Haushalts-Konsolidierung: Alles nur gelogen!

Der Hamburger Senat hat im vergangenen Jahr trotz höchster Steuereinnahmen seit Menschengedenken immens hohe Kredite aufgenommen – und das Geld anschließend in die Rücklage gepackt. Nachdem es dort tüchtig Zinsen gekostet hat, holt er es in diesem Jahr hervor, um pünktlich vor der Wahl stolz zu verkünden, er mache keine neuen Schulden. Das muss die Beust-Regierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage zugeben.

Rund 100 Tage vor der Bürgerschaftswahl hat die SPD-Bürgerschaftsfraktion die Finanzpolitik des Hamburger Senats scharf kritisiert. „Finanzsenator Freytag hat eine Neuverschuldung von Null verkündet. Er versucht, öffentlich den Eindruck zu erwecken, er konsolidiere. In Wahrheit decken aber auch im laufenden Jahr Einnahmen aus Krediten die Haushaltslücke“, sagte SPD-Finanzpolitiker Wolfgang Marx.

Das bedeute: „Der Senat musste sich im laufenden Jahr nur deshalb nicht verschulden, weil er sich im vergangenen Jahr um so höher verschuldet hat.“ Das geht aus der Antwort des Senats auf eine kleine Anfrage der SPD-Bürgerschaftsfraktion hervor (hier die Anfrage und die Antwort mit Anlage zum Download als PDF). Die angebliche Null-Verschuldung sei Resultat eines Taschenspielertricks des Finanzsenators und CDU-Landesvorsitzenden.

Marx zitierte in diesem Zusammenhang die Pressemitteilung des Senats zu den Ergebnissen der November-Steuerschätzung: „Mit den Steuereinnahmen wird der aus eigener Kraft ausgeglichene Hamburger Haushalt abgesichert – Hamburg nimmt keine neuen Schulden mehr auf. Der Betriebshaushalt erwirtschaftet Überschüsse, die Investitionen werden vollständig aus eigenen Mitteln finanziert und darüber hinaus beginnt Hamburg in diesem Jahr mit der Tilgung von Altverbindlichkeiten.“ (Pressemitteilung der Pressestelle des Senats vom 13. November).

„Senat und CDU reden immer von Konsolidierungskurs. Den haben sie allerdings längst verlassen“, entgegnete der SPD-Fachsprecher für Haushaltspolitik, Walter Zuckerer. „In Hamburg sprudeln zurzeit nicht nur wie in ganz Deutschland die Einnahmen, sondern im Vorwahlkampf auch besonders kräftig die Ausgaben“, sagte der SPD-Haushaltsexperte Walter Zuckerer am Mittwoch mit Blick auf die aktuelle Finanzpolitik des Senats und seines Finanzsenators und CDU-Landesvorsitzenden Michael Freytag.

Trick-Buchung statt Null-Verschuldung

Am 31. Oktober unterschrieb Finanzsenator Freytag feierlich eine Kreditermächtigung von Null für das Jahr 2007. In der Antwort eine SPD-Anfrage teilt der Senat jetzt mit, „dass die dem Haushalt 2006 zuzurechnende Nettokreditaufnahme von 600 Mio. Euro erst in 2007 getätigt und in der kameralen Abgrenzung auf das Haushaltsjahr 2006 zurück gebucht wurde.“ Die SPD sieht sich dadurch in ihrer Vermutung bestätigt: „Die Null-Verschuldung ist ein Taschenspielertrick des Finanzsenators und CDU-Landesvorsitzenden. Freytag gibt den Sanierer in Spendierhosen“, sagte Zuckerer. „Freigiebigkeit und Solidität gehen nicht zusammen. Dafür reichen selbst die derzeit hohen Steuereinnahmen nicht aus.“

Marx erläuterte den Buchungstrick, der zu einer Null-Verschuldung für das Jahr 2007 führte: „2006 hatte Hamburg mit 7,8 Milliarden Euro die höchsten Steuereinnahmen aller Zeiten. 1,5 Milliarden Euro mehr als 2001. Das Haushaltsdefizit betrug 214 Millionen Euro. Dennoch wurden 600 Millionen Euro neue Kredite aufgenommen und für 111 Millionen Euro Vermögen mobilisiert. Daraus entstand ein Überschuss von rund 500 Millionen Euro, der der Rücklage zugeführt wurde und aus der nun neben einer Neuverschuldung von Null zahlreiche Wahlgeschenke finanziert werden.“

„Das ist das Gegenteil von Konsolidierung und Seriosität“, so Zuckerer. Auch beim Tricksen fehle Finanzsenator Freytag das Format seines Vorgängers. Zudem dürfe man nicht nur auf die Neuverschuldung schauen. Entscheidend sei das Defizit, das nach wie vor Vermögen durch Verkäufe verzehre. „Auch hier ist keine Trendwende zu erkennen. Die Privatisierungen gehen wie zuletzt bei der HHLA weiter“, so Zuckerer.

Sprudelnde Ausgaben statt Konsolidierung

„Insgesamt wurden seit Beschluss des Doppelhaushalts 2007/2008 444 Mio. Euro zusätzliche Ausgaben beschlossen, die nicht durch Umschichtungen, sondern durch eine Ausweitung der tatsächlichen Ausgaben finanziert werden“, erklärte Zuckerer und verwies auf 27 Senatsanträge. Finanziert würden diese zusätzlichen Ausgaben nicht durch Umschichtung und Einsparung, sondern durch eine Ausweitung des Haushalts.

„Man kann das Geld nur einmal aus einer Rücklage nehmen“, sagte Zuckerer. „Daher ist es finanzpolitisch umso fataler, wenn wie jetzt auch laufende Ausgaben im Betriebshaushalt durch einmalige Entnahmen aus der Rücklage finanziert werden.“ Zuckerer rechnet knapp 180 der 444 Mio. Euro den Betriebsausgaben zu. Die Entnahme aus so der genannten allgemeinen Rücklage steigt für dieses Jahr 2007 auf 338 Mio. Euro. Für das Jahr 2008 sind es schon jetzt 287 Mio. Euro.

Hinzu kommt die Inanspruchnahme der Rückstellungen für Mehraufwendungen in Höhe von zusammen 72 Mio. Euro in den Jahren 2007 und 2008. Außerdem dient die Absenkung des Verlustausgleichs bei der städtischen Holding HGV der Finanzierung zusätzlicher Ausgaben. „Die Absenkung des Verlustausgleich ist nicht begründet durch Gewinne der HGV, sondern durch Vermögensverläufe“, sagte Marx. „So wurden 106 Mio. Euro für zusätzliche Ausgaben generiert.“ Die Verluste der HGV stiegen sogar. Habe die HGV 2004 noch einen gewinn von 24 Mio. Euro ausgewiesen, so habe es 2005 einen Verlust von 39 Mio. Euro gegeben. „2006 hat die HGV einen Verlust in Höhe von 555 Mio. Euro eingefahren“, so Marx. „Auch hier werden Verluste aus Rücklagen gedeckt.“

„Damit wurden für 2007 und 2008 zusammen bisher über 440 Mio. Euro zusätzliche Ausgaben beschlossen. Keine Spur von Konsolidierung,“ so Zuckerer. Als Größenvergleich nannte der die Konsolidierungsprogramme 2003-2006 mit einem Volumen von weniger als 500 Mio. Euro. „Fast das ganze Konsolidierungsprogramm ist nun nach einem dreiviertel Jahr schon wieder drauf“, analysierte Zuckerer. „Jo-Jo-Effekt nennt man das.“

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