Was mit einer friedlich-fröhlichen Besetzung der Häuser im Gängeviertel begann, wächst sich langsam zu einem handfesten Kulturkampf aus. Besonders am Selbstverständnis der GAL, die sich gern als Hüterin des kreativen Hamburg geriert, kratzt die Auseinandersetzung. Die SPD geht das Problem mehr unter stadtplanerischen Gesichtspunkten an, die LINKE setzt sich mit dem Selbstverständnis der Künstler auseinander – und vermutlich werden wir alle Mittwoch in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft hören und sehen, wie man eigentlich nicht mit dem Thema umgehen sollte: Mit Schuldzuweisungen und ohne Lösungsvorschläge.
Hier im Vorgriff auf die Debatte die aktuellen Äußerungen der Fraktionen:
SPD
Gängeviertel: Was will der Senat?
Aktuelle Stunde: Grote fordert klare Positionierung von Schwarz-Grün
Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hat vom Senat Klarheit über seine Ziele und sein Handeln im Streit um das Gängeviertel gefordert. „Es passt nicht zusammen, Verständnis für die Künstlerinitiative zu formulieren, gleichzeitig dem Investor aber freie Hand zu lassen. Es reicht nicht, nebulös anzukündigen, das städtebauliche Konzept des Investors werde überarbeitet und anschließend wieder abzutauchen. Der Senat muss endlich erklären, ob er eine städtische Lösung will, oder ob er weiter eine Investorenlösung verfolgt“, sagte SPD-Stadtentwicklungsexperte Andy Grote am Montag. Nach SPD-Informationen wird weiter intensiv mit der Bayerischen Bau und Immobilien Gruppe über eine Übernahme des Projekts verhandelt. „Der Senat ist dabei, beim Gängeviertel denselben Fehler zum dritten Mal machen“, sagte Grote. Die SPD-Fraktion hat den Streit um das Gängeviertel als Thema für die aktuelle Stunde der Bürgerschaft am kommenden Mittwoch angemeldet.
Grote betonte, eine Lösung im Sinne der Stadt sei weiterhin möglich. „Natürlich macht das Pokerspiel von Hanzefast die städtische Lösung nicht einfacher. Aber hier zahlt der Senat den Preis für seine Fehler der Vergangenheit.“ Die nachvollziehbaren Forderungen der Künstlerinitiative nach einem vollständigen Erhalt des Gängeviertels und nach mehr bezahlbaren Atelierräumen in Hamburg seien mit der Planung des Investors nicht vereinbar. „Ich glaube, zu einer Rückabwicklung des Vertrags und zu einer Sanierung des Gängeviertels in städtischer Verantwortung gibt es daher keine Alternative“, sagte Grote.
Im Gängeviertel werde sich zeigen, „ob der Senat in der Lage ist, eine Stadtentwicklungspolitik zu machen, die der Vielschichtigkeit der Stadt und ihrer Bewohner Raum gibt und die nicht nur die Interessen des Finanzsenators im Auge hat“, sagte der SPD-Stadtentwicklungsfachmann. Es gehe im Gängeviertel um den Erhalt von Freiräumen und um eine Flächenpolitik jenseits einer reinen Verwertungslogik – und damit genau um die Anliegen des Künstlermanifestes, das vergangene Woche nicht ohne Grund im Gängeviertel vorgestellt wurde.
Als „einer gemeinsamen Lösung im Gängeviertel nicht dienlich“ bezeichnete Grote die Irritationen über den Kurs der GAL in diesen Fragen. „Bisher hat es allein Differenzen zwischen Schwarz und Grün gegeben. „Dass der selbsternannte oberste Kreativszene-Förderer der GAL-Fraktion dem Anliegen der Künstler gegenüber einen anderen Kurs vertritt, als sein Fraktionschef, macht die Suche nach der geforderten gemeinsamen Lösung nicht leichter“, sagte Grote. Der Senat – und mit ihm die GAL – müsse sich am Ende zwischen privater und öffentlicher Lösung klar entscheiden. Für einen „dritten Weg“ gebe es weder Raum noch Zeit, sagte Grote.
LINKE
Kulturpolitik: Schwarz-grüner Schlingerkurs wird ungebremst fortgesetzt
Während die Kulturschaffenden im Gängeviertel und im Frappant die traurige Realität der schwarz-grünen Kulturpolitik zu spüren bekommen, bleibt der Senat bei warmen Worten und unverbindlichen Absichtsbekundungen. Die Regierungsfraktion steuern bei Bedarf Klartext bei: Nachdem aus den Reihen der CDU von einem „sozialistischen Streichelzoo“ die Rede war, zeigt die Reaktion des Abgeordneten Farid Müller auf das Manifest „Not In Our Name“, dass Gedanken über Kultur außerhalb der wirtschaftlichen Verwertbarkeit auch bei der GAL schnell unter Sozialismusverdacht stehen.
„Symptomatisch ist der nichts sagende Kommentar zur Sache von Jens Kerstan. In „Tonfall“ und „Wortwahl“ entsprächen die Äußerungen Farid Müllers nicht der Meinung der GAL-Fraktion – inhaltlich aber scheint man sich aber durchaus einig zu sein. Fast so als wäre die Botschaft: Solange Künstler von einem „aufgestockten“ (Gümbel) Kulturetat profitieren und damit die Gentrifizierung mit vorantreiben, sollen sie sich nicht erdreisten klare Worte für reelle Probleme zu finden“, kritisiert Norbert Hackbusch, kulturpolitischer Sprecher der Fraktion.
Nachdem in Sachen Gängeviertel die Kulturbehörde in ihrer Vermittlerrolle gescheitert ist und die Finanzbehörde nach wie vor schweigt, unterstreichen die knappen Äußerungen der Stadtentwicklungssenatorin Hajduk, dass sie Stadt nicht in der Lage ist eine eigene Richtung vorzugeben: „(… ) wir das städtebauliche Konzept für das Gängeviertel überarbeiten wollen. Hierbei werden wir sowohl die Initiative der Künstler als auch die geltenden Verträge berücksichtigen (…).“
Nach wie vor glaubt die Stadt der Öffentlichkeit vorgaukeln zu können, sie stünde souverän mit allen Beteiligten in Verhandlungen und am Ende werde eine für alle Seiten zufrieden stellende Lösung gefunden werden. Tatsächlich aber kann die Stadt den Künstlern nach wie vor nur ungeliebte Zwischennutzungen anbieten. Hanzevast tanzt hingegen seinem Vertragspartner mit rechtlichen Schritten auf der Nase herum.
„Bei dem Schlingerkurs, den der schwarz-grüne Senat mit der GAL am Steuer in Sachen Kulturpolitik und Stadtentwicklung fährt, kann einem schon verdammt schwindelig werden. Immer wieder versucht sich die schwarz-grüne Regierung um klare Entscheidungen herum zu lavieren“, kritisiert Norbert Hackbusch.
Dass nun auch noch in Altona die Immotrading ohne Not den KünstlerInnen im Frappant zu Ende November gekündigt hat, und damit zum Winter 130 KünstlerInnen auf der Straße geworfen werden, setzt der desolaten kulturpolitischen Situation in der Stadt die Krone auf. Unterschiedliche Menschen in der Stadt konfrontieren die schwarz-grüne Regierung mit reellen Problemen. Wenn die schwarz-grüne Regierung sich diesen Problemen nicht bald stellt, läuft sie Gefahr vollends ihr Gesicht zu verlieren.
Offener Brief an Farid Müller
Herr Farid Müller …….so entsetzt greift der eigene Kulturbegriff nicht mehr dahin wo Sie sind und damit ins Leere oder handelt es sich bei Ihrer Reaktion auf „Not in our Name“ um ein anderes auslegungsbedürftiges Orakel?
