Die Hamburger „Gruppe kritischer Bahner im Nachtzugverkehr“ hat eine Faktensammlung über die ab Winterfahrplan vorgesehenen Veränderungen im Nachtzugverkehr ( für Norddeutschland ) und die vom Arbeitgeber DB Europain Railservice ( DBERS ) geplanten zentralen Punkte, die zu eklatanten Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen in diesem Bereich führen, zusammen gestellt. Wir dokumentieren.
Fakten zur Situation und Entwicklung des Nachtzugverkehrs
Der Nachtzugverkehr wird von der DBAutoZug GmbH, Dortmund und der CityNightLine AG, Zürich unter der Marke CityNightLine (CNL) betrieben. Beide Firmen sind 100%ige Töchter der DB Fernverkehr AG und gehören damit zur DB Mobility Logistics, die zu 24,9% privatisiert werden soll.
Das bisherige Zugangebot der DB AutoZug GmbH und der CityNightLine AG
Die DBAutoZug GmbH betreibt internationale und nationale Autozüge, sowie nationale und internationale Nachtzüge, die in der Vergangenheit unter verschiedenen Markennamen fuhren (z.B. Urlaubsexpress, DB NachtZug, CityNightLine). Diese Züge werden seit dem Winter 2007 nur noch unter der Marke „City Night Line“ angeboten.
Im internationalen Nachtzugverkehr existieren Züge mit den Zielen Kopenhagen, Zürich, Mailand, Rom, Paris, Brüssel, Amsterdam, Prag und Warschau. Außerdem wurden unter der Marke „Urlaubsexpress“ Wintersportzüge in österreichische und italienische Skigebiete nach Bludenz (Arlberg), Villach (Kärnten und Salzburger Land), Bozen (Tirol und Südtirol), Wörgl (Tirol) und Selzthal (Steiermark) angeboten.
Veränderungen zum Jahresfahrplan 2009 für Norddeutschland
1. – Einstellung der Nachtverbindung Hamburg-Bremen-Osnabrück-Brüssel-Paris – Der bisherige Zug (CNL 242/243) zwischen Berlin und Paris verkehrt zukünftig über Hannover, Mannheim und Metz, aber nicht mehr über Brüssel. Dieser Zug verkehrt im Winterhalbjahr nur noch an 4 Tagen (Do-So)
2. Einstellung der direkten Nachtverbindung (CNL 408/409) von Bremen, Osnabrück und Münster nach Basel/Zürich. Der verbleibende Zug verkehrt im Winterhalbjahr nur noch an 4 Tagen (Do-So) von Hamburg über Hannover und Göttingen.
3. Einstellung sämtlicher Direktverbindungen in ausl. Wintersportgebiete ab Hamburg, Hannover, Dortmund und Berlin.
Verstärkter Druck auf Beschäftigte
Die rund 600 in Deutschland beschäftigten Zugbegleiter auf den CNL- und Autozügen sind bei der DB European Railservice (100%ige Tochter der DBAutoZug GmbH) beschäftigt.
Von Arbeitgeberseite sind erhebliche Flexibilisierungen der Arbeitszeiten geplant, zum Beispiel:
– Umstellung auf Jahresarbeitszeit, welche das Beinahe-Rundumarbeiten (monatelang eine 70-Stunden-Woche ohne freie Tage) in der Sommersaison ermöglichen soll,
– umgekehrt sollen bei Nichtauslastung der Züge sehr kurzfristige Arbeitsabsagen ohne Bezahlung erfolgen.
Der Arbeitgeber strebt ferner Einkommenskürzungen von mindestens 20% durch Verringerung der bezahlten Zeit an Bord, Streichung von Umsatzprovisionen, Wegfall von Überstundenzuschlägen und monatlichem Arbeitszeitausgleich an.
Per Rundschreiben wurde den Beschäftigten im Zusammenhang mit dem Börsengang generell eine öffentliche Äußerung zu diesen Vorgängen untersagt.
Zusammenhang zwischen DB-Strategie im Nachtzug-/ Fernverkehr und dem Börsengang
Diese Entwicklungen im Bereich des Nachtzugverkehrs fallen nicht zufällig mit dem Börsengang der DB zusammen.
Sie entsprechen in kleinerem Rahmen den negativen Prognosen der von den Bundesländern in Auftrag gegebenen Studie der Berliner Unternehmensberatung KCW, die die Auswirkungen des Börsengangs für den DB-Fernverkehr berechnete und einer von der DB an die US-Investmentbank Stanley Morgan vergebenen Studie, die verschiedene Szenarien des Börsengangs bezifferte:
– KCW kommt zu dem Ergebnis, dass nach dem Börsengang 16 weitere Groß- und Mittelzentren in den kommenden Jahren vom Fernverkehr abgehängt werden (24 Großstädte wurden schon im Zeitraum von 1996 – 2007 u.a. durch die Streichung des ´Interregio´ vom Fernverkehr abgeschnitten);
– der Gewinn im Fernverkehr soll lt. KCW innerhalb von 5 Jahren von 110 Mio (2007) auf 570 Mio (2011) verfünffacht werden;
– die Fahrpreise jährlich um ca. 5-7% steigen (s.a. die aktuell angekündigte Fahrpreiserhöhung um ca. 4% im Dez.´08).
Eine derartig exorbitante Gewinnsteigerung kann nach „Stanley Morgan“ nur durch:
– die „Optimierung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Konzerns“, d.h. durch „Stilllegung unrentabler Strecken“ von je nach Szenario „2600 – 14000km“ abseits der ICE-Metropol-Magistralen,
– das „Geringhalten der Eigenmittelabflüsse für die Instandhaltung“, im Klartext das Sparen an der Wartung und Fahren auf Verschleiß,
– und durch den Abbau von „60000 bis 80000 Arbeitsplätzen“ erreicht werden,
so die Schlussfolgerungen der „Stanley Morgan“-Studie, die auf DB-Zahlen beruht.
Für die Beschäftigen des DB-Konzerns bedeutet diese Entwicklung in der Konsequenz:
– verschärften Lohndruck, weitere Leistungsverdichtungen, Sozialdumping durch Outsourcing und zunehmende Leiharbeit unter Tarif in immer unsichereren Beschäftigungsverhältnissen bis zum Personalabbau Ein aktuelles Beispiel ist die Ausbildung von „Billig-Lokführern“ unter DB-Tarif bei neuen Tochterfirmen, sowie von Sozialdumping bei Ausschreibungen;
für die Bürger:
– weitere Preissteigerungen und Einschränkungen bei der Erreichbarkeit, der Sicherheit und des Service der DB.
Insgesamt widerspricht dies auch dem Grundgesetz, Artikel 87e, der besagt:
„Der Bund gewährleistet, dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes, SOWIE DEREN VERKEHRSANGEBOTEN auf diesem Schienennetz…Rechnung getragen wird.“
Wie das erfolgreiche Beispiel des Protestes gegen die „Schaltergebühr“ zeigt, hilft nur massiver und dauerhaft organisierter öffentlicher Druck der Bevölkerung als Nutzer der Bahn gegen die Börsenbahn insgesamt und für eine bezahlbare „Bahn für Alle“ im öffentlichen Eigentum, wie sie erfolgreich in der Schweiz praktiziert wird.
Ein solches Thema braucht eigentlich eine größere Öffentlichkeit;der verfassungsmäße Auftrag des Bundes gegenüber der DB kann doch nicht einfach so schamlos zu Gunsten des Auto- und Flugverkehrs ignoriert werden.