Jedes dritte Kind kommt nicht zur U-Untersuchung

In manchen Hamburger Stadtteilen stellt ein Drittel der Eltern ihr Kind nicht zur U-Untersuchung vor. Das ergab eine Große Anfrage der SPD-Fraktion. Familienexpertin Carola Veit sieht deshalb die Forderung nach verbindlichen U-Untersuchungen für alle Kinder bestätigt. Entsprechende Anträge sind von CDU und GAL bisher abgelehnt worden – obwohl es in den übrigen 15 Bundesländern inzwischen schärfere Regelungen zum Wohl der Kinder gibt.

Nach wie vor nehmen zahlreiche Hamburger Kinder nicht an den „U-Untersuchungen“ teil: Allein an den Vorsorgeuntersuchungen U4 und U5 (3. – 7. Lebensmonat) nahmen in Hamburg zwischen 2005 und 2008 jährlich rund 1300 Kinder nicht teil. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Große Anfrage der SPD-Bürgerschaftsfraktion hervor. Zwar sind die Teilnahmequoten an den U-Untersuchungen bis zum Kindesalter von rund fünf Jahren insgesamt leicht gestiegen, insbesondere in sozial schwierigen Stadtteilen sei die Teilnahmequote aber viel zu gering – und teilweise sogar weiter rückläufig, so Carola Veit, Familienexpertin der SPD.

„Dort, wo es besonders wichtig wäre, bringen viel zu viele Eltern ihre Kinder nicht zu den Untersuchungen. Der Senat lässt das zu“, so Veit weiter. Die SPD sehe sich angesichts der neuesten Zahlen des Senats in ihrer Forderung nach einer gesetzlichen Regelung bestätigt: „Wir brauchen verbindliche U-Untersuchungen. Die Nicht-Teilnahmequoten sind zu hoch“, sagte Veit. Zwar bleibe es in erster Linie die Pflicht der Eltern, für das Wohl ihrer Kinder zu sorgen. Die Vergangenheit habe aber gezeigt, dass nicht alle Kinder so umsorgt werden, wie es sein sollte. „Diese Kinder darf der Staat nicht im Stich lassen. Bei Gesundheitsvorsorge und Kindesschutz geht das Kindeswohl ganz klar vor“, so Veit.

Bei den U4-Untersuchungen (vorzunehmen in der Zeit vom 3. bis 4. Lebensmonat des Kindes) liege die Teilnahmequote bei 95,2 Prozent, bei der U5 (6. – 7. Lebensmonat) bei 94 Prozent. „Das hört sich im ersten Moment nach einer guten Quote an. In Wahrheit bedeuten die Zahlen aber, dass an der U4 über 600 Kinder und an der U5 rund 750 Hamburger Kinder nicht teilgenommen haben“, sagte Veit.

Insbesondere in sozial problematischen Stadtteilen – und damit dort, wo es besonders wichtig wäre – würden Kinder nicht zu den Untersuchungen gebracht. In 19 Stadtteilen nehme etwa jedes vierte Kind nicht an den ärztlichen Untersuchungen teil, in weiteren 14 Stadteilen ist es rund jedes dritte Kind, wie aus der Antwort des Senats auf die SPD-Anfrage hervorgeht. In neun dieser Stadtteile ist die Teilnahmequote sogar weiter zurückgegangen, so zum Beispiel in St. Georg, St. Pauli und Billstedt.

Zu den Teilnahmequoten von Kindern mit Migrationshintergrund sei der Senat nicht auskunftsfähig, kritisierte Veit. Bei Kindern mit nicht deutscher Staatsangehörigkeit sei die ohnehin schon deutlich niedrigere Teilnahmequote von der U1 bis inkl. der U7 im Zeitraum zwischen 2005 und 2008 noch weiter gesunken. Sie betrage hamburgweit etwa bei der U4 jetzt 80,5 Prozent und bei der U5 77,6 Prozent, sagte Veit: „Das zeigt, wie groß die Lücken im Sicherheitsnetz tatsächlich sind. Und das zeigt auch, welches Risiko der CDU-GAL-Senat mit seiner Weigerung eingeht, alle U-Untersuchungen verbindlich zu machen, sondern nur einen Modellversuch für U6 und U7 starten zu wollen.“

Diese Weigerung von Schwarz-Grün sei insofern bemerkenswert, als von den 15 anderen Bundesländern elf mittlerweile eine entsprechende landesgesetzliche Regelung hätten – und die vier anderen zumindest einen Gesetzentwurf. Auch vor diesem Hintergrund ist die Weigerung des Hamburger Senats nicht nur unverständlich – sie ist in hohem Maße gefährlich“, sagte Veit.

Veit warf CDU und GAL in der Diskussion um die Verbindlichkeit von U-Untersuchungen eine Täuschung der Öffentlichkeit vor. Eine von CDU und GAL in ihrem aktuellen Bürgerschaftsantrag (Drs. 19/2463) behauptete zeitgleiche „Doppeluntersuchung“ („U7a“ und die Untersuchung gemäß Hamburgischem Kinderbetreuungsgesetz) gebe es nicht, wie der Senat in seiner Antwort auf die SPD-Anfrage eingestehen muss. „Die Daten werden gar nicht erfasst. Der Senat weiß also nicht, welche Kinder jeweils untersucht werden und welche nicht“, sagte Veit. Zudem sei die U7a bis zum dritten Geburtstag durchzuführen, während die Untersuchung gemäß Hamburgischem Kinderbetreuungsgesetz im vierten Lebensjahr stattfinden soll, was eine Zeitgleichheit bzw. „Doppeluntersuchung“ ausschließe. Angesichts der Zahlen sei es skandalös, dass die Koalition die gesetzlich vorgeschriebene Untersuchung der Drei- bis Vierjährigen im Kindergarten ersatzlos streichen wolle.

Bezeichnung und Zeiträume für die U-Untersuchungen
U1: Neugeborenen-Untersuchung
U2: 3. – 10. Tag
U3: 4. – 6. Woche
U4: 3. – 4. Monat
U5: 6. – 7. Monat
U6: 10. – 12. Monat
U7: 21. – 24. Monat
U 7a: 34. – 36. Monat
U8: 43. – 48. Monat
U9: 60. – 64. Monat

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.