Bei den Gewaltvorfällen an Hamburger Schulen gibt es weiter ein „dramatisch großes Dunkelfeld“. Unklar bleibt auch, wie zuverlässig die Zusammenarbeit der beteiligten Behörden bei Fällen von Jugendkriminalität und Kindeswohlgefährdung funktioniert. Zu diesen Ergebnissen kommen die Jugend- und Innenexperten der SPD-Fraktion Thomas Böwer, Andreas Dressel und Carola Veit.
Nach der Mädchenprügelei auf der Veddel hatten die drei Abgeordneten in der vergangenen Woche eine Anfrage an den Senat auch zur Gewalt an Schulen insgesamt gerichtet. Das Ergebnis: Nach der neuen Meldepflicht für Gewaltvorfälle an Schulen wurden zwischen April und Dezember 2008 ganze 256 Gewaltvorfälle gemeldet. Rechnet man das auf das gesamte erste Jahr der Meldepflicht hoch, kommt man auf gut 340 Gewaltvorfälle.
Zum Vergleich: Berlin – in Sachen Meldepflicht bei Gewaltvorfällen an Schulen seit 1992 Vorreiter – hatte
ausweislich der letzten Statistik (Schuljahr 2006/2007) 1735 Gewaltvorfälle registriert – 1,8 Fälle/Schule. Gleiche Verhältnisse vorausgesetzt, müsste man in Hamburg 600 bis 800 Fälle von Gewalt registrieren.
Dressel: „Auch wenn es an Hamburger Schulen friedlicher zugehen mag als in Berlin: Die Hamburger Zahlen sind zu schön, um wahr zu sein.“ Böwer: „Wir müssen leider befürchten, dass die Meldepflicht nur unzureichend befolgt wird.“ Veit: „Es war bei Einführung der Meldepflicht erklärtes Senatsmotto, dass nun das Wegsehen aufhören solle. Das Gegenteil scheint leider häufig genug weiter der Fall zu sein.“
Und auf die Frage nach regionalen Brennpunkten und entsprechenden Gegenmaßnahmen antwortet der Senat: „Die zuständige Behörde veröffentlicht keine schulstandort- oder stadtteilspezifischen Auswertungen, um Stigmatisierungen von einzelnen Schulen oder Stadtteilen zu vermeiden.“ Dressel: „Jede Kriminalstatistik weist selbstverständlich Stadtteildaten aus. Nur um die Gewalt an Schulen soll der Mantel des Schweigens gehüllt werden – noch dazu von einer grünen Senatorin, die sich früher immer für volle Offenheit und maximale Aufklärung eingesetzt hat. Dabei ist doch klar: Erfolgreiche Gewaltbekämpfung und vorausschauende Gewaltprävention an Schulen muss mit Transparenz beginnen. Und da hilft nur: Aussprechen, was ist.“ Veit: „Erst Hinsehen und dann Handeln muss das Motto sein. Berlin zeigt, wie es geht.“
Unklar geblieben ist nach den Antworten des Senats auch, wie die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Dienststellen aussieht. Der Senat gibt für den Veddeler Fall zwar an, dass wegen der eines der beteiligten Mädchen und ihres Bruders innerhalb von neun Monaten vier Meldungen wegen Kindeswohlgefährdung an den ASD gegangen seien. Ob und was daraufhin passiert ist, sagt der Senat nicht.
„Das ist sehr wenig nach all dem Wirbel, den der Senat in den letzten Jahren um Familieninterventionsteam, verbesserte Handlungskonzepte, Frühwarnsysteme und worst-case-Szenarien gemacht hat“, so Jugendexpertin Veit.
Im konkreten Veddel-Fall drückt der Senat sich in vielen Punkten wegen des laufenden Vorermittlungsverfahrens und einiger Datenschutzbedenken vor allzu klaren Aussagen. Bemerkenswert allerdings die Info, dass die tatsächliche Besetzung des für den Fall eigentlich zuständigen
Polizeikommissariats 44 von der Soll-Stärke von 70 Beamten deutlich abwich.
