Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hat die kurzfristig für morgen angesetzte Amtseinführung des von der Innenbehörde ausersehenen Polizei-Uni-Gründungspräsidenten und CDU-Funktionärs Jörg Feldmann als „bodenlose Unverschämtheit“ bezeichnet. „Eine saubere Ausschreibung hat es nicht gegeben. Das Ernennungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. In der Deputation ist der Kandidat durchgefallen. Und trotzdem soll die Amtseinführung jetzt im Hau-ruck-Verfahren durchgepeitscht werden“, kritisierte SPD-Innenexperte Andreas Dressel am Dienstag.
Mit dieser Aktion habe die Berufung Feldmanns jede Legitimität und Legitimation verloren. Die Personalpolitik von Innensenator Nagel erinnere mittlerweile an die Filz-Eskapaden des damaligen Justizsenators Kusch.
Die SPD-Bürgerschaftsfraktion forderte erneut eine formelle Ausschreibung der Gründungspräsidentenstelle. „Nagel muss ein ordentliches Ausschreibungsverfahren einleiten. Das gehört sich so und ist für jede Spitzenstellung in der Wissenschaft üblich“, sagte Dressel. Das parteipolitische Engagement Feldmanns lege allerdings nahe, dass es sich bei seiner Ernennung um Vetternwirtschaft handelt.
Feldmann ist im Hamburger CDU-Landesvorstand Vorsitzender des Landesarbeitskreises Polizei. Innenstaatsrat Christoph Ahlhaus – der offenbar bei der Berufung Feldmanns die Strippen zog – ist Vorsitzender des CDU-Landesfachausschusses Inneres (vgl. http://www.cduhamburg.de/deutsch/780/730/27002/liste5.html).
Dressel betonte, man werde diesen offensichtlichen Filzfall aufklären. Man warte auf die Antwort des Senats auf eine umfassende SPD-Anfrage (siehe unten). Dressel kündigte an, die SPD-Bürgerschaftsfraktion werde „im Zweifelsfall die entsprechenden Akten anfordern, sollte der Senat sich weigern, für Klarheit zu sorgen“.
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BÜRGERSCHAFT
DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 18/
18. Wahlperiode
Schriftliche Kleine Anfrage
des Abgeordneten Dr. Andreas Dressel (SPD)
Betr.: „Schwarzer Filz“ an der Hochschule der Polizei?
Am 29. Dezember 2006 teilte die Pressestelle des Senats den aktuellen Sachstand im Hinblick auf die in Gründung befindliche Hochschule der Polizei mit. In dieser Pressemitteilung hieß es:
„Gründungspräsident der Hochschule wird der Polizeidirektor Jörg Feldmann.“ Innensenator Udo Nagel wird in dieser Mitteilung u.a. mit der Aussage zitiert: „Mit Polizeidirektor Jörg Feldmann haben wir einen Gründungspräsidenten gewinnen können, der über hervorragende persönliche und fachliche Kenntnisse und Erfahrungen aus dem Bereich der Hamburger Polizei und der Bundespolizei sowie über theoretische und praktische Erfahrungen aus den Bereichen Wissenschaft und Lehre verfügt.“ Weiter wird über den zukünftigen Gründungspräsidenten ausgeführt:
„Der 49-jährige Polizeidirektor Jörg Feldmann war von 1975 bis 2001 Mitarbeiter der Hamburger Polizei, unter anderem als Leiter eines Polizeikommissariates sowie als Referent beim Leiter des Landeskriminalamtes. Seit 2001 hat Herr Feldmann als Dozent für Kriminalistik und Kriminologie an der Fachhochschule des Bundes im Fachbereich Bundespolizei gelehrt und war dort Fachkoordinator für den Bereich Polizeiführungswissenschaften.“
Nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 HmbPolHG ist zur Gründung der Hochschule die zuständige Behörde befugt, die Präsidentin oder den Präsidenten zu bestellen. Voraussetzung für die Bestellung sind nach § 13 Abs. 2 S. 2 HmbPolHG mindestens eine abgeschlossene Hochschulausbildung und zusätzlich eine mehrjährige Berufstätigkeit in leitender Stellung, insbesondere in Wissenschaft, Wirtschaft, Polizei, Verwaltung oder Rechtspflege. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu (Drs. 18/4595):
