Traditionen zu pflegen, kann sehr sinnvoll sein, zumal, wenn man sie dabei kritisch hinterfragt. Bei der ehemaligen „Verwertungsgesellschaft für Montanindustrie“ (Montan), die im Dritten Reich Rüstungsbetriebe baute, in denen dann Zwangsarbeiter, KZ-Häftlinge und Kriegsgefangene arbeiteten und oft zu Tode gequält wurden, sieht die Sache offenbar anders aus: Ihre Nachfolgegesellschaft, Deutschlands größte Immobilienfirma „Immobilien Verwertungsgesellschaft (IVG)“, hält Erinnerungen an die Vergangenheit offenbar für „geschäftsschädigend“. Eine unglaubliche Geschichte in der MOPO von heute.
Die „Georgsburg“ in der Spaldingstraße 152 bis 162: Das bis heute etwas finster wirkende Gebäude war einst Außenlager des KZ Neuengamme. Bis zu 2.000 Menschen sollen hier gleichzeitig eingesperrt gewesen sein, viele verhungerten, starben an Entkräftung.
Das Gebäude selbst überstand Krieg und Bomben, wurde seither als Gewerbegebäude genutzt. Natürlich wussten Geschichtskundige, in den ersten Jahrzehnten nach Kriegsende selbstverständlich auch Überlebende oder Angehörige von Opfern, was es mit dieser „Georgsburg“ auf sich hatte. Aber anders als z.B. das ehemalige Gestapo-Hauptquartier an der Stadthausbrücke war das Haus in der Spaldingstraße kaum Gegenstand öffentlicher Diskussionen.
Erst Ende der 80er Jahre tauchte der Georgshof in der Diskussion wieder auf. Seither wurde mit der Eigentümergesellschaft darüber verhandelt, wie man der Opfer gedenken könne. Erst 20 Jahre später, Ende Oktober 2009, wurde eine dezente Gedenktafel angebracht. Die hat die IVG jetzt nach drei Wochen wieder abschrauben lassen – angeblich, weil die Erdgeschoss-Mieter ihre Geschäfte durch die Gedenktafel beeinträchtigt sahen.