Unfassbar, aber mitten in Hamburg gestern passiert: Neonazis greifen eine Veranstaltung der DGB Jugend Hamburg an, und die herbeigerufene Polizei versagt den Veranstaltern Schutz. SPD-Fraktionschef Michael Neumann sprach von einem „verheerenden Signal“.
Eine Veranstaltung der DGB Jugend Hamburg zu Strukturen der rechten Szene in Wandsbek in Kooperation mit dem Bezirksamt wurde gestern Abend von rund 20 Neonazis angegriffen. Die herbeigerufene Polizei war nicht willens, einen vorher zugesagten Ausschluss der Neonazis zu dieser Veranstaltung durchzusetzen. Der DGB Hamburg kritisiert das unangemessene und inkonsequente Vorgehen der Polizei und fordert für die Zukunft klare Regeln zum Schutz
öffentlicher Veranstaltungen demokratischer Organisationen.
Was ist vorgefallen?
Vor rund drei Wochen hatte die DGB Jugend Hamburg zur öffentlichen Veranstaltung „Strukturen der rechten Szene in Wandsbek“ ins Bürgerhaus Wandsbek eingeladen. Die Einladung und Ankündigung zu der Veranstaltung beinhaltete folgenden Hinweis:
Mitglieder und Anhänger rechtsextremer Parteien und Organisationen wie NPD,
DVU, Rep und der „Freien Kameradschaften“ haben keinen Zutritt zu der
Veranstaltung (nach § 6, VersG)
Kurz vor der Veranstaltung gab es ein Vorgespräch zwischen dem Einsatzleiter Varrelmann von der Polizei Wandsbek und Heiko Humburg, Jugendbildungsreferent der DGB Jugend Hamburg, zugleich Veranstaltungsleiter. Herr Varrelmann sicherte der DGB Jugend zu, dass mit o.g. Hinweis der Ausschluss der Neonazis von dieser Veranstaltung rechtlich hinreichend klargestellt sei. Zudem sah er kein Gefährdungspotential durch die rechte Szene für diese
Informationsveranstaltung.
Kurz nach Beginn der Veranstaltung am 16.11. um 19 Uhr drängten rund 20 bekannte NPD-Mitglieder und Angehörige der „freien Kameradschaften“ in den Saal. Im Auftrag des Veranstalters wiesen einige Teilnehmer die ungebetenen Gäste darauf hin, dass sie von der Veranstaltung ausgeschlossen seien.
Daraufhin versuchten sich die Neonazis gewaltsam Zutritt zu dem Saal zu verschaffen, konnten fürs Erste jedoch aus dem Bürgerhaus Wandsbek gedrängt werden. Die herbeigerufene Polizei traf kurz danach ein; die rund 20 Beamten brachten die Lage zunächst unter Kontrolle, so dass die Veranstaltung fortgesetzt werden konnte.
Gegen 19.30 Uhr rief der Einsatzleiter Varrelmann den Veranstaltungs-Verantwortlichen Heiko Humburg aus dem Saal und teilte ihm entgegen der vorherigen Aussage der Polizei Folgendes mit: Die Beamten sähen keine rechtliche Möglichkeit, die Neonazis von der Veranstaltung fern zu halten, so dass es nun zwei Alternativen gebe:
Entweder die Veranstaltung wird unter Beteiligung der Neonazis durchgeführt
oder Heiko Humburg erklärt und begründet jedem Störer persönlich das Hausverbot.
Beide Möglichkeiten kamen für die DGB Jugend auf Grund der Gefährdungslage nicht in Betracht. So entschied Heiko Humburg unter Protest gegenüber der Polizei-Einsatzleitung, die Veranstaltung abzubrechen, um weitere Eskalationen zu vermeiden.
Heiko Humburg: „Es ist ein Skandal, dass der Einsatzleiter der Polizei trotz einer vorherigen Zusage offensichtlich nicht willens war, eine Veranstaltung der Gewerkschaften vor Störungen und tätlichen Angriffen der Neonazis zu schützen. Rund zwei Wochen zuvor sah sich die Polizei durchaus in der Lage, einen Aufmarsch von Neonazis unter Hinweis auf die Gefährdungslage gegen jeden Protest abzuschirmen.“
Hamburgs DGB-Vorsitzender Erhard Pumm reagiert bestürzt auf die Vorfälle und fordert eine rechtliche Klarstellung darüber, wie künftig Veranstaltungen demokratischer Organisationen zuverlässig vor rechten Aggressoren geschützt werden können. „Es darf nicht sein, dass Rechtsextreme ihre Teilnahme an politischen Veranstaltungen ggf. mit Hilfe der Polizei durchsetzen und sie damit de facto verhindern können“, so Erhard Pumm. „Es kann auch nur im Interesse der Polizeibeamten sein, möglichst jede Situation zu vermeiden, in der sie die
Interessen von Rechtsextremen gegen demokratische Organisationen durchsetzen
müssen.“
Die DGB Jugend Hamburg plant die abgebrochene Veranstaltung zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. „Es wird keine gewerkschaftsfreie Zone in Wandsbek geben. Gerade jetzt dürfen wir nicht vor der rechten Gefahr in Hamburg zurückweichen!“
SPD-Fraktionschef Michael Neumann hat Aufklärung über Ausschreitungen am Rande einer Diskussionsveranstaltung des DGB in Wandsbek gefordert. Nach verschiedenen Medienberichten hatten sich mutmaßliche Angehörigen der rechtsextremen Szene mit Gewalt Zutritt zu einer Diskussionsveranstaltung über rechte Strukturen in Wandsbek verschafft. Die Veranstaltung musste darauf hin abgebrochen werden.
„Wenn die politisch Verantwortlichen ständig zu Zivilcourage im Kampf gegen politischen Extremismus aufrufen, dürfen die couragierten Menschen nicht im Stich gelassen werden, wenn sie bedroht und bedrängt werden“, sagte Neumann am Freitag. Es wäre ein „verheerendes Signal“, sollten Rechtsextreme in Hamburg durch diesen Vorfall weiteren Auftrieb bekommen. „Sollten Gewaltandrohung oder sogar Gewalt dazu führen, dass die nötige politische Auseinandersetzung mit politischen Extremisten nicht stattfinden kann, wäre das in jeder Hinsicht eine Schwächung der wehrhaften Demokratie.“
Mit Hilfe einer kleinen Anfrage will Neumann jetzt Details und Hintergründe des Vorfalls öffentlich machen. Auch eine Thematisierung im Innenausschuss sei denkbar, um den Vorfall aufzuklären, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende.