Anlässlich des Europäischen Protesttags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung am morgigen Mittwoch hat der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Uwe Grund den Senat zu Korrekturen in der Behindertenpolitik aufgefordert. Die LINKE wendet sich gegen die Abschiebung in Pflegeheime.
„Es muss endlich Hilfe für diejenigen geben, die es schwer haben“, sagte Grund. Nötig sei insbesondere eine „Begegnung auf Augenhöhe zwischen Menschen mit und ohne Behinderung“. Weiter mahnte Grund eine ehrliche Bestandsaufnahme an, was die bisher erzielten Erfolge bei Barrierefreiheit und Gleichstellung betrifft. „Und schließlich brauchen wir in Politik und Nachbarschaft den Mut zu einem beherzten Anpacken dort, wo es an der Umsetzung guter Ziele und Gesetze unübersehbar hapert“, sagte Grund.
Der SPD-Abgeordnete Grund, in der SPD-Bürgerschaftsfraktion verantwortlich für Behindertenpolitik, wird morgen um 11.00 Uhr an einer zentralen Protestkundgebung vor dem Bezirksamt Eimsbüttel teilnehmen. Die Kundgebung findet dort statt, weil nach Angaben der Initiative „Autonom Leben“ das Sozialamt Eimsbüttel mindestens vier junge Studenten mit Körperbehinderung aus Kostengründen und gegen deren Willen in ein Pflegeheim abschieben wolle.
„Die Behörde handelt offenbar nach der Maxime: Falls die ambulante Betreuung und Versorgung eines Menschen mit Behinderung besonders hohe Kosten verursacht – etwa weil er besonders komplexe Hilfeleistungen benötigt – dann gilt der sogenannte Mehrkostenvorbehalt. Auf dieser rechtlichen Basis erlaubt sich die zuständige Behörde allem Anschein, den entsprechenden Menschen in ein Heim einweisen zu wollen.“
Junge Menschen mit Körperbehinderung müssten aber ein Recht darauf haben, zum Beispiel ihr Studium in einem Rahmen zu absolvierten, der ihrer Ausbildung förderlich ist. Das sei in einem Pflegeheim nicht unbedingt gegeben. „Wenn Ambulantisierung nur dann gefördert wird, wenn sie günstiger ist als ein Heimaufenthalt, dann ist das nicht vereinbar mit der UN-Konvention. Dort wurde eine klare Rechtslage zu Gunsten der freien Wahl der Wohnsituation geschaffen, die für jeden gilt“, sagte Grund. In vielen Fällen könne mehr ambulante Betreuung für den Betroffenen wie die Kassenlage gut sein. „Wenn dann – im Interesse der Betroffenen – an anderer Stelle einmal Mehraufwand entsteht, ist das aus meiner Sicht hinzunehmen.“
Das sagt die LINKE:
Europaweiter Protesttag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung: Keine Abschiebung in Pflegeheime!
In Hamburg kämpfen schwerstbehinderte Menschen darum, nicht gegen ihren Willen in ein Heim zu müssen. Auch heute noch wird ihnen das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben in ihrer eigenen Wohnung mit Kostenargumenten verweigert. Die Fraktion DIE LINKE wird sich daher an der Protestkundgebung vor dem Bezirksamt Hamburg-Eimsbüttel am 5. Mai um 11 Uhr beteiligen, um gegen die Diskriminierung behinderter Menschen zu protestieren.
Hintergrund für die behindertenfeindliche Senatspolitik ist eine gesetzliche Regelung: Im Bereich der Sozialhilfe besteht kein Anspruch auf die Umsetzung persönlicher Wünsche nach ambulanter Versorgung in der eigenen Wohnung, wenn das gegenüber einem Heimaufenthalt mit „unverhältnismäßigen Mehrkosten“ verbunden ist. Die LINKE fordert daher, diesen Kostenvorbehalt aufzugeben und stattdessen die berechtigten Wünsche behinderter Menschen zu berücksichtigen. Im Bundestag hat die LINKE bereits einen Antrag auf Einführung eines Gesetzes zur Sozialen Teilhabe gestellt, damit behinderten Menschen endlich die gleichen Lebenschancen wie Nichtbehinderten eröffnet werden.
Deutschland hat die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen unterschrieben. Sie ist dadurch ein deutsches Bundesgesetz geworden, auf das sich behinderte Menschen in Deutschland berufen können. Nach der Behindertenkonvention sind die Vertragsstaaten verpflichtet, dafür zu sorgen, dass „behinderte Menschen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Wohnsitz zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben.“
Dazu erklärt Wolfgang Joithe, sozialpolitische Sprecher: „Menschen mit Behinderungen werden aus finanziellen Gründen in ihren Rechten beschnitten und ihnen wird die verbliebene Selbstbestimmung genommen. Wir fordern den Senat auf, seinen Handlungsspielraum zu nutzen und entsprechend der Behindertenkonvention umgehend den Vorrang der ambulanten Leistungen auch in den Fällen umzusetzen, in denen behinderte Menschen einen größeren Hilfebedarf haben.“
Die LINKE unterstützt die Forderungen des Aktionstages gegen die Diskriminierung behinderter Menschen und verlangt die sofortige Umsetzung der UN-Behindertenkonvention in Hamburg und wird sich auch in der Hamburgischen Bürgerschaft dafür einsetzen.