Angeblich sollte die WM zusätzliche Arbeitsplätze auch in Hamburg schaffen. Die Stadtreinigung findet das unnötig und lässt die Straßen von Ein-Euro-Praktikanten fegen. Hauptstädter ticken offenbar anders als Krämerseelen: In Berlin wurden für die WM-Zeit 200 zusätzliche Stadtreiniger zum Tarifgehalt eingestellt. GAL und DGB sind empört.
Der Senat billigt das Vorgehen der Stadtreinigung, die ihren vermehrten Personalbedarf während der WM mit billigen Ein-Euro-Kräften deckt. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der GAL-Fraktion hervor.
Um die ansonsten für Ein-Euro-Jobs gültigen Regeln zu umgehen wird das Straßenfegen während der WM-Zeit zum ‚Praktikum’ erklärt. Eigentlich müssen Ein-Euro-Jobs aber zusätzlich sein, damit sie keine regulären Jobs ersetzen.
„Senator Uldall hat stets die positiven Arbeitsplatzeffekte der Weltmeisterschaft gelobt und beschworen. Und nun stellt sich heraus, dass ausgerechnet ein städtisches Unternehmen mit Billigung des Senats Ein-Euro-Kräfte einsetzt, statt Leute einzustellen“, sagt die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der GAL-Bürgerschaftsfraktion Gudrun Köncke. „Der Senat entlarvt das Ein-Euro-Programm als Programm zur Beschaffung billiger Arbeitskräfte.“
Besonders zynisch sei es, dass durch die 55 eingesetzten Ein-Euro-Praktikanten gerade die rar gesäten einfachen Aushilfsarbeiten wegfallen, auf die Ein-Euro-Jobber angeblich immer vorbereitet werden sollen.
Das es auch anders geht, zeigt das Beispiel Berlin. Recherchen der GAL haben ergeben, dass die Berliner Stadtreinigung während der WM vom 6.6. bis 12.7. 200 Arbeitnehmer befristet einstellt, die ein tarifliches Grundentgelt von 1575 Euro monatlich sowie anfallende Überstundenzuschläge und Zuschläge für Nacht- und Wochenendarbeit ausbezahlt bekommen.
„Der Senat verdreht das SGB II, interpretiert es zu eigenen Gunsten um und schadet damit Arbeitslosen sowie Sozialkassen“, kritisiert auch der DGB Hamburg den vom Senat gebilligten Straßenkehrer-Einsatz von Ein-Euro-Praktikanten während der WM.
Erhard Pumm, Vorsitzender des DGB Hamburg: „Die Stadt missbraucht Arbeitslose als billige Arbeitskräfte für Regelaufgaben und spart auf ihrem Rücken Personalkosten für die notwendigen Reinigungsarbeiten, die in Zeiten vor Hartz IV durch Beschäftigte der Stadtreinigung in Überstunden oder durch Zeitarbeitskräfte erledigt worden wären. Auf Geheiß der Wirtschaftsbehörde bedient man sich hier wehrloser Arbeitsloser und prellt die Sozialkassen um die Beiträge – wann kommt die ARGE ihrer Verantwortung nach und unterbindet dieses Treiben?“
Der Senat beruft sich in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage der GAL auf die besondere Arbeitgelegenheit mit Entgeltvariante nach § 16 Abs. 3, erfüllt aber nicht einmal die dort verankerten Kriterien: Danach müsste das Praktikum der Ein-Euro-Jobber eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sein. Für die 55 Ein-Euro-Praktikanten, die jetzt zeitlich befristet für die WM als Straßenfeger eingesetzt werden, werden jedoch keine
Sozialversicherungsbeiträge entrichtet, sie erhalten kein reguläres Entgelt.
Doch selbst, wenn hier Sozialversicherungsbeiträge entrichtet worden wären, entspricht das Straßenfegen nicht den Kriterien der „Arbeitsgelegenheit – Entgeltvariante“. In den von den Behörden selbst verwandten Arbeithilfen zum SGB II steht: „Diese Variante sollte für besondere Einsatzfelder (z.B. soziale Wirtschaftsbetriebe) und /oder spezifische Zielgruppen bewilligt werden. Die Chancen auf eine dauerhafte berufliche Integration sollten in besonderem Maß verbessert werden. … Wettbewerbsverzerrungen und sonstige Nachteile für die private Wirtschaft sind zu vermeiden.“
„Wie man durch Besenschwingen seine Chance auf berufliche Integration in besonderem Maße verbessern kann, bleibt wohl selbst dem Gutwilligsten verschlossen“, so Erhard Pumm. „Es ist eine einzige Verhohnepipelung der betroffenen Langzeitarbeitslosen, die so dringend echte Perspektiven bräuchten, um ihre Lage zu überwinden!“
Zudem lägen die „sonstigen Nachteile“ auf der Hand: „Wenn dieses Beispiel Schule macht, werden immer mehr Regel-Bereiche von Billigkräften durchdrungen, regulär sozialversicherungspflichtig Beschäftigte arbeitslos und die Tariflöhne gedrückt.“
Der DGB Hamburg fordert Senat und die Behörde für Wirtschaft und Arbeit auf, sofort von dieser Praxis Abstand zu nehmen, wenigstens die ohnehin schwachen Kriterien des SGB II für den Einsatz von Ein-Euro-Kräften einzuhalten und nicht nach eigenem Gusto passend zu machen.
Köncke fordert den Senat nun auf, dafür zu sorgen, dass auch in Hamburg die wegen der WM benötigten Straßenreiniger regulär bezahlt werden und dass für sie auch Sozialabgaben entrichtet werden. „Alles andere ist Hinziehung von Sozialversicherungsbeiträgen – und macht das Instrument des Ein-Euro-Jobs völlig unglaubwürdig“, sagt Köncke.
1 Gedanke zu „Senat billigt Ein-Euro-Straßenkehrer“