Nicht nur eine massive Qualitätsabsenkung, sondern zusätzlich eine Verdoppelung der Gebühren in sogenannten Randzeiten sind der Preis, den Hamburgs Eltern für die angekündigte verlässliche Betreuung der Kinder an Primarschulen von 8 bis 16 Uhr zahlen sollen. Die SPD: „Der Senat finanziert den Ausbau durch Absenkung der Qualität und gleichzeitige Preiserhöhungen!“
Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hat dem Senat vorgeworfen, die geplante verlässliche Betreuung an den Primarschulen durch einen deutlichen Abbau der Betreuungsqualität finanzieren zu wollen. „Sozialsenator Wersich und Schulsenatorin Goetsch haben mittlerweile einräumen müssen, dass der Ausbau der Betreuung durch größere Hortgruppen finanziert werden soll. Gleichzeitig soll es erhöhte Elternbeiträge für die Randzeiten geben – also etwa für die Betreuungszeiten früh morgens und am späteren Nachmittag“, sagten die SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Carola Veit und Ties Rabe. Beide befürchten die Absenkung der Qualitätsstandards um mehr als ein Drittel. Veit kritisierte, der Senat bitte die Eltern zur Kasse, um anschließend die angebliche Kostenfreiheit der Hortbetreuung zu finanzieren.
Nach den Ankündigungen des Senats sollen ab 2011 alle Schulkinder, deren Eltern das wollen, kostenlos bis 16 Uhr an den Primarschulen betreut werden. Goetsch und Wersich müssten jetzt aber einräumen, dass der Senat nur für 40 Prozent der Kinder Plätze bereitstellen will. Das sind 10.000 Kinder mehr als bisher – zusätzliches Geld will der Senat aber nicht ausgeben. „Es zeigt sich einmal mehr, dass der Senat beim Thema Betreuungsausbau nur auf die Zahlen schaut – nicht auf die Qualität der Betreuung“, sagte Rabe. Sein Verdacht: Mit dem angekündigten Ausbau der Betreuung sollen in erster Linie die Kritiker der schwarz-grünen Schulpolitik besänftigt werden.
Rabe betonte, die SPD unterstütze den Ausbau der kostenlosen Hortbetreuung an den Schulen. Dieser Ausbau dürfe aber nicht zu Lasten von Kindern, Personal und Betreuungsqualität gehen. Veit, SPD-Familienexpertin, warf dem Senat vor, genau das zu planen. Die Senatsplanungen sähen größere Gruppen sowie weniger Erzieherinnen und Erzieher vor. Unter dem Strich würden die Qualitätsstandards um mehr als ein Drittel abgesenkt. Gleichzeitig müssten die Eltern die Entlastungen bei den Hortgebühren durch deutlich höhere Gebühren an anderer Stelle ausgleichen. „Wir wollen eine höhere Betreuungsqualität in den Kitas. Der Senat tut das genaue Gegenteil: er plant eine erhebliche Verschlechterung“, sagte Veit. Schon im Jahr 2004 habe der Senat durch eine massive Standardabsenkung die Qualität der Betreuung in den Kitas verringert.
Zurzeit nutzen etwa 23 Prozent aller Kinder unter 14 Jahren die Betreuungsangebote verschiedener Horte und anderer Einrichtungen nach der Schule. Die Eltern zahlen für diese Betreuung gestaffelte Gebühren. Der Senat schätzt die Zahl der bisher betreuten Kinder auf rund 18.000. Künftig will der Senat – eigener Aussage zufolge – für alle Kinder nachmittags bis 16 Uhr an den Primarschulen eine kostenlose Betreuung organisieren. Der Senat geht davon aus, dass 28.000 Kinder – rund 40 Prozent – dieses Angebot wahrnehmen werden.
„Diese Zielquote ist deutlich zu niedrig angesetzt“, sagte Rabe. „Wenn in Hamburg ein kostenloses Angebot geschaffen wird, werden mehr als 40 Prozent der Eltern und Kinder das wahrnehmen wollen. Der Senat steuert hier auf eine halbgare Reform mit ständigem Nachbesserungsbedarf zu.“ Er verwies darauf, dass etwa in Berlin über 70 Prozent der Kinder nachmittags betreut werden.
Weiter habe der Senat einräumen müssen, dass in Zukunft die Größe der Kindergruppen erheblich angehoben wird. Der Betreuungsschlüssel sieht derzeit einen Erzieher auf rund 17 Kinder für die dreistündige Hortbetreuung vor. Zukünftig soll die Gruppengröße in den meisten Schulen auf 25 Kinder, in Schulen in sozialen Brennpunkten auf 20 Kinder zuzüglich einer eventuell anfallenden Überbelegungsquote angehoben werden. Veit: „Der Senat will allen Ernstes zusätzlich 10.000 Kinder betreuen lassen, aber keine einzige zusätzliche Erzieherin einstellen. Das ist eine Reform zu Lasten der Kinder. Viele Eltern, die es sich leisten können, kündigen jetzt schon an, ihren Kindern dieses Verwahrprogramm nicht zuzumuten. Damit ist dieses Vorhaben kein wirklicher Beitrag zu Chancengleichheit.“
Als „besonders ärgerlich“ bezeichnete es Veit, „dass der Senat die Eltern zur Kasse bittet, um die angebliche Kostenfreiheit der Hortbetreuung zu finanzieren“. Denn tatsächlich soll zwar die bisherige Kernbetreuungszeit während der Schulzeit von 8 bis 16 Uhr kostenlos werden. Dafür aber hebt der Senat die Gebühren für die Betreuungszeiten außerhalb dieser Zeiten an. Die bisherigen Gebühren für die Betreuungszeiten von 7 bis 8 Uhr und für die Zeit nach 16 Uhr werden im Kern verdoppelt, ebenso die bisherigen Gebühren für die Ferienbetreuung. Veit: „Der Senat lässt sich für Gebührenentlastungen zwischen 8 und 16 Uhr feiern und erhöht heimlich an anderer Stelle die Gebühren. Das ist nicht redlich.“