SPD warnt vor Selbstzufriedenheit

Ein Jahr nach der Verkündung des Senatsprogramms gegen die soziale Spaltung in den Stadtteilen haben die SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Carola Veit und Dirk Kienscherf Senat und CDU vor „demonstrativer Selbstzufriedenheit“ gewarnt.

Der ehemalige Finanzsenator Peiner habe eingesehen, dass sein Leitbild der Wachsenden Stadt auf soziale Aspekte nicht ausreichend eingegangen sei. „Die Änderung der Marke in ,lebenswerte Stadt´ und ein vergleichsweise undurchsichtiges Sofortprogramm ändern an der grundsätzlichen Misere nichts: dem zunehmenden Auseinanderdriften ganzer Stadtteile“, sagte Kienscherf. Veit sagte, dem Senat fehle zu einem echten Umsteuern in der Sozialpolitik entweder die Einsicht oder der Mut – „oder beides“.

Zwar seien in einigen Problemvierteln die ersten Grundschulklassen kleiner geworden – „gleichzeitig hat der Beust-Senat in den Kitas das Personal um rund elf Prozent gekürzt und die Gruppen auf bis zu 25 Kinder vergrößert. Es fehlen dort mindestens 500 pädagogische Vollzeitstellen“, sagte Veit, SPD-Fachsprecherin für Familienpolitik. Die Versorgung mit Krippen und Kita-Plätzen sei ausgerechnet in den Stadtteilen mit großen sozialen Problemen weit unter dem Durchschnitt. Die CDU habe ferner die Ganztags-Kita-Plätze in sozial benachteiligten Gebieten um 30 Prozent reduziert. „Das sind die Bereiche, in denen frühe Förderung besonders wichtig ist. Sozialsenatorin Schnieber-Jastram hat hier genau das Falsche gemacht.“

Mit der Einführung von neuen Kita-Gebühren, von Gebühren für Vorschule, Schulbücher und Studium habe der Beust-Senat darüber hinaus Bildung noch mehr vom Einkommen der Eltern abhängig gemacht. „Das leistet der sozialen Spaltung der Stadt Vorschub. Da hilft kein Sofortprogramm. Und das weiß der Senat“, sagte Veit. Der Senat unter Bürgermeister von Beust habe Probleme verstärkt, um die er sich zunächst jahrelang nicht gekümmert hat. Heute sieht er seine Fehlentscheidungen zumindest ein – aber er bekämpft sie nicht mit der Konsequenz, die nötig ist.“

Veit betonte, allein die Einführung der Mittagessen-Gebühr in den Kitas spüle jährlich sieben Millionen Euro in die Kassen. „Sich nun damit zu brüsten, 1,7 Millionen für Eltern-Kind-Zentren auszugeben, die sich an drei Tagen in der Woche mit insgesamt 19 Personalwochenstunden um die sozial schwächeren Eltern und ihre Kinder eines Stadtteils kümmern, ist Augenwischerei.“

Der Senat habe mit seinem Stadtteilprogramm immerhin eingestanden, dass die soziale Spaltung der Stadt zunimmt, sagte der SPD-Sozialexperte Dirk Kienscherf. Doch noch immer fehle auf der Senatsseite die Bereitschaft, sich offensiv mit dem Thema zu beschäftigen. So wurde mit Amtsübernahme von Sozialsenatorin Schnieber-Jastram die Armutsberichterstattung abgeschafft. Die Folge: Aussagefähige Daten liegen nicht mehr vor. „Wie sich die konkrete Lebenssituation von Senioren, Kindern und Familien in einzelnen Stadtteilen darstellt, darüber gibt es keine Daten“, bedauerte Kienscherf. Die Sozialsenatorin habe ihre Politik lange „im Blindflug und ohne Steuerung“ gemacht, wie die Behörde mittlerweile einräumen musste. Die nun angekündigten Lebenslagenberichte ließen weiter auf sich warten. Der Familienbericht sei fast ausschließlich Polit-Rhetorik. „Ohne eine detaillierte Situationsanalyse kann es keine zielgerichtete Sozialpolitik geben“, sagte Kienscherf.

Das sogenannte Integrationskonzept habe sich als Rohrkrepierer entpuppt. Mit viel Aufwand und noch mehr Öffentlichkeitsarbeit sei ein Bündel von Maßnahmen verfasst worden, deren Finanzierung und Umsetzung noch völlig offen sei.

Auch beim Thema Pflege lasse sich der Senat – trotz der vielen Handlungsansätze – nicht zu größerem Engagement verleiten. „Die von der SPD geforderte Einbeziehung von Heimbewohnern und Angehörigen bei der Bewertung von Pflegeeinrichtungen wurde ebenso abgelehnt wie eine Veröffentlichung von Prüfergebnissen. Mehr Qualität durch mehr Transparenz, das soll in der Pflege offenbar nicht gelten“, kritisierte Kienscherf. Verkauf der städtischen Pflegezentren und Ausstieg aus der Investitionsförderung würden sich mittel- und langfristig auf Qualität und Bezahlbarkeit von Pflege in Hamburg auswirken.

Defizite macht die SPD auch beim Abbau von Barrieren im Öffentlichen Personennahverkehr aus. Durch die Kürzung der Haushaltsmittel sei der Ausbau eines barrierefreien Nahverkehrs erlahmt. „Erst nach 2040 werden Hamburgs Schnellbahnen barrierefrei sein“, sagte Kienscherf.

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