Hamburg vergeudet seine Talente!

Die Bildungschancen sind in Hamburg extrem ungleich verteilt. Das ergibt eine Analyse der Bildungserfolge Hamburger Schülerinnen und Schüler (Abschlussjahrgang 2005/2006) auf Stadtteilebene. Wer in einem benachteiligten Stadtteil zur Schule geht, dessen Chance auf das Abitur ist gering, die Gefahr ohne Schulabschluss dazustehen sehr groß.

In Billstedt, Wilhelmsburg, Neugraben Fischbek, Lurup und Jenfeld ist es wahrscheinlicher, ohne Abschluss abzugehen, als das Abitur zu erreichen. GAL-Spitzenkandidatin Christa Goetsch: „Armut führt zu schlechten Bildungschancen und schlechte Bildungserfolge führen zu Armut. Dieser Teufelskreis bestimmt das Schicksal vieler junger Menschen in Hamburg“

Es wurden die 18 Stadtteile, die nach dem Stadtteilranking der GAL zur sozialen Lage in Hamburg auf den schlechtesten Plätzen gelandet sind, mit den 18 ranghöchsten Stadtteilen verglichen. Während in den 18 ranghohen Stadtteilen 59,4 Prozent der Schüler die Hochschulreife erreichen und nur 3,7 Prozent die Schule ohne Abschluss verlassen, stehen in den rangniedrigen Stadtteilen 19,4 Prozent Schüler mit Hochschulreife 17,02 Prozent Schüler ohne Schulabschluss gegenüber.

In den ranghohen Stadtteilen verlassen über 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler die Schule mit Hochschul- oder Fachhochschulreife und Realschulabschluss während in den rangniedrigen Stadtteilen 46,9 Prozent der Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Schulabschluss oder mit Hauptschulabschluss verlassen. Insgesamt zeigt sich, dass der Bildungserfolg der Jungen in allen Schulformen etwas schlechter ist als der der Mädchen. Ausländische Schülerinnen und Schüler sind im Durchschnitt weniger erfolgreich als deutsche.

Allerdings ergab ein Vergleich der Bildungserfolge der ausländischen Schülerinnen und Schüler in den ranghohen Stadtteilen mit denen in den rangniedrigen Stadtteilen, dass diese in den ranghohen Stadteilen fast so gute Abschlüsse erreichten wie deutsche Schülerinnen und Schüler und insgesamt über dem Landesdurchschnitt liegende Ergebnisse erzielten. In den rangniedrigen Stadtteilen lagen die Bildungserfolge ausländischer Schülerinnen und Schüler dagegen unter denen ihrer deutschen Mitschülerinnen und Mitschüler. Claudius Lieven, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der GAL-Bürgerschaftsfraktion: „Die soziale Spaltung der Stadt ist auch eine Bildungsspaltung“.

“Die Bildungschancen sind extrem ungerecht verteilt, Hamburg vergeudet seine Talente. Der Senat tut nichts dagegen, im Gegenteil, seine Kürzungen treffen diejenigen, deren Chancen ohnehin schlecht sind“, kritisiert Christa Goetsch.

Die Kürzungen im Schulsystem hat in den letzten Jahren vor allem Hamburgs Brennpunktschulen getroffen. Ganztagsschulen wurden bis 2005 vor allem in Problemvierteln gegründet. Die CDU hat sich 2005 trotzdem dazu entschlossen genau in diesen Schulen massive Kürzungen vorzunehmen. Bis einschließlich 2008 müssen diese Schulen 60 Prozent der Mittel für den Ganztagsbetrieb abgeben. Die Bilanz: 5,1 Millionen Euro oder 80 Lehrer weniger für die Arbeit in den Brennpunkten. Für die GAL ist der Ganztagesbetrieb ein Herzstück der neuen Hamburger Schule im Konzept 9 macht klug. Als ersten Schritt sollen die Kürzungen bei den bestehenden Ganztagsschulen zurücknehmen und 20 Grundschulen zu Ganztagschulen weiterentwickeln.

Besonders Problematisch ist die Kürzung der Mittel für Sprachförderung: 9,6 Millionen Euro weniger oder 148 Lehrerstellen. Das ist eine Kürzung von 26 Prozent. Sprachförderbedarf haben nahezu ausschließlich Kinder armer Eltern. Darunter auch ein hoher Anteil Kinder mit deutscher Muttersprache. Wie bei der Ganztagsschulpolitik hat die CDU auch bei der Sprachförderung ihre eigene Politik geradezu konterkariert: Den Kindern werden erst die Ganztagesplätze in den Kitas genommen und dann kurz vor der Schule eine Sprachförderbedarf diagnostiziert. Schließlich fehlen dann im Anschluss ausreichend Mittel für das neue Sprachförderkonzept in den Vor- und Grundschulen.

Die Gesamtbilanz: 14,7 Millionen Euro oder 228 Lehrer fehlen heute bei der Förderung der Kinder in den schwächeren Stadtteilen. Gefährdet sind vor allem der erfolgreiche Ganztagsschulbetrieb und die Sprachförderung.

