Kälte, Glatteis, Verspätungen: Darauf müssen Chefs und Arbeitnehmer achten

Extremes Wetter, ob im Winter oder Sommer, stellt Beschäftigte vor besondere Fragen: Was ist etwa bei Verspätungen wegen „Eiskratzens“ oder Zugausfalls? Was ist bei einem Glatteis-Unfall auf dem Arbeitsweg? Gibt es eine Mindesttemperatur oder eine Höchsttemperatur in der Fabrik oder im Büro? Die Expertinnen und Experten der DGB Rechtsschutz GmbH geben dazu die wichtigsten Informationen.

Hier die wichtigsten Antworten:
• Wer wegen Schneefalls zu spät zur Arbeit kommt, hat keinen Anspruch auf Bezahlung der verpassten Arbeitszeit. Grundsätzlich gilt, dass es Sache des Arbeitnehmers ist, wie er zur Arbeit kommt. Er schuldet pünktliches Erscheinen, wie er dies erreicht, ist nicht Problem des Arbeitgebers. Man spricht insofern auch davon, dass der Arbeitnehmer das Wegerisiko trägt. „Ich musste Eiskratzen“ ist demnach keine Ausrede.
• Bei witterungsbedingten Unfällen auf dem Arbeitsweg – zum Beispiel bei Glatteis – zahlt die gesetzliche Unfallversicherung Gesundheitsschäden, Behandlungskosten, Verletztengeld (bei Verdienstausfall) oder eine Verletztenrente. Sie zahlt aber NICHT Sachschäden an Autos, Motorrädern oder Fahrrädern.
• Zu kalt im Büro oder in der Werkshalle? Maximale und Mindest-Temperaturen am Arbeitsplatz gibt es tatsächlich laut Arbeitsstättenverordnung. Diese Grenzwerte bedeuten aber nicht, dass bei Temperaturen darüber oder darunter die Arbeit sofort eingestellt werden darf. Der Arbeitgeber muss aber sorgen, dass „eine gesundheitlich zuträgliche Temperatur“ herrscht. Wie ein Arbeitgeber das tut, liegt bei ihm. Bei bestimmten Maßnahmen muss der Betriebsrat beteiligt werden (zum Beispiel, wenn Arbeitszeiten oder Pausen verlegt werden).
• Der Betriebsrat kann bei extremen Temperaturen verlangen, dass der Arbeitgeber Abhilfe schafft. Lehnt der Arbeitgeber eine Vereinbarung ab, geht es vor eine Einigungsstelle.

Fragen und Antworten

Was ist, wenn Arbeitnehmer aus Witterungsgründen zu spät zur Arbeit kommen?
Grundsätzlich gilt, dass es Sache des Arbeitnehmers ist, wie er zur Arbeit kommt. Wenn der Arbeitnehmer also aufgrund der Witterung zu spät zur Arbeit erscheint, hat er für die Zeit, in der er nicht gearbeitet hat, auch keinen Anspruch auf Lohn. Es gilt das allgemeine Prinzip: „Ohne Arbeit kein Lohn“. Er muss die ausgefallenen Stunden grundsätzlich auch nicht nachholen. Anders ist es natürlich, wenn beim Arbeitgeber ein Überstundenkonto geführt wird, die ausgefallenen Stunden werden dann als Minusstunden verbucht und können entsprechend zu einer späteren Zeit nachgeholt werden. Der Arbeitgeber kann aber niemanden zwingen, die morgens ausgefallenen Stunden abends dranzuhängen, insbesondere dann nicht, wenn etwa eine Teilzeitkraft mittags gehen muss, weil ein Kind von der Schule abzuholen ist. Aber um es noch einmal klar zu sagen: Jeder ist selbst dafür verantwortlich, dass er pünktlich zur Arbeit erscheint. Bei Verspätungen entfällt grundsätzlich der Lohnanspruch, und zwar unabhängig davon, ob man für die Verspätung etwas kann oder nicht. Erhebliche Verspätungen, wie etwa gerade bei dem Zug aus Norden mit 22 Stunden, führen zum Wegfall der Vergütung, weil der Ausfall nicht „in der Person des Arbeitnehmers“ liegt. Da muss der Arbeitnehmer sich an die Bahn wenden wegen Schadensersatz. Aber da es sich um einen Fall der „höheren Gewalt“ handelt , kann der Arbeitnehmer nicht für sein Fehlen abgemahnt werden. Grob gesagt ist der Arbeitnehmer für das verantwortlich, was er selbst steuern und planen kann, etwa längere Anfahrtszeit bei Schnee. Wenn er dann zu spät oder nicht kommt, riskiert er Lohnverlust oder Abmahnung. Liegt es hingegen außerhalb seines Einflusses, kann ihm dies nicht vorgehalten werden, er verliert aber ggf. seinen Lohnanspruch und muss sich deswegen, wenn möglich, an den Verursacher wenden.

