Gutes Recht für Arme teurer

photocaseJUSTIZ.jpegAus den Antworten zweier Anfragen des GAL-Abgeordneten Dr. Till Steffen geht hervor, dass der Hamburger Senat zwei umstrittenen Bundesratsdrucksachen zur Einschränkung der Prozesskostenhilfe (PKH) und zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes zugestimmt hat (Drs. 18/5030 und 18/5035).

Den Gesetzentwürfen zufolge sollen die Rechte der mittellosen Kläger besonders durch finanzielle Hürden massiv eingeschränkt werden. „Der Hamburger Senat möchte die gestiegenen Gerichtskosten auf die sozial Schwachen abwälzen, die schon heute kaum Möglichkeiten haben, ihr Recht durchzusetzen. Das ist unsozial und darüber hinaus verfassungsrechtlich höchst bedenklich“, so der rechtspolitische Sprecher der GAL-Bürgerschaftsfraktion.

Der Bundesrat hat auf Initiative von Niedersachsen und Baden-Württemberg einen Gesetzentwurf zur Begrenzung der Aufwendungen für die Prozesskostenhilfe in den Bundestag eingebracht (BT-Drs. 16/1994). Erklärtes Ziel des Entwurfs ist es, der angeblich exorbitant gestiegenen PKH einen Riegel vorzuschieben. Zu diesem Zweck schlägt der Bundesrat mehrere Maßnahmen vor. Diese sind insbesondere:

– Absenkungen der Einkommensfreibeträge auf das sozialhilferechtliche Existenzminimum,

– Anhebung der Ratenhöhe,

– das Streichen der gegenwärtigen Begrenzung der Ratenzahlung auf max. 48 Monate,

– volle Anrechnung des durch den Prozess Erlangten für die Rückzahlung der PKH – ohne Begrenzung auf Existenzminimum oder Schonvermögen,

– die Einführung einer PKH-Bewilligungsgebühr in Höhe von 50 Euro bei Ratenzahlung.

Die im Gesetzentwurf genannten Zahlen basieren auf keiner belastbaren Grundlage. Ein Regelungsbedarf lässt sich mit ihnen nicht begründen. Auch in Hamburg fehlt dazu das nötige Datenmaterial. Aus den Antworten des Senats (Drs. 18/5030) wurde offensichtlich, dass die Gesamtausgaben für die PKH an Hamburgs Gerichten nicht separat ausgewiesen werden; die Fallzahlen und Bewilligungen für PKH werden in einigen Gerichtszweigen überhaupt nicht erfasst – ebenso die Verfahrensdauer für PKH-Verfahren.

Darüber hinaus kann der Senat keinerlei Datenmaterial über mögliche PKH-Rückflüsse liefern. Zu guter Letzt muss er auch eingestehen, dass er sich bis auf sein zustimmendes Verhalten im Bundesrat nicht mit der Thematik für Hamburg befasst hat (Drs. 18/5030, Antwort zu Frage 3).

Richtig ist, dass die staatlichen Aufwendungen für PKH im letzten Jahr bundesweit gestiegen sind. Der Hauptgrund liegt jedoch in der gesetzlichen Anhebung der Rechtsanwaltsvergütung durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz aus dem Jahre 2004. In Hamburg sind die Rechtsanwaltskosten bei Prozesskostenhilfesachen von 2001 (8,9 Millionen) bis 2005 (knapp 13 Millionen) um rund 45% gestiegen. In diesem Jahr werden sich die Ausgaben auf rund 14,5 Millionen belaufen (Hochrechnung). „Die vorhersehbaren Folgen, die mit dem Anheben der Anwaltsvergütung verbunden sind, jetzt auf die sozial Schwachen abzuwälzen, ist das falsche sozialpolitische Zeichen“, so Steffen.

Ein weiteres Argument für eine Neuregelung der PKH ist die Bestrebung, den angeblichen Missbrauch einzudämmen. Dabei handelt sich einmal mehr um eine unbewiesene Behauptung. Schon jetzt wird PKH nur dann vom Gericht gewährt, wenn die Sache Aussicht auf Erfolg hat. Auch in Hamburg kann der Senat keinerlei Auskunft über eine mögliche missbräuchliche Inanspruchnahme geben.

Steffen bilanziert: „Der Hamburger Senat soll erst mal aussagekräftige Fakten liefern, bevor er das Leben der Mittellosen und Einkommensarmen noch zusätzlich belastet. Statt mit Fakten arbeitet er mit haltlosen Schuldzuweisungen an ganze Bevölkerungsgruppen. Diese PKH-Reformvorschläge verdienen Ablehnung auf ganzer Linie!“

Gleiches gilt für den ebenfalls vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (BT-Drs.16/1028), der die bestehende Gebührenfreiheit für Versicherte, Leistungsempfänger und Behinderte aufgeben und eine allgemeine Verfahrensgebühr von 75 Euro einführen will. Durch die Möglichkeit der Gewährung von Prozesskostenhilfe sei sozialgerichtlicher Rechtsschutz weiterhin umfassend gewährleistet, behauptet der Bundesrat. In Anbetracht der Tatsache, dass gerade diese ja ebenfalls beschnitten wird, ist der Verweis darauf fast zynisch. Der Bundesrat rechnet mit einer erheblichen Reduktion der Streitsachen. Der Hamburger Senat will auf diese Weise die durch Hartz IV gestiegenen Verfahrenszahlen vor den Sozialgerichten eindämmen. Im Jahre 2005 gab es deshalb zusätzlich 1800 Verfahren, im ersten Halbjahr 2006 waren es bereits 1380.

„Die Leistungsempfänger durch finanzielle Abschreckung dazu zu bewegen, nicht um die Rechtmäßigkeit ihres Leistungsbescheids zu prozessieren, ist ungerecht und sozial verwerflich. Wer am Existenzminimum lebt, führt kein Sparbuch für mögliche Rechtsstreitigkeiten“, so Steffen.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.