„Zur Präsidentin oder zum Präsidenten kann nur bestellt werden, wer über praktische Erfahrung in leitender Stellung verfügt. Als weitere Qualifikation wird ein Hochschulabschluss gefordert, womit auch ein Abschluss einer Fachhochschule umfasst ist. Insgesamt steht bei der Auswahl der Präsidentin oder des Präsidenten die Management-Qualifikation im Vordergrund, die in Berufsfelder der Wissenschaft, Wirtschaft, Polizei, Verwaltung oder Rechtspflege erworben sein können. Damit ist sichergestellt, dass Personen mit herausgehobenen Qualifikationen gewonnen werden können.“
An anderer Stelle der Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft heißt es zum Hochschulpräsidenten (S. 9):
„Der Gesetzentwurf stellt bezüglich der Leitung der Hochschule auf Voraussetzungen ab, die ausdrücklich über eine hervorgehobene wissenschaftliche oder pädagogische Qualifikation hinausgehen. Neben einer abgeschlossenen Hochschulausbildung, zu der auch der Abschluss einer Fachhochschule zählt, ist eine mehrjährige Berufstätigkeit in leitender Stellung in Wissenschaft, Wirtschaft, Polizei, Verwaltung oder Rechtspflege erforderlich. Beamte des höheren Polizeivollzugsdienstes, die in weit überwiegender Zahl eine Hochschulausbildung genossen und darüber hinaus mit der Laufbahnbefähigung eine dem Richteramt vergleichbare Qualifikation erreicht haben, zählen ohne Einschränkung in den Kreis der möglichen Bewerber.“
Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:
1. Falls eine Ausschreibung für die Stelle des Gründungspräsidenten erfolgte:
a. Wann, wo und wie wurde die Stelle des Gründungspräsidenten ausgeschrieben?
b. Wie lautete der Ausschreibungstext?
c. Welche Voraussetzungen/Anforderungen wurden genannt?
d. Welcher Bewerbungsschluss wurde genannt?
e. Welche Bewerbungsadresse wurde angegeben?
f. Wie viele Bewerbungen gingen dort ein?
g. Wie groß war der Bewerberkreis? Wie viele Promovierte, wie viele Habilitierte waren darunter?
h. Wie gestaltete sich das weitere konkrete Auswahl- und Bestellungsverfahren?
i. Welche Stellen waren im Einzelnen für welchen Schritt des Auswahl- und Bestellungsverfahrens zuständig?
j. Gab es eine Auswahlkommission? Wenn ja, mit welchen Mitgliedern? Wenn nein, warum nicht?
k. Wer innerhalb der Behörde für Inneres hat wann, wie, warum und auf welcher Grundlage (Auswahlgespräche oder Assessement-Center oder anderes Auswahlhilfsmittel?) die konkrete Personalentscheidung zugunsten des auserwählten Gründungspräsidenten getroffen?
l. Inwieweit wurde die Polizeiführung an dieser Entscheidung beteiligt?
m. Inwieweit wurde das Personalamt an dieser Entscheidung beteiligt?
2. Falls keine Ausschreibung für die Stelle des Gründungspräsidenten erfolgte:
a. Wer hat wann, wie und warum entschieden, auf eine Ausschreibung der Stelle des Gründungspräsidenten zu verzichten?
b. Ist der Senat mit mir der Auffassung, dass gerade im Wissenschaftsbereich eine Ausschreibung von Stellen die Bestenauslese fördert (Antwort bitte begründen)?
c. Wie gestaltete sich in diesem Falle das konkrete Bewerbungs-, Auswahl- und Bestellungsverfahren?
d. Welche Stellen waren im Einzelnen für welchen Schritt des Auswahl- und Bestellungsverfahrens zuständig?
e. Gab es eine Auswahlkommission? Wenn ja, mit welchen Mitgliedern? Wenn nein, warum nicht?
f. Gab es auch im Falle der Nicht-Ausschreibung mehrere Kandidaten?
g. Wie kam es zu diesen Kandidaten? Wurden mögliche Bewerber gezielt angesprochen? Wenn ja, wie viele und von wem, wann und nach welchen Kriterien?
h. Wie groß war der ausgesuchte Bewerberkreis? Wie viele Promovierte, wie viele Habilitierte waren darunter?
i. Wer innerhalb der Behörde für Inneres hat wann, wie, warum und auf welcher Grundlage (Auswahlgespräche oder Assessement-Center oder anderes Auswahlhilfsmittel?) die konkrete Personalentscheidung zugunsten des auserwählten Gründungspräsidenten getroffen?
j. Inwieweit wurde die Polizeiführung an dieser Entscheidung beteiligt?
k. Inwieweit wurde das Personalamt an dieser Entscheidung beteiligt?