Was für eine Vorstellung haben Sie von künstlerischen Poduktionsprozessen, von den Paradigmen der Intuition – dem leisesten Zweifel die größte Aufmerksamkeit zu schenken –
Und dann geht es um die Wurst, dass im kleinsten Ablauf alles enthalten ist, was im Großen und Ganzen leicht zu übersehen wäre, was mache ich damit, was machen Sie mit der Aussicht ein Michael Kolhass werden zu können und keine Alternative zu haben, da darf man nicht mehr wählerisch sein.
Dass die Sensibelchen in ihrem Streichelzoo den harten Zugriff des gemeinen Wesens sehr wohl spüren muß ich nicht weiter erklären – aber sie haben nicht die Bereitschaft auf den Clown noch etwas doller zu treten damit er noch lauter schreit um den eigenen Ton nicht zu hören – sondern ihm das seine auch als das des anderen aufzumalen, ein Tattoo als vorübergehendes Bild unserer Gesellschaft – rein informell, geht dieser Art Erkenntnis sehr wohl unter die Haut
Nur verstehen die Zuständigen so etwas immer erst, wenn es heißt Keilschrift mitten zwischen die Augen, der Druck des Druckbuchstaben reicht nicht – oder wieviel muß er haben – damit die Pore groß genug ist Herr Müller.
Weiß man da wo man ist ?
Die Spielregeln sind bekannt bis zur Unkenntlichkeit, direktes umbringen verboten, vorübergehendes abdrücken der Luft erlaubt – sozusagen nicht getötet aber etwas ungünstig beerdigt – die halb gezündete Endstufe, der letzte gerodete Baum – für den wir uns noch einen Ast lachen können.
Atomkraft, was solls – ich wohn nach hinten raus.
Die sogenannten armen Irren in ihren Opferrollen haben allen Grund verzweifelt zu sein, wenn sie die Komödie der Vermittlung ihrer gesellschaftlichen Ansichten zu Ende spielen wollen, dann höchstens um das Unglück müde zu machen.
Dabei machen wir alle mit der entarteten Mutation des Großhirns mangels Instrumentarium unter der Pranke des Geistes unfreiwillige Wanderungen zwischen Kernneurose und Milieuverschiebung.
Aber diese Prozesse transparent zugänglich und offen zu halten ist überlebensnotwendig für uns alle. Überflüssig in diesem Zusammenhang von DuftMARKEN zu reden, es riecht und wir sitzen nun mal dicht am Fenster. Oder um es mit poetischen Mitteln auszudrücken, die christliche Hölle wird säkularisiert; jeder Unternehmer darf sich im Nebenamt als Ablaßhändler gerieren: Tausche Wohlverhalten gegen vorläufige Weiterbeschäftigung.
Angst zerstört jede Zivilcourage, verwandelt die Gesellschaft in eine Agglomeration bindungs- und damit hilfloser, d.h. zu jeder Form von Widerstand unfähiger Individuen.
Die deutschen Eliten haben den Schierlingsbecher randvoll mit Angst gefüllt und der Gesellschaft gereicht; ob er auch der Demokratie angeboten oder sein Inhalt doch weiterhin als Kontaktgift verabreicht wird, ist noch nicht ganz entschieden.
Wenn Sie sich also von dem schönen Schreiben angefasst fühlen Herr Müller, dann doch nur weil Sie das Anliegen im innersten nicht berührt, es ärgert sie nur etwas nicht kontrollieren zu können was Sie als Lebenseinstellung nicht verstehen. Ich bin als Künstler kein sozial abartiges Exoticum, sondern ich besitze einen strukturellen Zusammenhang mit meinem Nährboden, der auch Sie sind.
Ihre Hompage Herr Farid Müller ist in künstlerischer Hinsicht betriebswirtschaftlich der reinste Offenbarungseid und das meine ich anders als Sie es verstehen.
