Hamburgs Bezirksämter legen ihren Kinderschutzbericht 2010 vor: Die an den Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) der Jugendämter gemeldeten Anliegen sind insgesamt um 3 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen.
Der Anstieg wird als Hinweis darauf gewertet, dass der Unterstützungsbedarf in den Familien weiter wächst und sich gleichzeitig Meldeverfahren, Kooperationen und Vernetzungen der Fachkräfte etabliert haben.
Die Anzahl der Verdachtsmeldungen auf Kindeswohlgefährdung ist erstmalig um 10 Prozent zurück gegangen. Der wesentliche Grund dafür ist ein verändertes Bearbeitungsverfahren der Polizeimeldungen im ASD. Seit August 2010 wird nicht mehr jede Polizeimeldung „automatisch“ als Kindeswohlgefährdung eingegeben, sondern die ASD-Fachkräfte entscheiden je nach Inhalt der Meldung vor dem Hintergrund der fachlichen Standards, ob eine Kindeswohlgefährdung vermutet werden kann oder nicht.
Die Anzahl der kurzfristigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen durch die Fachkräfte der Jugendämter und des Kinder- und Jugendnotdienstes (KJND) war gegenüber dem Vorjahr gleichbleibend. Dies liegt an dem weiterhin hohen Zuwachs an minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlingen, die in Obhut genommen werden müssen. Ohne Berücksichtigung dieser Zielgruppe sind die Inobhutnahmen ebenfalls um 10 Prozent zurück gegangen.
Die Anzahl der Hilfen zur Erziehung ist weiterhin ansteigend. Hier sind insbesondere ambulante Hilfen wie die Sozialpädagogische Familienhilfe und die ambulante Betreuung oder Erziehungsberatung zu nennen. Stationäre Unterbringungen in Pflegefamilien oder Wohngruppen sind dem gegenüber gleich geblieben bzw. nur leicht angestiegen.
Themenschwerpunkt des Jahresberichtes 2010 sind Kinder und Jugendliche von 6 bis unter 12 Jahren. Erstmalig werden die Maßnahmen aufgeführt, die für diese Zielgruppe im Rahmen des Senatsprogrammes „Handeln gegen Jugendgewalt“ eingeleitet wurden.
Sieglinde Friess, zuständige ver.di-Fachbereichsleiterin Bund, Länder und Gemeinden, kommentierte: „Wir begrüßen, dass es einen jährlichen Kinderschutzbericht gibt, der die prekäre Situation der Kinder in Hamburg offenlegt.
Erneut sind die Meldungen an den ASD (Allgemeiner Sozialer Dienst) um 3% gestiegen. Bei fast 30.000 Meldungen im Jahr sind das fast 10% der Minderjährigen, bei denen Auffälligkeiten erkannt wurden. Fast 10.000 Fälle davon haben konkrete Verdachtsmomente der Kindeswohlgefährdungen. Das ist eindeutig zu viel in einer Stadt, in der Reiche jeden Tag ihr Einkommen steigern. Es ist ein Armutszeugnis, dass Kinder immer noch verwahrlosen und andere sich ‚in Glitzerwelten aalen‘!
Gut erkannt haben es die Bezirke, wenn sie eine Ausweitung der präventiven sozialen Arbeit und der Beratungsangebote einfordern wie auch eine Verbesserung der Situation des ASD formulieren.
Doch dabei bleibt der Bericht stehen und hat keine Folgen. Er ist ein Widerspruch an sich, wenn mehr Beratung eingefordert wird und anderer Stelle mitgeteilt wird, dass die Erziehungsberatung reduziert wurde.
Aus unserer Sicht ist es notwendig, die sozialen Angebote für Kinder auf den Prüfstand zu stellen und neu zu entwickeln. Wenn in der Vergangenheit über 30% des Personals in den Bezirken abgebaut wurde, auch in den sozialen Bereichen, dann ist es nachvollziehbar wenn die Fälle ansteigen. Gute soziale Arbeit erwartet ausreichendes Personal und keine gestressten KollegInnen.
Wir begrüßen, dass Senator Scheele die Arbeit des ASD durch eine höhere Eingruppierung aufwerten möchte. Dies ist auch ein Ergebnis jahrelanger Öffentlichkeitsarbeit der ASD-KollegInnen.
Es ist aber auch notwendig, die soziale Angebotspallette konzeptionell zu überarbeiten und auch im präventiven Bereich auf- und auszubauen. Nur wenn alle sozialen Systeme ausreichend und aufeinander abgestimmt sind, wird das Wohl des Kindes verbessert.
Wir erwarten deshalb eine konsequente Umsetzung des Kinderschutzberichtes im Interesse aller: Der betroffenen Kinder und der zuständigen Beschäftigten.“