Die organisierte Kriminalität (OK) hat allein in Hamburg im vergangenen Jahr einen gemeldeten Schaden von fast 106 Millionen Euro verursacht – das ist der höchste Schadenswert seit 2002. Im Jahre 2007 waren noch knapp 17 Millionen Euro Schäden gemeldet worden.
Auch die Gewinne steigen, die Kriminelle im OK-Bereich machen. Mit fast 81 Millionen Euro haben sich die geschätzten Gewinne gegenüber dem Vorjahr fast verzehnfacht. Das geht aus der jüngsten SPD-Anfrage zur Lageentwicklung bei der Organisierten Kriminalität in Hamburg für das Jahr 2008 hervor. Zum vierten Mal infolge legte die SPD-Fraktion am Donnerstag entsprechende Auswertungen vor – nachdem sich der Senat seit Jahren weigert, Lageberichte zur Entwicklung der Organisierten Kriminalität zu veröffentlichen. Entsprechende Lagedaten hatte die SPD-Fraktion für den Zeitraum 2001-2005, 2006, 2007 und nunmehr 2008 beim Senat abgefragt.
Erfreulich sei, so SPD-Innenexperte Andreas Dressel bei der Vorstellung des Lageberichts, dass eine Zunahme bei der Abschöpfung kriminell erworbener OK-Gewinne zu verzeichnen ist. Wurden 2007 noch lediglich 265.072 Euro abgeschöpft, waren es 2008 fast drei Millionen Euro. „Der Trend geht in die richtige Richtung. Und trotzdem reicht es nicht, dass im vergangenen Jahr nicht mal vier Prozent der OK-Gewinne abgeschöpft wurden. Wir müssen diese Kriminellen da treffen, wo es ihnen weh tut – beim Geld. Und deshalb müssen wir mehr kriminelle Gewinne abschöpfen“, sagte Dressel.
Sorgen bereitet der SPD-Fraktion, dass auch im Bereich OK-Bekämpfung Personal abgezogen wird. So räumt der Senat in seiner Antwort ein, dass in der OK-Abteilung des LKA sechs Mitarbeiter weniger als im Vorjahr im Einsatz sind. Dressel: „Nachdem Schwarz-Schill den Bereich personell ausbluten ließ, war die Verstärkung danach sehr ordentlich. Der schwarz-grüne Senat muss aber aufpassen, dass er die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt. Die OK-Bekämpfung muss auch personell weiter schlagkräftig ausgestattet sein.“ Dressel lobte gleichzeitig die Arbeit der OK-Ermittler: „Die Kolleginnen und Kollegen dort machen einen guten und schwierigen Job.“
Kernerkenntnisse für die OK-Lage in Hamburg 2008:
* Die Zahl der in Hamburg geführten OK-Verfahren ist in 2008 gegenüber dem Vorjahr von 34 auf 42 angestiegen. Damit ist wieder das Niveau von 2002 erreicht (41 Verfahren).
* Der Bereich OK-Rauschgift hat wieder einen Spitzenplatz unter den Kriminalitätsbereichen der Hamburger OK eingenommen. Gab es 2006 in diesem Kriminalitätsbereich noch neun Verfahren, waren es 2007 schon zwölf. 2008 betrafen 17 OK-Verfahren den Bereich Rauschgift.
* Der registrierte Einfluss von OK auf Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Medien ist nahezu konstant geblieben und liegt bei fast 19 Prozent. Hier hatte es in den Vorjahren Steigerungen gegeben. Lag die entsprechende Zahl 2005 noch bei knapp unter 10 Prozent aller registrierten OK-Verfahren, waren es 2006 schon 14,5 Prozent. Auffällig: Zieladressaten waren sehr häufig inländische Medien (in 13 Verfahren).
* Mit fast 67 Prozent dominieren deutsche Tatverdächtige das Hamburger OK-Geschehen. Mit deutlichem Abstand folgen türkische (7 Prozent) und nigerianische (3,7 Prozent) OK-Tatverdächtige.
* Die Zahl der Anklagen gegen OK-Beschuldigte hat sich von 34 im Jahre 2006 auf 43 im Jahre 2007 und nunmehr 67 im Jahre 2008 gesteigert. Von den Werten aus dem Jahre 2001 ist die Zahl der Anklagen – damals wurden 106 registriert – aber noch weit entfernt. Gegen mehr als die Hälfte der Beschuldigten wurde damit im Jahre 2008 Anklage erhoben.
* Die Hamburger Gerichte langen im Bereich OK deutlich härter hin als bisher. Gegen 21 Beschuldigte wurden Haftstrafen über zwei Jahren verhängt, neun davon lagen sogar über fünf Jahren – nur eine Person wurde freigesprochen. Die Zahl der 2008 verhängten Haftbefehle hat sich von 41 auf 83 sogar verdoppelt.
* Da sich die Tendenz zur Abnahme der Gewaltkriminalität im OK-Milieu in 2008 nicht fortgesetzt hat, wie der Senat selbst einräumt, mussten sieben Personen im Rahmen von OK-Verfahren in Zeugenschutzprogramme aufgenommen werden. 2007 waren es neun Personen.
* Die Zahl der verdeckten Maßnahmen zur Beweissicherung (Telefonüberwachung, Verdeckte Ermittler usw.) in OK-Verfahren hat sich von 13 (2007) auf 21 (2008) gesteigert.
Die SPD-Fraktion betonte, für den „auffallend zurückhaltenden Umgang des Senats mit dem nach wie vor brisanten Thema der Organisierten Kriminalität in Hamburg“ gebe es keinen Grund. Die abgefragten Zahlen bewiesen: „Auch im Bereich der Organisierten Kriminalität muss es Prävention geben. Das schafft der Senat nicht, in dem er versucht, eine Problematik totzuschweigen. Es gibt keinen Grund, den Hamburgerinnen und Hamburgern weniger Informationen über OK-Lage und OK-Bekämpfung zur Verfügung zu stellen, als den Menschen vieler anderer Bundesländer“, sagte Dressel.
Er verwies darauf, dass in vielen Bundesländern – wie etwa Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Niedersachsen – eine regelhafte Information über OK zum Standardrepertoire der zuständigen Ministerien gehöre. Dressel kündigte an, die SPD-Bürgerschaftsfraktion werde – auf Basis von Anfragen und Antworten des Senats – weiter die Aufgabe wahrnehmen, die Öffentlichkeit über die OK-Lage in Hamburg zu informieren.