Realsatire bei der Grundschulplanung

(Von Sabine Boeddinghaus)

Der Fall klingt nach böswilliger Satire, doch er ist Realität: Ein Erstklässler wohnt direkt gegenüber einer Schule. Seine Eltern wollten ihn auf dieser Schule anmelden. Doch Pustekuchen: Alle Plätze sind voll. Das Kind muss nun in eine Schule gehen, die über zwei Kilometer weit weg ist!

So geschieht es derzeit in Harburg. Die Eltern haben alles versucht, denn so müssen sie ihr Kind bringen und abholen – und das können sie als Berufstätige eigentlich nicht. Sie machen sich große Sorgen um die Sicherheit ihres Sohnes, weil er auf seinem viel zu langen Schulweg mehrere verkehrsreiche Strassen überqueren müsste. Der Schulleiter würde ihnen wirklich gerne helfen, doch er kann nicht. Seine Klassen sind schon jetzt mit 30 Schülern bis zur Oberkante voll.

Dieser Fall ist besonders absurd, doch er ist beileibe nicht der einzige seiner Art. Sabine Meine Bürgerschafts-Kollegen und mich erreichen zunehmend solche Klagen von Eltern. Dabei hatte die Senatorin ihnen vor zwei Jahren bei der Einführung der so genannten „Anmeldeverbünde“ (hier: Anmeldeverbund Eißendorf, s. Anhang) noch versprochen: Nun gilt der Elternwille! Die Wünsche der Eltern würden berücksichtigt. Und selbst im aktuellen Schulentwicklungsplan (SEPL) steht schwarz auf weiß: Grundschulen sollen zu Fuß erreichbar sein.

Doch schon damals alarmierte uns der Blick ins Kleingedruckte: Da ist nämlich von einer garantierten Berücksichtigung der Elternwahl keine Rede. Letztlich entscheidet die Behörde völlig frei darüber, wo sie die Kinder hinschickt. Und diese unangenehme Aufgabe hat sie den Schulleitern aufs Auge gedrückt. Die haben den schwarzen Peter, doch ihnen sind oftmals die Hände gebunden, weil das Problem in den viel zu engen Kapazitätsplanungen der Schulbehörde liegt!

Dass der viel gepriesene freie Elternwille nur allzu oft zur Farce wird, liegt daran, dass die Planungen der Behörde auf Kante genäht sind: Die Schulen müssen so wenig Klassen einrichten wie möglich. Deshalb müssen die Klassen bis zum Anschlag gefüllt werden, und der liegt oft bei 30 Kindern pro Klasse in denjenigen Schulen, die nicht in den Genuss zusätzlicher Ressourcen ab dem kommenden Schuljahr kommen. So bleibt diesen Schulen keinerlei Spielraum, um auf die Bedürfnisse der Eltern, oder auf regionale Ungleichgewichte einzugehen, wie in dem oben beschriebenen Fall.

Deshalb fordere ich: Kurze Beine, kurze Wege – dieser Grundsatz muss endlich für alle Kinder gelten! Die Kinder und ihre Eltern dürfen nicht unter der Sparpolitik des Senats leiden müssen. Da, wo ein Kind wohnt, muss es auch zur Schule gehen können. Frau Senatorin, sorgen Sie dafür!

* Sabine Boeddinghaus ist SPD-Bürgerschaftsabgeordnete

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