüber ihren Mitgliedern und der Öffentlichkeit aus. Das hat Tradition, wirkt hilflos, sorgt für Verärgerung und öffnet Spekulationen Tür und Tor. HH-heute-Leserin Anke Disse* mit einem Gastkommentar hier zum
(Von Anke Disse*)
Es war eine jener Blitzkarrieren, die selten die Richtigen an die Spitze spülen. Erst kurze Zeit Parteimitglied, wurde Wochenblatt-Redakteur Ties Rabe vom selbst glücklos agierenden Interims-Parteichef Olaf Scholz als Nachfolger des erfahrenen Polit-Schwergewichts Werner Loewe in den Chefsessel im zweiten Stock des Kurt-Schumacher-Hauses gehievt.
Rabe nahm den Job unerschrocken an, schien er doch gerade passend als Zwischenstation für das eigentliche Ziel des Newcomers. Der nämlich, so wird berichtet, wollte im Jahr 2006 bei den Bundestagswahlen den dann immerhin 70jährigen Uli Klose beerben und ins Berliner Parlament einziehen.
Gerhard Schröder und Uli Klose gemeinsam begruben diesen Lebenstraum vorerst: Schröder rief ein Jahr zu früh die Neuwahl aus, Klose trat – etwas unerwartet – selbst noch einmal an. Pech für Rabe – mindestens noch drei Jahre muss er nun warten.
Der versuchte sich derweil als Landesgeschäftsführer der Hamburger SPD. Selbst ohne einschlägige Erfahrung, sah er sich alsbald einem neuen Landesvorsitzenden Mathias Petersen zur Seite gestellt, der nicht nur ähnlich unerfahren im neuen Amt war, sondern auch noch einen geschäftsführenden Landesvorstand zur Seite hatte, der zuvor vergeblich versucht hatte, Petersens Wahl zu verhindern.
Es kam, was kommen musste: Der neue Landesvorsitzende agierte lange Zeit plan- und hilflos, der Landesgeschäftsführer half ihm nicht. Dabei wäre es unfair, Rabe zu unterstellen, er habe es nicht gewollt: Er dürfte es nicht gekonnt haben. Der sicher vorhandene Sachverstand der einstigen Hamburger Staatspartei blieb ihm versagt. So wurstelte er – misstrauisch – vor sich hin und schloss schließlich selbst langjährige Mitarbeiterinnen von wichtigen Aufgaben aus.
Die derzeit desolate finanzielle Situation der Hamburger SPD, sagen Insider, ist unter anderem Rabes unbekümmerten Alleingängen zu verdanken. Aber nicht nur – auch verschiedenen finanziellen Eskapaden im letzten Bürgerschaftswahlkampf, an denen neben Rabe auch der damalige Spitzenkandidat Mirow, Wahlbüroleiter Neumann und Schatzmeister Kuhbier beteiligt waren.
Der schlechten Kassenlage wiederum sind schmerzhafte personelle Einschränkungen geschuldet, die die Kampagnefähigkeit des hauptamtlichen Apparats weiter geschwächt haben. Keine guten Voraussetzungen, unter denen Petersen jetzt in den Wahlkampf gegen den überaus populären Beust antreten soll!
Zwar hatte ihn im Frühjahr die Funktionärsriege noch gegen Altbürgermeister Voscherau gestützt, weil sie dessen Wehnersche Zuchtmeister-Qualitäten fürchtete. Petersen wertete dies als Sieg – und merkte nicht, dass er nur einen mittelmäßigen Lückenbüßer geben sollte. „Wer sonst? Wir haben doch keinen anderen!“ war das wichtigste „Argument“ für seine bravouröse Wiederwahl zum Landesvorsitzende und seine De-facto-Nominierung zum Spitzenkandidaten für die Bürgerschaftswahl 2008.
Aber wer dachte, Petersen würde nur den „Grüßaugust“ geben und sang- und klanglos untergehen, hat sich in dem praktischen Arzt aus Othmarschen getäuscht. Der nahm die Herausforderung an und will jetzt, 18 Monate vor der nächsten Wahl, seien Wahlkampf beginnen.