Verhinderung aus subjektiven Gründen
Der Arbeitgeber muss nur in wenigen Ausnahmefällen trotz fehlender Arbeit den Lohn weiter zahlen, wenn der Arbeitnehmer „eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird“, also der Arbeit fernbleibt. Schneefall oder Glatteis sind aber keine „in der Person“ liegenden, sondern objektive Gründe, die alle in gleichem Maße treffen. Das gleiche gilt bei Hochwasser, Demonstrationen, Straßensperren, allgemeinen Fahrverboten, Zugausfall oder auch bei Streiks der Verkehrsbetriebe. Ein subjektiver Grund liegt zum Beispiel vor, wenn aufgrund der Witterung der Kindergarten oder die Schule geschlossen bleibt und der Arbeitnehmer keine andere Betreuungsmöglichkeit findet. Denn der Grund für die Arbeitsverhinderung liegt dann „in der Person“ des Arbeitnehmers, weil sein eigenes Kind unbedingt Betreuung braucht. In diesem Fall besteht zumindest für einige Tage Anspruch auf Weiterzahlung des Lohnes. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 616 BGB. Die Bestimmung des § 616 BGB ist jedoch abdingbar, das heißt es kann nicht nur eine Verbesserung zugunsten der Arbeitnehmer vorgenommen werden, sondern der Anspruch kann beschränkt oder sogar vollständig ausgeschlossen werden. Möglich ist dies sowohl durch Arbeitsvertrag als auch durch Tarifvertrag, unter Umständen auch durch Betriebsvereinbarung.

Abmahnung wegen witterungsbedingter Verspätung
Eine andere Frage ist, ob die Verspätungen wegen Eis und Schnee dazu führen können, dass der Arbeitgeber eine Abmahnung ausspricht. Hier kommt es auf den Einzelfall an, weil eine Abmahnung nur für ein vorwerfbares Verhalten ausgesprochen werden darf. Eine Abmahnung bei einem kurzfristigen Wintereinbruch oder wenn es wegen eines Unfalls zu Verkehrschaos kommt, wäre sicher nicht zu rechtfertigen. Man wird vom Arbeitnehmer aber verlangen können, dass er sich grundsätzlich auf die Witterungssituation einstellt und entsprechend mehr Zeit einplant. Die Ausrede, wegen des Schnees nicht rechtzeitig zur Arbeit erscheinen zu können, dürfte der Arbeitgeber spätestens nach drei oder vier Tagen nicht mehr hinnehmen. Dann wäre eine Abmahnung gerechtfertigt, insbesondere, wenn alle anderen Mitarbeiter pünktlich sind. Auch die Fälle von „höherer Gewalt“ schließen eine Abmahnung aus, hierbei muss man allerdings vorsichtig sein: Nicht jeder unerfreuliche Umwelteinfluss stellt einen Fall der „höheren Gewalt“ dar. Hiervon kann man nur seltenen Fällen sprechen, wenn etwa der Deutsche Wetterdienst die Bevölkerung aufgefordert, wegen Überschwemmungen oder Eisglätte nicht auf die Straße zu gehen. Solche Ereignisse, gegen die sich kein Arbeitnehmer wappnen kann, führen ebenfalls bei Nichterscheinen bei der Arbeit nicht zu einer Abmahnung.

