Asklepios: Rose weist Peiners „Legenden“ zurück

In der vom „Spiegel“ erneut ausgelösten Debatte über den Verkauf der Hamburger Krankenhäuser an den Asklepios-Konzern hat der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Wolfgang Rose die Darstellung des damals verantwortlichen ehemaligen CDU-Finanzsenators Wolfgang Peiner zur angeblichen Alternativlosigkeit der Privatisierung scharf zurückgewiesen. Rose war zum Zeitpunkt des Verkaufs 2004 Hamburger Landesleiter der Gewerkschaft ver.di und einer der Sprecher der Kampagne gegen die Privatisierung.

Wolfgang Roses Veröffentlichung auf Facebook dazu:

DIE LEGENDE DES DR. PEINER ÜBER DIE PRIVATISIERUNG DES LBK

Der SPIEGEL hat es jetzt akribisch recherchiert und offengelegt – leider zwölf Jahre zu spät. Und der Spiritus Rector des 1. Bürgermeisters Ole von Beust, der Hauptakteur und Hauptverantwortliche dieses skandalösen Deals, der damalige Finanzsenator Dr. Wolfgang Peiner, tischt im Abendblatt noch einmal die Legende von der „erfolgreichen“ Privatisierung auf. Und nicht nur das, er besitzt auch noch die Chuzpe, der SPD vorzuwerfen, sie habe der Stadt mit dem LBK ein „Desaster“ hinterlassen, und erklärt trotzig: „Das Ergebnis des Verkaufs entspricht in allen wesentlichen Punkten den damaligen Erwartungen.“

Die LBK-Privatisierung war neben den milliardenschweren Immobilienverkäufen und nachfolgenden Rückanmietungen sowie der miserablen und folgenschweren HSH-Unternehmenspolitik der größte Schaden, den dieser Finanzsenator mit Deckung durch seinen 1. Bürgermeister unserer Stadt und ihren Bürgerinnen und Bürgern angetan hat. Der Spiegel hat recht: „Der Verkauf der Hamburger Krankenhäuser an Asklepios ist ein Lehrstück misslungener Privatisierung“, und das in mehrfacher Hinsicht:

Erstens war die Privatisierung ein Schlag gegen die Demokratie. Mehr als drei Viertel der Wählerinnen und Wähler haben gegen der Verkauf gestimmt – Finanzsenator Peiner und sein Politzögling Ole von Beust interessierte das nicht: sie diskreditierten es als eine „Bauchabstimmung“. Wie flexibel von Beust mit Volkes Stimme umging, konnte man dann unter Schwarz – Grün verfolgen – dort wurde in einer Kehrtwende von 180 Grad die Verbindlichkeit von Volksentscheiden in die Verfassung geschrieben.

Zweitens war die Privatisierung ein Anschlag auf den Hamburger Haushalt. Unter dem Strich wurde der LBK verscherbelt mit riesigen negativen Nebenwirkungen für die Hamburger Steuerzahler. Wir haben es 2004 in der öffentlichen Anhörung der Bürgerschaft gesagt und in einem zehnseitigen Brief an alle Abgeordneten aufgeschrieben. Und der SPIEGEL hat jetzt nach 12 Jahren alles richtig recherchiert: „Asklepios zahlte nur 19 Millionen Euro aus vorhandenem Vermögen, für Kliniken, die heute rund eine Milliarde Euro wert sind.“ Besonders skandalös: Erst redet Peiner den LBK systematisch schlecht („Fass ohne Boden“), dann schenkt er Asklepios die Pensionslasten ausgeschiedener Mitarbeiter, legt noch 60 Jahre Pacht- und Mietfreiheit für Krankenhausgrundstücke obendrauf und garniert das Ganze mit 150 Millionen Euro aus der Stadtkasse für die Rückkehrer – ein genialer Deal zum Vermögensaufbau des Milliardärs Bernard große Broermann und eine kalte Enteignung der Hamburger Bürgerinnen und Bürger.

Drittens war die Privatisierung ein Anschlag auf die Transparenz gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Die Behauptung von Dr. Peiner im Abendblatt, es gäbe keine Geheimabsprachen und die Verträge hätten immer offengelegen, ist schlicht falsch. Alle Beteiligten wissen das. Und als einziges Motiv dafür fällt einem bei gesundem Menschenverstand nur ein, dass der damalige CDU-Senat und die Asklepios-Spitze mit diesen Absprachen das Licht der Öffentlichkeit scheuten und scheuen – warum wohl?

