Senat organisiert den Stillstand in der Pflege

Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hat dem Senat vorgeworfen, für den Stillstand in der Pflege in Hamburg mitverantwortlich zu sein. Zuvor hatte der Sozialausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft Experten der Kranken- und Pflegekassen, der Betreiber von Pflegeheimen und Vertretern des Landesseniorenbeirats zum Gesetz „Deregulierung des Hamburgischen Landespflegegesetz“ gehört.

Die Expertinnen und Experten wiesen auf eklatante Probleme im Bereich der notwendigen Modernisierung eines erheblichen Teils Hamburger Pflegeheime und den daraus entstehenden Investitionskosten hin. Der Senat blockiere aber und trage „einen gehörige Mitschuld daran, dass im Pflegebereich Stillstand herrscht, obwohl die demographische Entwicklung zu viel Bewegung zwingt“, wie SPD-Sozialexperte Dirk Kienscherf am Freitag sagte.

So sieht die Landespflegegesetzdurchführungsverordnung (LPGVO) vor, dass die Abschreibung von Pflegeheimen auf 50 Jahre festgeschrieben werden soll. Das würde Pflegeheime massiv darin behindern, früher notwendige Modernisierungen durchzuführen (z. B. neue Wohnkonzepte). „Wer kann heute sagen, wie Pflegeheime in 30 oder 40 oder sogar 50 Jahren aussehen müssen, um dem dann geltenden Standard zu entsprechen?“, fragt Kienscherf.

Solche Zeiträume zur Refinanzierung von Pflegeheimen mögen im letzten Jahrhundert machbar gewesen sein. Dem Tempo der heutigen Entwicklung sind sie nicht angemessen, sagte Kienscherf. Der Senat müsse den Pflegeheimbetreibern in dieser Frage entgegenkommen. Als Orientierungsgröße kämen die Anschreibungszeiten von 25 bis 30 Jahren in Frage, wie sie im Bereich Public Private Partnership (PPP) üblich sind. Auch die Abschreibung der technischen Anlagen muss auf realistisch 15 Jahre begrenzt werden.

Pikanterweise lag die Durchführungsverordnung, aus der eine Reihe kritischer Sachverhalte hervorgeht, dem Sozialausschuss nicht vor. Nur das Gesetz zur „Deregulierung des Hamburgischen Landespflegegesetz“ selbst war in den Sozialausschuss überwiesen worden, nicht aber die dazugehörige LPGVO. „Damit hat der Senat eine gründliche Vorbereitung der Abgeordneten und Beratung im Sozialausschuss verhindert. Er trägt einen gehörige Mitschuld daran, dass im Pflegebereich Stillstand herrscht, obwohl die demographische Entwicklung zu viel Bewegung zwingt.“

Folgende kritische Punkte wurden diskutiert:

– Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass es trotz mehrjähriger Beratung im Landespflegeausschuss, der Senat nicht in der Lage war, Modellrechnungen vorzulegen, die nachvollziehen, welche Kosten eine Absenkung der Abschreibungszeiten von Pflegeheimen auf 40 oder 30 Jahre entstehen würden. Der Senat muss hier nacharbeiten!

– Auch die Absenkung der Verzinsung des Eigenkapitals von 4 % auf nur noch 3 % ist bei Zinserträgen von 6 % bis 7 % am freien Kapitalmark wirtschaftlicher Unsinn, es bestraft Pflegeheimträger, die eigenes Kapital zur Modernisierung einbringen. Die bisherige Verzinsung des Eigenkapitals von 4 % sollte beibehalten werden.

Allein dies wird zu einem Rückgang der Investitionen und damit zu einem massiven Investitionsstau der Hamburger Pflegeheime führen. Viele Pflegeheime aus den 70er Jahren müssten bereits dringend modernisiert werden.

Folgende weitere Probleme wurden benannt:

– Der vollständige Ausstieg Hamburgs aus der „Objektförderung“ verschärft den Stillstand und damit Entwicklungsrückfall der Pflegeheime.

– Die ohnehin langsame Ausweitung von Einzelzimmern durch Umbau und Ausbau wird nicht weiter kommen. Aktuell liegt die Einzelzimmerquote bei 54%. Wer möchte schon seine eigene Wohnung verlassen, um im Pflegeheim in ein Doppel- oder Mehrbettzimmer zu beziehen, auch wenn die ambulante Pflege tatsächlich nicht mehr ausreicht? Selbst Strafgefangene haben mittlerweile grundsätzlich das Recht auf ein Einzelzimmer. Auch hier fehlen Modellrechnungen, wie der Ausbau finanziert werden kann, ohne die Kosten in die Höhe und damit alte Menschen in die Sozialhilfe zu treiben.

– Es gibt keine Mindeststandards, die beschreiben, wie ein Platz im Altenheim gestaltet sein muss, wenn die Eigenmittel nicht mehr ausreichen, um ihn zu bezahlen.

– Die geforderte Erhöhung der Auslastung von Pflegeheimen von 96% auf 98 % geht an der Realität vorbei. Glücklicherweise kann er Eintritt ins Pflegeheim durch die ambulante Pflege immer öfter bis ins sehr hohe Alter vermieden werden. Die Konsequenz ist aber, dass das Durchschnittsalter deutlich gestiegen ist und ein höherer Anteil der Bewohner im Pflegeheim verstirbt. Der Tod ist nicht planbar und damit kann die Zimmervergabe nicht punktgenau am nächsten Tag erfolgen, es sein denn man zwingt die Pflegeheime zur Überbelegung ihrer Zimmer.

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