Wegeunfall
Bei ungünstiger Witterung kommt es vermehrt zu Unfällen. Rechtlich gilt hier das, was auch sonst bei Wegen von und zur Arbeit gilt: Wenn sich der Unfall auf dem direkten Weg zur Arbeit ereignet hat, gilt er als Arbeitsunfall, die Behandlungskosten werden von der Berufsgenossenschaft übernommen, diese zahlt gegebenenfalls auch eine Verletztenrente. Dabei ist grundsätzlich nur der direkte Weg von und zur Arbeit vom Versicherungsschutz der Unfallversicherung umfasst. Bei Schnee und Glatteis aber sind unter Umständen auch Umwege mitversichert, die erforderlich werden, weil der übliche Weg zur Arbeit unpassierbar oder zu gefährlich ist.

Arbeitsausfall wegen schlechter Witterung

In Ausnahmefällen mag es sogar vorkommen, dass die Arbeit überhaupt nicht stattfinden kann, weil es witterungsbedingt zu größeren Störungen des Betriebsablaufs kommt? Diese Frage betrifft dann nicht mehr das Wegerisiko, sondern das allgemeine Betriebsrisiko, das grundsätzlich der Arbeitgeber trägt. Wenn Risiken aus der Sphäre des Arbeitgebers dazu führen, dass die Arbeit unmöglich ist, kann dies nicht zu Lasten des Arbeitnehmers gehen. Für den Arbeitnehmer heißt das, dass er seinen Lohn weiter erhält, auch wenn er nicht arbeitet. Unter Umständen kann aber die Bundesagentur für Arbeit mit Kurzarbeitergeld einspringen, im traditionell saisonabhängigen Baugewerbe besteht zudem Anspruch auf Saisonkurzarbeitergeld. Auch eine akute Unwetterwarnung kann der Grund sein, dass es für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht zumutbar ist, sich auf den Weg zum Arbeitsplatz zu machen. In der Regel ist das dann eine begründete Arbeitsverhinderung, die dazu berechtigt, der Arbeit in dieser Situation fern zu bleiben.

Temperatur am Arbeitsplatz
Wo mehrere Kolleginnen und Kollegen in einem Raum zusammen arbeiten, gibt es in der Regel auch unterschiedliche Bedürfnisse und Temperaturempfindungen. Was dem einen zu kalt ist, ist der anderen schon viel zu heiß. Wo die eine frischen Wind reinlassen will, sitzt der andere in der Zugluft. Rechtlich regeln lassen sich solche unterschiedlichen Interessen naturgemäß kaum. Wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter untereinander keine Lösung finden, um die Temperatur und das Frischluftbedürfnis für alle verträglich zu gestalten, ist gegebenenfalls der Betriebsrat der richtige Ansprechpartner. Betroffen ist hier die Ordnung des Betriebes bzw. das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb sowie der betriebliche Arbeitsschutz. Der Betriebsrat kann hier im Idealfall zwischen den betroffenen Kolleginnen und Kollegen vermitteln. Falls keine einvernehmliche Lösung der Konflikte zu erreichen ist, könnte aber auch eine Betriebsvereinbarung über den Umgang mit Temperaturen, Fensteröffnungszeiten oder ähnlichem einen solchen Konflikt befrieden. Soweit örtlich und betrieblich möglich, ist es in solchen Situationen natürlich zunächst sinnvoll die Arbeitsplätze räumlich so zusammenzusetzen, dass die jeweiligen Bedürfnisse miteinander in Einklang zu bringen sind. Der Arbeitgeber hat die Pflicht, für „eine gesundheitlich zuträgliche Temperatur“ in den Arbeitsräumen zu sorgen.

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