Ladenschluss: Sogar Unternehmen dagegen

WEIHNACHTSEINKAUF.jpegDer DGB Hamburg kritisiert die gestern von der CDU-Mehrheit in der Bürgerschaft beschlossene Freigabe der Ladenöffnungszeiten und warnt vor der Ökonomisierung aller Lebensbereiche und -zeiten.

„Die Freigabe der Ladenöffnungszeiten wird für fast alle Beteiligten Nachteile haben: die Beschäftigten, die Verbraucher sowie für die kleinen und mittleren Unternehmen*“ sagt Erhard Pumm, Vorsitzender des DGB Hamburg, und bezieht sich dabei auf eine aktuelle Umfrage (siehe unten).

„Es ist längst erwiesen und durch die WM nochmals bestätigt, dass ausgedehnte Einkaufszeiten weder nennenswerte Effekte auf den Umsatz noch positive Folgen für die Beschäftigung haben. Die Verbraucher haben bekanntlich immer geringere Nettolöhne zur Verfügung, sie können also nicht plötzlich mehr ausgeben, nur weil die Läden länger geöffnet sind.“

Im Einzelhandel arbeiten zu 70 % weibliche Beschäftigte – sie werden es nun noch schwerer haben, ihren Familienalltag zu organisieren, Beziehungen zu Kindern und Partnern werden leiden. Kleinere Geschäfte, die weniger flexibel sind als große Ketten, werden nicht mithalten können und u.U. in die Pleite getrieben. „So produziert diese Regelung womöglich neue Arbeitslose statt zusätzliche Arbeitsplätze“, sagt Erhard Pumm. „Übrig bleiben die ,Großen‘ und
damit eine geringere Auswahlmöglichkeit für die Verbraucher, die zudem künftig rätseln dürfen, wann wohl welcher Laden geöffnet hat.“

Erste Erfahrungen mit der Freigabe der Ladenöffnungszeiten in Schleswig-Holstein zeigen, dass die Konsumenten sie kaum nutzen – und wenn, dann allenfalls bis 22 Uhr. Dass es auch ganz anders geht, zeigen Bundesländer wie Bayern, wo die Christlich Soziale Union regiert und man mit der bestehenden Regelung durchaus auch weiter leben kann. Erhard Pumm: „Herr Uldall – auch aus einer Partei mit dem C – hätte sich ein Beispiel an seinen
Kollegen im Süden nehmen sollen anstatt sich auch noch auf Bundesebene stark zu machen für verlängerte Ladenöffnungszeiten. Weiß er nicht auch selbst ein halbwegs geregeltes Familienleben zu schätzen?“

Die fast grenzenlosen Öffnungszeiten der Läden seien ein weiterer Schritt zur Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit der Beschäftigten, so Hamburgs DGB-Vorsitzender, die Ökonomisierung aller Lebensbereiche schreite voran. „Es reicht doch, dass in bestimmten Bereichen wie im Gesundheitswesen Arbeit zu unangenehmen Zeiten unabdingbar ist. Doch wer muss unbedingt seinen DVD-Player nachts um 23 Uhr kaufen? Hier wird ohne Not ein weiteres
Schleusentor geöffnet – ein Bereich zieht den nächsten nach sich und auf der Strecke bleiben die notwendigen Ruhephasen in Zeiten immer stärkerer Arbeitsverdichtung.“

* Eine aktuelle Umfrage von Microsoft Deutschland (liegt dem DGB HH vor) ergab, dass sogar die Unternehmen nicht uneingeschränkt für die Freigabe sind: 37 Prozent der Befragten halten die seit 2003 neu geregelten und gesetzlich bestimmten Ladenöffnungszeiten für ausreichend und Dreiviertel befürchten, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit kleinerer Geschäfte gegenüber größeren Kaufhäusern und Handelsketten verschlechtern wird, da die kleinen Geschäfte längere Öffnungszeiten nur schwer gewährleisten könnten.

Von den Befragten, die eine Lockerung oder eine komplette Abschaffung des Ladenschlussgesetzes befürworten, erachtet eine deutliche Mehrheit Öffnungszeiten von montags bis samstags bis 22:00 Uhr für sinnvoll. Sollten überhaupt neue Arbeitsplätze entstehen, werden sie zur Ausdehnung der prekären Beschäftigung führen: 39 Prozent der Unternehmer erwarten mit einer Verlängerung der Öffnungszeiten neue Arbeitsplätze vor allem bei Minijobs.

Die Stichprobe verteilt sich über unterschiedliche Branchen wie folgt: Industrie und Baugewerbe (produzierendes Handwerk): 20%; Dienstleistungen (u.a. Steuerberater, Rechtsanwälte, Ärzte, persönliche Dienstleister): 25%, Handel (u.a. Einzelhändler, Kraftstoffhandel, Autohandel) : 25% Kredit- und Versicherungsgewerbe (kleine Finanzagenturen, Versicherungsbüros): 20% Energie- und Wasserversorgung (kommunale Energie- und Wasserversorger) und Telekommunikation (Internetprovider): 10%

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