Im Dienst seien ganze 50 Beamte gewesen, so der Senat. Im konkreten Fall mussten Kräfte der Wasserschutzpolizei einspringen. Senatsbegründung: „Einsatzkräfte des PK 44 standen zu diesem Zeitpunkt nicht zur Verfügung.“
Hintergrundinfos:
Bei der Vorstellung des Senatskonzepts gegen Jugendgewalt im November 2007 hatte die damalige Bildungssenatorin Dinges-Dierig betont, das „Wegsehen unserer Behördenmitarbeiter“ finde ‚jetzt nicht mehr statt“.
Das war geplant – Senatskonzept aus Drs. 18/7296 (Auszug):
9.4 Verbindliche Richtlinie zur Anzeigepflicht an Schulen
Inhalt:
Das Meldewesen bei Gewaltvorfällen an Schulen wird aktualisiert und über eine neue Richtlinie umgesetzt. Die
Meldung eines Gewaltvorfalls soll neben den schulbehördlichen Instanzen (REBUS, Beratungsstelle Gewaltprävention, Schulaufsicht) auch sofort die Polizei und das bezirkliche Jugendamt erreichen.
Vorgehen:
Die Meldung eines schulischen Gewaltvorfalls an die Schulaufsicht, die Pressestelle der BBS, REBUS, die Beratungsstelle Gewaltprävention, das bezirklich zuständige Jugendamt (ASD) und die Polizei soll zeitgleich erfolgen.
Das mit der Strafanzeige bei der Polizei einhergehende Ermittlungsverfahren kann neben dem repressiven auch
einen präventiven Charakter haben (Normenverdeutlichung).
Wirkung:
Die Anzeige- bzw. Meldepflicht richtet sich an alle Lehrkräfte und Schulleitungen Hamburger Schulen. Mit einer
verbindlichen Regelung der Meldung und der Anzeige von Gewalthandlungen bei der Polizei werden neben den schulinternen Interventionsketten auch die polizeilichen und justiziellen Kompetenzen genutzt.
Über eine Aktualisierung der Meldepflicht kann eine schnellere Unterstützung der Schulen und eine verbindliche
Beratung bzw. Aufforderung bezüglich einer polizeilichen Anzeige ermöglicht werden.
Umsetzung:
Die Umsetzung der Maßnahme erfolgt Anfang 2008.
Wir sind letztes jahr nach hamburg gezogen, und gleich in den ersten monaten ist mein sohn 2 mal an der schule zusammen geschlagen worden..
Wir haben das selbst zur anzeige gebracht, da die schule NICHT reagiert hat. Und das, obwohl wir vorher auf probleme ( bedrohung) hingewiesen haben. Nachdem wir immer sofort gehandelt haben, wenn wieder gegen unseren sohn angegangen wurde, reagiert die schule heute schneller.. In seinem zeugniss steht zum beispiel, das er sich ja dank polizei ab und zu durchsetzen kann( mir ist fast schlecht geworden,als ich das laß.. )
Und wenn ihn jetzt mal wieder jemand körperlich zusetzt, kommt eine woche später jemand von der polizei und spricht mit den „kindern“ ..
Worüber sie wohl mit denen sprechen wird, wenn mein sohn mal nicht nur wieder ein Cuttermesser vor den bauch gehalten wird ( was der andere ja angäblich nie gehabt hat ) , sondern der andere einfach “ durchzieht“ ,ist eine andere frage…
Zumal er ja nun auch plötzlich immer mit schuld ist, weil sich immer jemand findet ,der sagt, er hat aber auch…
Kein wunder, wenn unsere kinder irgendwann überhaupt nicht mehr wissen,was sie machen sollen/dürfen/können, ohne selbst zum täter zu werden.
Laut polizei dürfen und sollen sie sich wehren.. Was ist aber, wenn sie schon 14 sind ?
Und irgendwann wirklich ausrassten , weil alles zu viel wird ?
Ich möchte nicht in deren schuhen stecken…
http://www.zeit.de/1997/10/Indem_wir_zusammenstehen
Ein kleiner Einblick in das, was passieren kann, wenn wir weiter wegschauen….
Ich kann nicht wegschauen, denn es geht um MEIN KIND !!
Und vieleicht auch um eure Kinder…
Schaut nur einfach mal genau hin…
Und hört genau hin…
Oder sind eure Kinder vieleicht Täter ?
Dann redet mit ihnen…
Versucht ihnen klar zu machen, was sie anrichten..
Ich weiss , das es schwer ist, aber es geht… Man muss es nur wollen…