Minijob: Arbeit, die Existenzangst macht

Zum Januar 2013 wird die steuerfreie Einkommensgrenze für geringfügig Beschäftigte um 50 Euro auf 450 Euro erhöht. Pro Jahr im Minijob entsteht nur ein Rentenanspruch von 3,11 Euro monatlich – nach 45 Versicherungsjahren ist dies auf der Grundlage der heutigen Werte eine Monatsrente von 139,95 Euro.

Mehr als eine halbe Million Minijobs gibt es allein in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern: Der Deutsche Gewerkschaftsbund Nord (DGB Nord) sieht eine branchenübergreifende Tendenz, dass die Arbeitgeber im Norden sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze durch Minijobs ersetzen. Uwe Polkaehn, Vorsitzender des DGB Nord: „Bundes- und Länderregierungen müssen den Abmarsch der Arbeitgeber aus dem Sozialversicherungssystem stoppen. Mit den Minijobs nimmt für viele Arbeitnehmer auch die Existenzangst zu. Die geringfügige Beschäftigung muss 2013 neu geregelt werden.“

Der DGB Nord stützt sich auf eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Auf Basis des IAB-Betriebspanels wurden hochgerechnet etwa 4 Millionen Minijobber in rund 1,1 Millionen Betrieben analysiert – das entspricht etwas mehr als der Hälfte aller Betriebe in Deutschland. Geringfügige Beschäftigung sei eher in Westdeutschland präsent, so die Forscher: Dort setzen 56 Prozent der Betriebe Minijobber ein. Im Gastgewerbe arbeiten bereits 70 Prozent der Firmen mit Minijobs – 34 Prozent der Beschäftigten werden so beschäftigt. Im Einzelhandel sei jeder vierte Arbeitnehmer Minijobber, in der Landwirtschaft fast jeder fünfte. Im Gesundheits- und Sozialwesen nutzen 62 Prozent der Betriebe die Möglichkeit zu geringfügiger Beschäftigung.

Der Studie zufolge ersetzen die Unternehmensleitungen feste Arbeitsplätze immer mehr durch geringfügige Beschäftigung. Um den „Faktor Arbeit“ im Sinne der Arbeitgeber noch intensiver zu nutzen, werde er in Minijobs gestückelt zum Einsatz gebracht. Das Problem: Der Sozialversicherung werden so Beitragszahler entzogen, der Druck auf das Sozialsystem wächst. Vor allem in kleinen Betrieben mit unter zehn Beschäftigten sei diese Tendenz zu erkennen. Auch in den Betrieben mit zehn bis 99 Beschäftigten seien Hinweise auf Verdrängung regulärer Beschäftigungsverhältnisse gefunden worden, so die Forscher.

Der DGB Nord regt eine Neuregelung der geringfügig entlohnten Arbeitsverhältnisse auf der Basis einer Sozialversicherungspflicht ab dem ersten Euro an. „Minijobs bedeuten nicht nur Minilöhne, sondern auch Minirenten“, sagt DGB-Nord-Chef Uwe Polkaehn: „Wir wollen, dass die Arbeitgeber bis zu einem Monatseinkommen von 100 Euro den vollen Sozialversicherungsbeitrag übernehmen. Danach sollte in einer Gleitzone der Arbeitnehmeranteil ansteigen, bis bei einem Gehalt von 800 Euro die paritätische Beitragsfinanzierung erreicht ist.“ Flankierend sei u. a. der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro einzuführen.

Die Kleinstarbeitsverhältnisse werden im neuen Jahr das ohnehin enorme Niedriglohnproblem im Norden verschärfen, so der DGB Nord, den Beschäftigten werden arbeits- und sozialrechtliche Ansprüche in großem Umfang vorenthalten. Polkaehn: „Der Norden würde von einer neuen Ordnung am Arbeitsmarkt besonders profitieren.“

Zahlen und Fakten

258.191 Minijobs in Schleswig-Holstein, 164.984 in Hamburg, 88.384 in Mecklenburg-Vorpommern – 2,2 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in den drei Bundesländern (Stand: März 2012): Die Zahl der atypisch Beschäftigten in Deutschland hat einen neuen Höchststand erreicht. Inzwischen gibt es 7,4 Millionen Arbeitsverhältnisse im Bundesgebiet, in denen die Beschäftigten nicht mehr als 400 Euro verdienen – das betrifft damit etwa 20 Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. 68 Prozent der Minijobber verdienen weniger als 8,50 Euro die Stunde – mehr als ein Drittel kommt nicht über einen Stundenlohn von 4,99 Euro hinaus. Der Durchschnitt der Verdienste liegt nur bei etwa 260 Euro (West) bzw. 200 Euro (Ost). Rund 60 Prozent der Minijobber im Norden sind Frauen.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.