Beim lesen des Sonnabend-Abendblatts erinnerte ich mich an das verblüffte Gesicht meines längst verstorbenen Vaters. Der hatte meinen damals etwa fünfjährigen Bruder ob seiner Essmanieren als „Ferkel“ tituliert, worauf mein Bruder eiskalt mit der Bemerkung konterte, ein Ferkel sei das Kind eines Schweines, und er könne folglich gar nichts dafür. Und wenn nun ein Haufen von „Quartalsirren“ einen Vorsitzenden wählt – wie mag es dann um den bestellt sein?
Na gut, das ist platt. Und auch Ingo Egloff sei erlaubt, sich im Stress einmal in der Formulierung zu vergreifen. Aber irgendwo hat er ja auch Recht:
– was war das in den Jahren 2001/2002, als plötzlich Ortwin Runde als der Looser schlechthin dargestellt wurde, obwohl doch sein Wahlergebnis nicht schlechter war als das von Henning Voscherau 1997?
– wo war die Alternative der SPD als Partei oder als Fraktion, die Thomas Mirow 2004 geholfen hätte, ein besseres Ergebnis zu erreichen? Und wer hat seinen verheerenden Wahlkampf verantwortet?
– wie ist zu erklären, dass die SPD zunächst Mathias Petersen mit großer Mehrheit zum Parteivorsitzenden wählte, um erst viel zu spät zu erkennen, dass er vermutlich kein guter Bürgermeister würde?
– mag jemand den „Stimmenklau“ Anfang 2007 erklären?
Michael Naumann erzielte dann dennoch ein ordentliches Ergebnis; im Jahr 2008 war es die GAL, die so schlecht abschnitt, dass es zur gewünschten Koalition nicht reichte. Aber was war danach?
Statt Qualität wurde wieder nur innerparteilicher Proporz berücksichtigt, als es um die Besetzung von Sprecher- und Vorstandspositionen ging. Der Parteivorstand glänzt nun wirklich nicht mit visionären Plänen für unsere Stadt, der Fraktionsvorstand zeigt keine Alternativen auf. Wer soll diese SPD denn wählen, und vor allem: Warum?
Und jetzt dieses Theater in Eimsbüttel. Formal, nach dem Bundeswahlgesetz und auch nach der Satzung der SPD, ist an der Nominierung von Danial Ilkhanapour nicht zu rütteln. Einzig Vernunft könnte diese Kandidatur noch stoppen; wenn ihn wirklich nicht einmal die Mehrheit der SPD-Mitglieder in Eimsbüttel will, wird Ilkhanapour auch nicht die Mehrheit der WählerInnen hinter sich versammeln können. Eine Mitgliederabstimmung, die die SPD-Satzung nicht vorsieht, könnte hier Klarheit schaffen.
Dazu wird es nicht kommen, weil Ilkhanapour sich – aus persönlich verständlichen Gründen – einer solchen Abstimmung nicht stellen wird. Das hat auch niemand vor ihm getan im Kreis Eimsbüttel, insofern ist ihm dies nicht vorzuwerfen. Aber echte Chancen hat er nicht – genauso wenig wie der knapp überstimmte Amtsinhaber Niels Annen.
Das Signal an die WählerInnen ist ziemlich klar: Es gibt in Eimsbüttel derzeit niemanden, hinter dem die SPD wirklich geschlossen steht. Und es gibt deshalb auch keinen Grund, die SPD in Eimsbüttel mit der Erststimme zu wählen……
Aber der Lärm in Eimsbüttel lenkt in Wahrheit nur ab von den Schwierigkeiten in anderen Kreisen:
– in Harburg/Bergedorf tritt der inzwischen längst rentneralte Uli Klose (70) wieder an. Wenn er gewinnt, wird er die Amtszeit seines direkten Vorgängers Herbert Wehner einholen, aber eine Zukunftsperspektive ist dies nicht. Hartnäckig hält sich das Gerüst, er sei nur angetreten, um einen innerparteilichen Wahlkampf zwischen Thies rabe (Bergedorf) und Frank Richter (Harburg) zu verhindern.
– in Wandsbek tritt SPD-Vorsitzender Ingo Egloff erstmals an. Aber bundespolitische Kompetenz hat er bisher nicht bewiesen, und für ihn muss Ortwin Runde ausscheiden, der immerhin als Bürgermeister noch ein respektables Ergebnis im Jahr 2001 (s.o.) holte,
– in Nord geht wieder Christian Carstensen an den Start, der den Wahlkreis zwar 2005 aus dem Stand gewann, der aber in einem Wahlkreis kandidiert, in dem ein SPD-Erfolg bei vergangenen Wahlen keineswegs sicher war.
Insgesamt kann man wohl davon ausgehen, dass Hamburgs SPD-Frauen profitieren werden: Sie sind bisher bei den Bundestagswahlen stark benachteiligt, weil für die sechs Wahlkreise ausschließlich Männer aufgestellt wurden und werden. Dieses Mal aber, wenn nicht alle Direktkandidaten eine Mehrheit bekommen, haben sie eine echte Chance: Über die Landesliste.
Da nämlich greift die Quotierung: Auf Platz 1 wird ein Mann stehen (der dienstälteste Abgeordnete Hans-Ulrich Klose oder Arbeitsminister Scholz), auf Platz zwei aber bereits eine Frau. Drei ist wieder ein Mann, der auch im Wahlkreis kandidiert, und dann kommt die nächste Frau. Und wenn man genau rechnet, dann haben beide Frauen eine gute Chance.
Wer mag sich da noch aufregen? Mit der Hamburger SPD geht’s doch seit Jahren bergab. Haben die noch über 10.000 Mitglieder? Als ich mal Mitglied war, waren es noch ungefähr 50.000. Aber das Personal ist wenig charismatisch, um es mal nett zu sagen, inhaltliche Alternativen sind kaum zu erkennen, und wenn es welche gibt, dann bin ich nicht sicher, ob ich sie wollte (Dressel). Ich glaube nicht, dass sich die Partei berappelt, so lange da überall zweitklassige Chargen die Spitzenpositionen besetzen.