Sie ziehen wie Wunderdoktor Little durch die Gegend alles busy und Sie verstehen so gut und machen so viel und dann abends noch ein Bier mit Corny Littmann in der Wunderbar.
David im Siegestaumel bewegt sich von der Vernunft weg, ein Künstler ist dort nie angekommen.
Mißtrauisch bis zum letzten Atemzug und vor allem auch sich selbst gegenüber.
Das Werk nimmt die Gesellschaft beiläufig mit in Kauf, und wenn wir Kontrolle über die Ohnmacht unserer Tage bekommen Herr Müller, dann ist alles verloren.
Die Position der Wahrnehmung ist diesbezüglich nicht verhandelbar, nicht wegen einer Absicht, sondern in jeder Hinsicht.
Wenn jemand wie Sie dann behauptet, ich war doch immer für eure Interessen da, meint der einen anderen Ort. Sie haben ein wählbares Verhältnis zur Gesellschaft und ,sagen wir mal so, müssen wohl auch flexibel sein, aber was auch immer, im tieferen Sinne ist im kulturellen Bereich nicht von leichtfüßigkeit auszugehen wenn es um die letzte kritische Masse einer Gesellschaft geht.
Auch Unterhaltung hat etwas mit Unterhalt, mit Schulden zu tun, das etwas zurückgegeben wird. Ich kann aber deshalb mein Verständnis zur Gesellschaft nicht variieren, da sie selbst mein Handeln mitbestimmt. Da bleibt nur berühren und zu ergreifen, die empfindlichste Stelle, weil es keinen anderen Zugriff gibt. – Unsere Wirtschaft unsere Banken, – haben die Republik in dem Augenblick in die Hand genommen wo Politiker ihre nicht aufgehalten haben, ganz legal, diese Kreise, lassen sich ungern stören, aber deshalb muß ich doch nicht an der Biegung des Flusses sitzen bleiben bis die Leiche meines Feindes vorbeifließt.
Schließlich machen sie aus unserem Land ihr eigenes, ein Scheinreich, sie schreiben es liebe und sprechen es loben . Mit wem wollen sie da noch reden, dafür ist außer Psychiatrie keiner zuständig; das nennt man ansonsten schizophren machende Faktoren in der Familiengruppendynamik.
Vielleicht bekommen Sie jetzt ein gewisses Frontgefühl für den Arbeitsstatus als kunstschaffender.
Es wurden in der Geschichte Ihrer Partei für die Karriere einzelner auch schon ganze Idee geopfert, natürlich holt so etwas ein, aber wer hört schon auf andere wenn er sich selbst meint.
Mit Ihrem Kulturbegriff wird Ihnen nichts anderes übrig bleiben, als mit einer romantischen Kulisse im Koordinatenkreuz weiter den Dienstbotenaufgang der Sonne zu gehen.
Wir brauchen Räume, verschaffen Sie uns Räume in denen wir unsere Arbeit tun können, Räume für Kunst, ist Raum für Leben, wo jeder Zugang zu seinen unbegreiflichen Seiten bekommt, ist er mit Beliebigkeiten nicht in den Griff zu kriegen, wir brauchen für unser Land solche Menschen, ansonsten werden wir wie Stuckrad Barre mal gesagt hat, „alle in einem Meer von Marshmallows und Coca Cola ertrinken“.
Nur die Analogie Herr Müller wir hätten mit dem Hinzug in die Viertel selbst für die Gentrifizierung gesorgt, – nein – ein echter Zombie aus dem Grab der Ideen, uns für die Weiterungen anderer verantwortlich zu machen, ist, wie Jesus als Zimmermann mit den Fertigungsmöglichkeiten für ein Kreuz selbst dafür gesorgt hätte, an selbiges auch geschlagen zu werden; ab da verkehre ich im Dialog mit Ihnen an der nächsten Ampel auch nach dem Kreuzigungsrecht.
Es grüßt
Wilhelm Fischer-Dango