Dabei wurde er nun bitter enttäuscht. Dies hinzunehmen, wäre der Anfang von Petersens Ende gewesen. Noch einmal setzte er sich in der vergangenen Woche durch. Aber – und auch das ist Petersen: Statt nun reinen Tisch zu machen, statt nun Rösser und Reiter zu nennen und statt mit einem Befreiungsschlag (wie einst Beust gegen Schill) auch in der Öffentlichkeit einen großen Schritt nach vorn zu machen, tauchte er ab, nahm am Sonnabend nicht einmal lange verabredete öffentliche Termine wahr.
Hamburgs SPD ist so kaum zu helfen. Vielleicht sollte Petersen jetzt das Gespräch mit Henning Voscherau suchen – immerhin war der einst sein gewichtigster Förderer. Wenn die beiden einen Weg fänden, zusammenzuarbeiten – vielleicht der eine als Parteivorsitzender, der andere als Spitzenkandidat – gäbe es vielleicht eine Chance für die Partei.
Wenn nicht, bleibt die Hamburger SPD noch auf Jahre der zur Zeit agierenden mittelmäßigen Führungsriege ausgliefert. Wie sagte schon Bundesvorsitzender Kurt Beck jüngst bei seinem Besuch in der Hansestadt auf die Frage, was der SPD nach vorne helfen könne: „Neue Menschen und bessere Ideen.“
* Anke Disse ist seit vielen Jahren an verschiedenen Stellen in der Hamburger SPD aktiv. Sie will dies auch bleiben – und schreibt deshalb unter diesem Pseudonym.
Das Ties Rabe weg ist kann die Hamburger SPD gut, sehr gut verkraften. Aber die Art und Weise gefällt mir nicht. Das zeugt ein wenig vom Unvermögen Petersens…
Man muss schon Ross und Reiter nennen. Seit Grambow nicht mehr verantwortlich war, ging es mit den Finanzen bergab. Und zur Scholz-Zeit wurde die gesamte Struktur so richtig in die Grütze gefahren. D e n hätte man entlassen sollen…..
Am schlimmsten finde ich, dass die SPD selbst sich völlig tot stellt. Auf der Homepage liest man seit Tagen, dass Mathias Petersen gegen Abschiebungen nach Afghanistan ist. Dass bin ich auch – aber jetzt will ich doch wissen, was da im Kuschu Sache ist, oder?
Ein Stück wie aus dem Intrigantenstadl. Leider kein sehr hohes Niveau. Dilettantische Regie. Immer wieder schön zu beobachten, wie man sich mit undurchschaubaren Personalquerelen zum Gespött von Mitgliedern und Öffentlichkeit machen kann.
Petersen hat sich zum wiederholten Male als politisch unklug dargestellt: Anstatt eine wichtige Personalie vorher mit dem Betroffenen zu klären, um dann mit einem Nachfolger in der Öffentlichkeit aufzuwarten, gibt er den orientierungslosen Paranoiker. Damit schadet er nicht nur der öffentlichen Wahrnehmung seiner Partei, er zerschlägt geradezu die Bereitschaft in den Gliederungen für ihn in den Wahlkampf zu ziehen. Die Bürgerschaftswahl 2008 wurde so schon im Spätsommer 2006 verloren.
Petersen hat sich zum wiederholten Male als politisch Unklug erwiesen: Anstatt eine wichtige Personalie im Vorfeld mit dem Betroffenen zu klären, um dann mit einem Nachfolger in der Öffentlichkeit aufzuwarten, gibt Petersen den orientierungslosen Paranoiker.
Damit hat er nicht nur die öffentliche Wahrnehmung seiner Partei beschädigt, er zerschlägt vor allem auch die Bereitschaft in den Gliederungen für ihn in den Wahlkampf zu ziehen. Die Bürgerschaftswahl 2008 ist somit schon im Spätsommer 2006 verloren gegangen.