Viertens war die Privatisierung ein Anschlag auf die Beschäftigten und ihre Interessenvertretungen. In der Sekunde, in der Asklepios die 74,9 % – Mehrheit geschenkt bekam, trat sie aus dem städtischen Arbeitgeberverband AVH und verkündete, sie wolle die Einkommen der Beschäftigten in einem sogenannten „Haustarifvertrag“ um bis zu 30 Prozent absenken. Das wurde begleitet durch die Beendigung wesentlicher Beteiligungsrechte von Gewerkschaften und Betriebsräten und getoppt durch die Verlagerung wesentlicher Entscheidungsrechte aus dem paritätisch besetzten Aufsichtsrat in die Gesellschafterversammlung ohne Arbeitnehmervertreter. Ein Armutszeugnis für das zweitgrößte Unternehmen unserer Stadt. Erst durch jahrelange Tarifkämpfe und Streiks hat der organisierte Teil der Belegschaft wieder das frühere Tarifniveau erreicht und ziehen durch hochkompetente Arbeitnehmervertreter*innen im Aufsichtsrat die Leitungsebene regelmäßig zur Verantwortung.

Fünftens war die Privatisierung ein Anschlag auf politische Steuerungsfähigkeit für die Daseinsvorsorge der Stadt. Dr. Peiner erklärt, es sei „doch völlig klar, dass ein Unternehmen, das eine Mehrheit von 74,9 Prozent kauft, auch die Geschäfte führt und den Geschäftsführer bestimmt.“ Er verschweigt geflissentlich, dass der Senat die Geschäftsführung bereits übertragen hatte, als die Stadt noch die Mehrheit hatte und Asklepios in der Minderheit war. Im Übrigen ist es ein seltsames Demokratieverständnis, wenn eine Mehrheit eine Minderheit vor die Tür setzen darf, wenn sie nicht pariert – zumal, wenn es um die Regierung einer 1,8 Millionen-Stadt und ihre Gesundheitsversorgung geht. Hamburg ist kein Unternehmen, sondern ein Gemeinwesen. „Gesundheit ist keine Ware“ – das war keine naive Parole von Ignoranten, die keine Ahnung vom Funktionieren der Marktwirtschaft hatten, sondern Ausdruck einer sozialen Regulierung der Marktwirtschaft, die die Daseinsvorsorge und die soziale Sicherheit nicht ausschließlich den Gesetzen des freien Marktes überlassen wollte. Mag sein, dass diese Gedanken einem Unternehmer eher fremd sind. Die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger hat dafür ein gutes Gefühl und eine hohe Sensibilität – beim Volksentscheid über den LBK waren es über 77 Prozent, ein gutes Signal für das sozial-ethische Empfinden der Hamburgerinnen und Hamburger und den Vorrang von Solidarität vor Sozialdarwinismus.

Die Aussagen von Dr. Peiner im Abendblatt-Artikel am 20. Dezember enthalten statt Einsicht und Demut nur trotzige Rechthaberei und Falschdarstellungen. Als beteiligter Akteur an den damaligen Ereignissen und Auseinandersetzungen fühle ich mich verpflichtet, dieser Legendenbildung entschieden entgegenzutreten. Die Aussage von Dr.Peiner, es habe keine Alternative zum Verkauf gegeben, war falsch, bleibt falsch und wird auch nicht dadurch richtiger, dass sie nach zehn Jahren im Abendblatt wiederholt wird.

Bleibt die Frage, was heute zu tun ist.
Ein „Parlamentarischer Untersuchungsausschuss“ (PUA) bringt sicher wenig, denn fast alle Fakten sind bekannt. Auch die Forderung nach einem Rückkauf ist realpolitisch illusionär, denn im Unterschied zu den Energienetzen benötigt der Krankenhausbetreiber keine städtische Konzession. Und dass Asklepios einem Rückkauf zu tragbaren Konditionen freiwillig zustimmen würde, kann man getrost ausschließen.

Was bleibt, ist die alltägliche politische und gewerkschaftliche Interessenvertretung für gute Gesundheitsversorgung und Gute Arbeit auf allen Ebenen, um immer neu für gesunde Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen in unserer Stadt einzutreten.

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