3. Welche Senatsbeschlüsse hat es jeweils wann (ggf. im Verfügungswege) und warum im Zusammenhang mit der Berufung des Gründungspräsidenten bzw. der Vorbereitung dieser Personalentscheidung gegeben? Wann sind im Einzelnen welche Entscheidungen der Leitung der Behörde für Inneres im Zusammenhang mit der Berufung des Gründungspräsidenten bzw. der Vorbereitung dieser Personalentscheidung getroffen worden und mit welcher Begründung?
4. Wer hat wann, wie und warum entschieden, wie das Auswahl- und Bestellungsverfahren für den Gründungspräsidenten ablaufen soll?
5. War die Bewerbung des schließlich auserwählten Gründungspräsidenten eine Initiativbewerbung oder wurde der Gründungspräsident von Personen aus dem Bereich der Behörde für Inneres auf eine Bewerbung angesprochen?
a. Wurde der jetzt auserwählte Gründungspräsident von einer Person der Behörde für Inneres oder durch eine andere Person auf eine Bewerbung angesprochen?
b. Falls ja, wer hat wann, wie und warum den Gründungspräsidenten auf eine mögliche Bewerbung hin angesprochen?
6. Hat der auserwählte Gründungspräsident promoviert?
7. Hat der auserwählte Gründungspräsident habilitiert?
8. Verfügt der auserwählte Gründungspräsident über besondere Management-Qualifikationen und welche sind dies? Wann hat er diese Management-Qualifikationen unter Beweis gestellt bzw. wodurch sind sie belegt?
9. Wann und wo hat der auserwählte Gründungspräsident welchen Hochschulabschluss gemacht?
10. Inwiefern ist dieser Hochschulabschluss ein Hochschulabschluss im Sinne des § 13 Abs. 2 HmbPolHG (bitte begründen)?
11. Inwieweit kann der auserwählte Gründungspräsident eine mehrjährige Berufstätigkeit in leitender Stellung, insbesondere in Wissenschaft, Wirtschaft, Polizei, Verwaltung oder Rechtspflege nachweisen (bitte Stationen einzeln benennen und begründen)?
12. Warum hat der nun auserwählte Gründungspräsident 2001 die Hamburger Polizei verlassen?
13. Hat es von 2001 bis vor der aktuellen Bestellungsentscheidungen Versuche des nun auserwählten Gründungspräsidenten bzw. seitens der Behörde für Inneres gegeben, zur Hamburger Polizei zurückzukehren bzw. diesen gewissermaßen in die Hamburger Polizei „zurückzuholen“? Wenn ja, um welche Verwendungen ging es und warum verliefen diese Versuche nicht erfolgreich?
14. Welche Zusagen hat wer, wann und wie dem auserwählten Gründungspräsidenten im Zusammenhang mit der Bestellungsentscheidung gegeben?
15. Wann wurde bzw. wann wird der auserwählte Gründungspräsident in den Hamburgischen Staatsdienst übernommen? Oder erfolgt die Bestellung alternativ im Rahmen einer Beurlaubung seitens der Bundespolizei?
16. Wurde die Übernahme direkt auf die W3-Stelle des Präsidenten vollzogen? Oder wurde der auserwählte Gründungspräsident vorab in den Hamburger Staatsdienst übernommen und im Anschluss auf die W3-Stelle platziert? (bitte Antwort jeweils begründen)
17. Gibt es – wie bei vielen anderen Wissenschaftlern bzw. Führungskräften im Wissenschaftsbereich auch – eine Liste der Veröffentlichungen des auserwählten Gründungspräsidenten (bitte als Anlage beifügen)?
18. Gibt es – wie bei vielen anderen Wissenschaftlern bzw. Führungskräften im Wissenschaftsbereich auch – ein „Curriculum Vitae“? (bitte als Anlage beifügen)?
19. Inwieweit und mit welchem Ergebnis und wann wurde die Behörde für Wissenschaft und Forschung mit dem Auswahl- und Bestellungsverfahren sowie der konkreten Personalentscheidung befasst?
20. Wann wurde, wann wird die Deputation der Behörde für Inneres mit der Bestellungsentscheidung befasst?
21. In welcher Weise und mit welchem Ergebnis wurde die Deputation befasst?
22. Inwieweit haben die Präsidenten der staatlichen Hamburger Hochschulen promoviert bzw. habilitiert (bitte für jede Hochschule ausweisen)?
Dr. Andreas Dressel MdHB