Nur in einem Feld hat die CDU zum Beginn des laufenden Schuljahrs 2007/08 mit dem Feuerwehrprogramm “Lebenswerte Stadt“ begonnen zu handeln: Bei den großen Grundschulklassen. Leider betrifft dies nur 67 Schulen in 34 Stadtteilen, etwa 1/3 aller Grundschulen in Hamburg und auch dort nur die ersten Klassen – die restlichen sind mit 27 – 31 Kinder groß geblieben – so dass insgesamt bislang nur rund 8 Prozent der Grundschülerinnen und –schüler von dieser Maßnahme profitiert haben.

Die GAL fordert die neunjährige gemeinsame Schule, weil diese nach allen Erkenntnissen die beste und chancengerechteste Bildungsform darstellt. Gleichzeitig muss ein besonderes Augenmerk auf die besondere Bedeutung der Schulen in den Stadtteilen mit kritischen sozialen Lagen gelegt werden, denn diese Schulen müssen besonders viel für die soziale Integration und Sprachförderung ihrer Schülerinnen und Schüler leisten. Um dies zu erreichen will die GAL – neben der Verkleinerung der Grundschulklassen, der Ausweitung der Kindertagesbetreuung und einem allgemeinen kostenfreien Vorschuljahr – die weiterführenden Schulen in benachteiligten Stadtteilen zu Magnetschulen entwickeln. Diese Idee ist im Grunde einfach: Attraktive Schulen in benachteiligten Gebieten ziehen auch Schülerinnen und Schüler (bzw. Eltern) aus anderen Stadtteilen an. Dadurch erreichen die Magnetschulen eine bessere soziokulturelle Zusammensetzung der Schülerschaft, eine Senkung der Zahl der Wiederholer und Schulabbrecher und eine Erhöhung der Lerneffizienz. Als besonders effizient und attraktiv haben sich künstlerisch-musische, sportliche oder freie pädagogische Profile herausgestellt. Best-Practice-Beispiele, wie die Offene Schule Waldau in Kassel oder die Gesamtschule Alter Teichweg zeigen, wie Schulen zu einem Magneten für den gesamten Stadtteil entwickelt werden können. Gleichzeitig spielen sie als „sozialer Leuchtturm“ auch eine bedeutende Rolle als Identifikationsort und Imageträger für den Stadtteil.

Die GAL fordert, dass in allen Kitas und Schulen ein geschulter Pädagoge die moderne Sprachdiagnosen (HAVAS) durchführen und entsprechende Förderpläne entwickeln kann. Ziel ist eine individuelle Sprachförderung für die Kinder möglichst schon in der Kita. Jedes Kind soll einen Anspruch auf einen Ganztagsplatz in der Kita haben. In den Grundschulen soll es zudem ab dem Schuljahr 2008 in ganz Hamburg keine Grundschulklassen mit mehr als 25 Kindern – in den Brennpunkten mit nicht mehr als 20 Kindern geben.

Armutslöhne breiten sich aus

Die GAL hat zudem die neusten Arbeitsmarktzahlen auf Stadtteilebene analysiert und festgestellt, dass der Anteil der ALG II abhängigen Menschen in den benachteiligten Stadtteilen auch 2007 weiter gewachsen ist. Obwohl die Arbeitslosigkeit in Hamburg insgesamt zurückgegangen hat sich somit die soziale Spaltung in Hamburg vertieft. Während deren Zahl in ganz Hamburg um 0,3 Prozent sank, stieg sie in den benachteiligten Stadtteilen um 2 Prozent an. Gleichzeitig zeigte sich, dass viele der 2007 entstandene Jobs Billiglohnarbeitsplätze sind, von denen die Beschäftigten nicht leben können. Zwischen Juli 2006 und Juli 2007 ist die Zahl derer, die wegen niedriger Einkommen ergänzendes ALG II beziehen, um 13.500 Personen bzw. 75 Prozent gestiegen.

Die Stadtteilanalyse anhand der Juni-Zahlen 2006/2007 zeigt: Armut wächst, auch wenn Hamburg boomt – die Topografie der Armut, die die GAL-Fraktion mit 18 benachteiligten Stadtteilen dargestellt hat, verfestigt sich.

Die soziale Spaltung trifft aber nicht nur bestimmte Stadtteile besonders sondern auch bestimmte Personengruppen. Während junge Menschen und Männer sich eher aus dem ALG II-Bezug lösen können, steigt die Zahl der Frauen (+1,2%), der Nichterwerbstätigen und Kinder (+2,46%) und vor allem der Alleinerziehenden (+6,76%) zum Teil deutlich an. Auch hier sind die ärmeren Stadtteile stärker betroffen als der Landesdurchschnitt.

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der GAL Bürgerschaftsfraktion Gudrun Köncke: „Die von uns belegten Entwicklungen verdeutlichen die Herausforderungen an die Politik. An Hamburgs ärmeren Stadtteilen geht der Boom weitgehend vorbei – die anziehende Konjunktur konnte bisher nicht genutzt werden, um die Lebensbedingungen für einen Großteil der Hamburger zu verbessern.“

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